Emerging oder Emergency Markets?

Manfred Schlumberger, Fondsmanager bei BHF Trust, über die kräftigen Kursverluste bei Aktien, vor allem aus den Emerging Markets. Die Kurse von Anleihen geben ebenfalls nach.

27.06.2013 | 10:25 Uhr

Große Unsicherheit beherrscht die Kapitalmärkte. Kräftige Kursverluste bei Aktien, vor allem aus den Emerging Markets; aber auch die Kurse von Anleihen geben nach. Für diese Entwicklung gibt es zwei Auslöser: Zum einen die wiederholten Äußerungen von US-Notenbank-Chef Bernanke, dass die FED angesichts verbesserter Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten damit beginnen könnte, ihr Anleihenkauf-programm QE3 zu reduzieren. Zum anderen aber spielen die unerwartet schwächeren Wirtschaftsda-ten aus den Schwellenländern und die plötzlich sehr restriktive Geldpolitik der chinesischen Zentral-bank eine entscheidende Rolle.

Die neue chinesische Regierung beabsichtigt offenbar nicht, das Wachstum über die 7 %-Marke hin-aus zu beschleunigen, die in China als "Stagnationsgrenze" gilt. Einerseits möchte die neue Führung eher die Binnenkonjunktur und den Konsum als den Export und die Bauinvestitionen fördern. Zum anderen sollen aus Angst um die Finanzstabilität das horrende Kreditwachstum und der nach wie vor partiell Blasencharakter zeigende Immobilienmarkt nicht weiter angeheizt werden. Die Kreditsumme in China wächst doppelt so stark wie das Wirtschaftswachstum, und die Verschuldung im Unterneh-mens- (ex Finanz-) Sektor wird auf über 150 Prozent des BIP geschätzt. Die dadurch extrem gewach-sene Zinsbelastung könnte sich für viele Unternehmen als zu große Bürde erweisen und den sowieso nicht gerade gesunden Bankensektor mit seinen vielen Schattenbanken empfindlich treffen. Unter-nehmenspleiten, ein wachsender Anteil fauler Kredite im Bankensektor und eine damit einhergehende Kreditklemme könnten das chinesische Wachstum noch weiter belasten. Der chinesische Aktienmarkt hinkt daher bereits seit über zwei Jahren dem MSCI Welt weit hinterher und hat allein in diesem Jahr den Rückstand auf fast 20 Prozentpunkte ausgebaut. Die anderen BRICs haben mit jeweils spezifi-schen Problemen zu kämpfen: Indien mit dem Ende des politischen Reformprozesses, Brasilien mit einer horrenden privaten Verschuldung und, ebenso wie Russland, mit seit über zwei Jahren stagnie-renden bis rückläufigen Rohstoffpreisen. Das hat den Rückstand des MSCI BRIC gegenüber dem Weltindex im laufenden Jahr sogar auf 23 Prozentpunkte ausgeweitet. Der MSCI Emerging Markets steht relativ leicht besser da - muss allerdings in Zukunft die Mitgliedschaft von Griechenland verdau-en. Hoffentlich spricht man zukünftig nicht vom MSCI Emergency Markets.

Aus den Fehlern von Greenspan lernen

Damit zur FED, die immer noch die Kapitalmärkte am stärksten beeinflussen kann. Ben Bernanke scheint zum Ende seiner Amtszeit aus den Fehlern seines Vorgängers Greenspan lernen zu wollen. Der hatte im Vorfeld der großen Finanzkrise durch zu späte und dann zu heftige Zinserhöhungen der US-Immobilienblase den Garaus gemacht. Mit den Folgen müssen wir noch viele Jahre leben. Die QE-Programme sollen das Zinsniveau über die gesamte Kurve hinweg durch Anleihenkäufe absen-ken, nachdem das Mittel der Leitzinssenkungen ausgeschöpft ist. Dadurch soll die Wirtschaft über niedrige Zinsen angekurbelt werden. Allerdings hat der bekannteste Nationalökonom des 20. Jahr-hunderts, John Maynard Keynes, bereits vor über 65 Jahren darauf hingewiesen, dass dies unterhalb bestimmter Zinsniveaus nicht mehr funktioniert. Daneben verspricht man sich positive Vermögensef-fekte, die sich allerdings bei unsachgemäßer Handhabung zu Vermögenspreisblasen auswachsen können. Anleger werden gezwungen, wegen der niedrigen Zinsen ihr Geld in Sachwerte wie Immobi-lien, Aktien, Rohstoffe, Edelmetalle, Oldtimer, Kunstgegenstände etc. zu investieren und deren Preise in die Höhe zu treiben. Dadurch fühlen sich einige dieser Anleger reicher, erhöhen ihre Verschuldung und steigern ihre Konsumausgaben (sog. "Wohlstandseffekt"). Dieses Modell scheint zumindest in den USA bescheidene Erfolge zu verzeichnen: Der Immobilienmarkt erholt sich zusehends, und der private Konsum trägt weitgehend das Wachstum. Dazu kommen noch positive Effekte aus niedrigeren Energiepreisen aufgrund des „Frackings“. Lediglich die automatischen Haushaltskürzungen wegen des Patts zwischen Kongress und Präsident ("Sequester") limitieren das Wachstum auf 2 Prozent im Jahr 2013. Da macht es Sinn, sich Gedanken über einen Ausstieg zu machen. Das haben Bernanke und die Fed getan. Die Folgen: Ein allgemeiner weltweiter Zinsanstieg bei Staatsanleihen, ein Anstieg der Spreads von Hypotheken-, Unternehmens- und vor allen Dingen High-Yield- und Schwellenlän-deranleihen. Zusätzlich fielen Rohstoff- und Schwellenländerwährungen und die Aktienmärkte wieder-um am stärksten in den Schwellenländern. Auch Rohstoffe und insbesondere Edelmetalle wurden mit voller Wucht getroffen.

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