DPAM CIO’S View: Wer will schon ein fallendes Messer fangen?
Die Renditen für Anleihen steigen. Sie sind seit Mitte 2020 im Aufwärtstrend. Dies fiel mit dem Inflationsdruck infolge der Probleme in der CORONA-Lieferkette zusammen. Danach beschleunigte sich der Anstieg allmählich, als sich die Wirtschaft und die Arbeitsmärkte erholten. Wie lange wird dieser Trend anhalten? Werden die Anleihemärkte in naher Zukunft ein neues Gleichgewicht finden?08.04.2022 | 08:52 Uhr
Anfänglich spielten die Zentralbanken
den Inflationsdruck als vorübergehendes Problem herunter. Darin waren
sich alle einig. In der Tat glauben wir immer noch, dass die Inflation
von ihrem derzeitigen Höchststand aus zurückgehen wird. Das Problem ist, dass die Inflationsdynamik in der Aufschwung Phase nach der Corona-Pandemie sehr komplex geworden ist.
Die große wirtschaftliche Volatilität in Verbindung mit noch nie
dagewesenen geld- und fiskalpolitischen Impulsen erschwerte eine genaue
kurzfristige Vorhersage. Der ursprüngliche Plan der Zentralbanken
bestand darin, die Inflation durch die allmähliche Beseitigung von
Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage zu normalisieren,
anstatt eine aggressive Straffung vorzunehmen und die wirtschaftliche
Erholung und den Arbeitsmarkt zu gefährden. Die Folgen des
Ukraine-Krieges erschweren die Situation zusätzlich. Der Inflationsdruck
ist gestiegen. Das Risiko größerer Zweitrundeneffekte und höherer Inflationserwartungen ist real geworden.
In den USA hat Jerome Powell nach seiner
Wiederernennung zum Fed-Vorsitzenden am 22. November 2021 einen
Kurswechsel eingeleitet. Angesichts des angespannten Arbeitsmarktes
machte die Fed die Steuerung der Inflation zur einzigen wichtigen
Priorität. Die EZB und andere Zentralbanken verfolgten eine ähnliche
Haltung.
In der Vergangenheit haben die Märkte
schnell auf Zinserhöhungen der Fed gesetzt. Doch jedes Mal wurden sie
von einer Fed überrascht, die sich letztlich eher zurückhaltend zeigte.
Dies war mit Sicherheit in der Amtszeit von Janet Yellen der Fall. Der Markt hat sich darauf eingestellt, dass sich die Fed zurückhaltender verhalten wird als erwartet.
Diesmal ist Powell vor dem Hintergrund
der höheren Inflation fast noch aggressiver als der Markt. Der Markt
holt auf. Wir befinden uns in einem Umfeld hoher Inflation, in dem die
Zentralbanken darum kämpfen, die Inflation unter Kontrolle zu halten.
Eine solche Situation haben wir seit 40 Jahren nicht mehr erlebt. Und
damals waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die
Zentralbanken noch vollkommen anders. Daher hat der Markt keinen
Referenzrahmen für die Preisbildung. Der Anleihemarkt befindet sich im Preisfindungsmodus.
Infolgedessen steigen die Renditen, und viele Renditekurven werden immer flacher:
Grafiklegende: US-Zehnjahresrendite, Quelle: Bloomberg
Wie lange kann der Trend noch anhalten? Ein
Sprichwort warnt davor, ein fallendes Messer zu fangen. Aber
zugegebenermaßen werden die höheren Renditen zu einer immer
attraktiveren Investmentmöglichkeit.Wir sehen zwei Auslöser, die diesen Trend stoppen oder umkehren könnten:
- Der erste ist eine Änderung der Inflationsaussichten. Wie bereits gesagt, antizipieren wir eine Normalisierung der Inflation auf ein niedrigeres Niveau aus rein technischen Gründen. Die höheren Preissteigerungen im März und April letzten Jahres werden bald aus den Vorjahreszahlen verschwinden, was bald zu einem niedrigeren Inflationsdruck führen wird. Es sei denn, es gibt neue "einmalige" Ereignisse, die die Inflation wieder in die Höhe treiben. Denken Sie daran, dass die wahre Gefahr in einer wiederkehrenden Inflation besteht, Jahr für Jahr. Im Moment sehen wir diese Gefahr jedoch nicht. Sobald wir mehr Gewissheit über den Inflationsverlauf haben, werden wir auch den Zentralbankkurs und die Leitzinssätze klarer erkennen können. Dies setzt voraus, dass es keine weiteren einmaligen Inflationsschübe gibt, die Zweitrunden-effekte begrenzt sind und die Inflationserwartungen stabil bleiben.
- Ein zweiter Auslöser, der einen Anstieg der Zinssätze verhindern könnte, sind eher technische Faktoren, da Käufer auftauchen, um diese Staatsanleihen auf einem attraktiveren Niveau zu erwerben. Die US-Renditen scheinen jedoch vorerst alle technischen Unterstützungsniveaus durchbrochen zu haben, was bestätigt, dass es dem Anleihemarkt derzeit an einem klaren Preisbildungsrahmen mangelt. Es ist, als würde man ein fallendes Messer fangen.
In der Zwischenzeit ziehen wir
Sicherheitshandschuhe an.
Fortsetzung folgt.