DONNER & REUSCHEL: Mumm kompakt – Eine neue Euro-Vertrauenskrise bleibt unwahrscheinlich
Nach Mario Draghis Rücktritt als italienischer Ministerpräsident und dem Ende der Regierung stehen am 25. September wieder einmal vorzeitige Neuwahlen auf der Agenda. Umfragen deuten auf eine Mehrheit für ein Mitte-Rechts-Bündnis hin.30.08.2022 | 09:11 Uhr
Dieses besteht aus der Partei „Fratelli d’Italia“ (FdI), der Forza Italia um Silvio Berlusconi sowie der Lega des ehemaligen Ministerpräsidenten Matteo Salvini. Dabei wären nicht nur Berlusconi und Salvini eher dem rechten politischen Lager zuzuordnen. Auch die potenzielle Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) ist ein früheres Mitglied der faschistischen Partei MSI. Zwar gibt sie sich heute gemäßigter und demokratisch und unterstützt grundsätzlich sowohl die EU, den Euro als auch die NATO, doch macht sie aus ihrer Vergangenheit keinen Hehl.
An den Börsen lässt sich die Skepsis bzgl. der kommenden
politischen Führung in Rom trotzdem anhand der Risikoprämien für italienische
Staatsanleihen messen, die im Sommer im Vergleich zu Bundesanleihen auf fast
2,50 Prozentpunkte angestiegen sind.
Die EZB begegnete den Sorgen um die
Zahlungsfähigkeit Italiens angesichts der enormen Staatsverschuldung in Höhe
von 2,77 Billionen Euro (153 Prozent bezogen auf das BIP) bereits in einer
spontanen Sitzung Mitte Juni. In dieser kündigte der EZB-Rat an, mit einem
„Antifragmentierungsinstrument“ (Transmission Protection Instrument / TPI) die
ungestörte Transmission der geldpolitischen Ausrichtung in allen Staaten der
Eurozone abzusichern. Im Klartext heißt das, trotz Leitzinsanstieg und ohne
Auflagen für weiterhin möglichst niedrige Renditen bei Staatsanleihen zu
sorgen. Prompt erhöhte sich bereits im Juli – im Zuge der Wiederanlage fälliger
Wertpapiere im Rahmen des PEPP-Kaufprogramms – der Anteil italienischer
Staatsanleihen zulasten deutscher Bundesanleihen im Portfolio der Notenbank.
Auch wenn dieser Schritt ordnungspolitisch in die völlig falsche Richtung weist
und vor dem Bundesverfassungsgericht bereits ein Eilantrag gegen das TPI wegen
des Verdachts der indirekten Staatsfinanzierung eingereicht wurde, sorgt er kurzfristig
dafür, dass die Refinanzierungsfähigkeit italienischer Staatsschulden rund um
die Wahlen gesichert bleibt. Damit wird der neuen Regierung zumindest Zeit
gekauft, um das Programm zu formulieren, welches neben Steuersenkungen auch
eine Neuverhandlung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts vorsieht.
Einige der noch unter Mario Draghi angestoßenen Reformen dürften nicht
fortgeführt werden. Allerdings erhält Italien mit rund 200 Mrd. Euro den
größten Anteil aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU deren Auszahlung an
Auflagen – u.a. ein Investitionsprogramm – aus Zeiten der Draghi-Regierung
geknüpft ist. Meloni sieht diese Ziele nicht gefährdet, fordert aufgrund des
Ukrainekriegs jedoch vorsichtig eine „Überarbeitung“.
Auch wenn die Märkte vorerst ruhiggestellt werden, dürften zwischen Brüssel und Rom die Verhandlungsdrähte demnächst wieder heiß laufen und für Schlagzeilen sorgen.
Ihr Carsten Mumm
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