Donner & Reuschel: Mumm kompakt - Anzeichen für Lohn-Preis-Spirale verdichten sich
Derzeit zeigt sich, dass die Steuerung der Inflation kein so einfaches Unterfangen ist, schon gar nicht das Erreichen eines bestimmten Inflationsniveaus.12.10.2021 | 11:13 Uhr
Zwar betonen
die Europäische Zentralbank EZB und andere bedeutenden Notenbanken, dass
die aktuell höheren Preissteigerungsraten nur temporären Charakter haben. Die
kürzlich erhöhten EZB-Projektionen liegen mit 1,7 Prozent für 2022 und 1,5
Prozent für 2023 sogar immer noch weit unter dem langfristigen Zielwert von 2
Prozent. Allerdings entwickelt sich gerade eine immer schwerer zu
kontrollierende Eigendynamik, die aus vielen verschiedenen preistreibenden
Komponenten besteht, die größtenteils von der Notenbank gar nicht beeinflusst
werden können. Zuerst sind in den vergangenen Monaten die Preise für diverse
Rohstoffe und Vorprodukte deutlich angestiegen, unter anderem aufgrund
anhaltend gestörter Lieferketten. Dies hat für teils explodierende
Produktionskosten in der Industrie gesorgt. Nun legten auch noch die
Energiepreise unerwartet stark zu. Auch hier sind die Hintergründe vielfältig,
dazu gehören Corona- und witterungsbedingte Produktionsunterbrechungen, erhöhte
Nachfrage in der Erholung nach der Rezession, die nur langsame Anhebung der
täglichen Rohölfördermenge durch die OPEC oder leere Gaslagerstätten in vielen
Staaten. Der noch fehlende Schritt für eine länger anhaltende Phase erhöhter
Inflationsraten wäre das Einsetzen einer Lohn-Preis-Spirale, die zumindest in
den USA schon klar erkennbar ist. In dieser Woche werden die Stellenangebote
laut offizieller Arbeitsmarktstatistik (Job Openings and Labor Turnover Survey
des Bureau of Labour Statistics, JOLT) veröffentlicht, die mit knapp 11
Millionen offener Stellengesuche erneut auf Rekordniveau liegen dürften.
Angesichts des zuletzt erneut nur geringen Anstiegs neuer Arbeitsverhältnisse
in den USA eröffnet sich deutlicher Spielraum für Lohnerhöhungen für
Arbeitnehmer. In Deutschland werden die derzeit höheren Inflationsraten schon
zu einem Kernargument für höhere Lohnabschlüsse, schließlich treffen höhere
Preise vor allem geringere und mittlere Einkommensempfänger. Die
EZB-Projektionen dürften vor diesem Hintergrund - möglicherweise deutlich - zu
niedrig liegen. Die Zinsen für Staatsanleihen werden weiter steigen, aber
voraussichtlich noch lange unterhalb der Inflationsrate liegen.
Ihr Carsten Mumm