Erholung wieder auf dem richtigen Weg, Inflationsproblem geht zurück

Obwohl die Sorgen um die Makroökonomie nachlassen, scheint sich die Schuldenkrise der Eurozone weiter zu verschlechtern. Ein defensiver Ansatz ist also gerechtfertigt, erklärt Stratege Lukas Daalder.

18.07.2011 | 12:00 Uhr

Die jüngsten makroökonomischen Nachrichten wurden durch eine vielfältige Mischung aus positiven und negativen Entwicklungen gekennzeichnet. Positiv ist, dass sich die Erholung der Weltwirtschaft nach zwei Schwierigkeiten wieder deutlich auf dem richtigen Weg befindet. Zudem nimmt der Optimismus zu, dass die Inflation auf den Schwellenmärkten unter Kontrolle gebracht wird.

Allerdings werden diese ermutigenden Entwicklungen durch die Intensivierung der Schuldenkrise in der Eurozone überschattet. „Es ist zunehmend wahrscheinlich, dass die Märkte eher früher als später einen Zahlungsausfall handhaben müssen”, sagt Lukas Daalder.

Vor diesem gemischten Hintergrund, bleibt das Financial Markets Research-Team bei seiner defensiven Haltung gegenüber Anlageklassen. Die letzte Änderung trat im vergangen Monat auf, als das Team seine Aussichten für Rohstoffe und Hochzinsanleihen auf neutral herabstufte (Klicken Sie hier für den Artikel „Aussichten für Rohstoffe und Hochzinsanleihen auf neutral abgestuft”, um die entsprechenden Gründe zu erfahren).

Die Haltung des Teams gegenüber Aktien, Immobilien, Rohstoffen und Hochzinsanleihen bleibt durch diesen Wechsel neutral. Es hat weiterhin eine kleine Präferenz für Unternehmensanleihen mit Anlagequalität im Vergleich zu Staatsanleihen.

Während die allgemeinen Aussichten, zu einem großen Teil dank der sich verschlechternden Situation in der Eurozone, deutlich trüb sind, gab es jüngst einige ermutigende Entwicklungen. Nicht zuletzt ist das Team zunehmend davon überzeugt, dass negative wirtschaftliche Überraschungen weltweit größtenteils der Vergangenheit angehören.

Gegenwinde in den USA haben nachgelassen
Nehmen wir die USA. „Gerade als sich die Schlagzeilen über eine erneute Rezession anfangen zu mehren, werden wir in Wirklichkeit etwas optimistischer hinsichtlich der mittelfristigen Aussichten für die US-Wirtschaft”, sagt Daalder. „Die Wahrscheinlichkeit eines starken zweiten Halbjahres für 2011 vergrößert sich anstatt sich zu verschlimmern.”

Was ist die Ursache für diesen gestiegenen Optimismus? Ein entscheidender Faktor ist, dass die Gegenwinde in den letzten Monaten zurückgegangen sind. Zunächst sind die Ölpreise um 15 % seit ihrem Höchststand Ende April gesunken. Zudem sind die, vor allem die realen, Anleiherenditen im zweiten Quartal, tendenziell gefallen. Schließlich haben sich die Dominoeffekte von den Unterbrechungen der japanischen Lieferkette in der Automobilindustrie gelegt.

Wachstum in Europa verlangsamt sich
Das Bild Europas, wo die Wirtschaft weiter abschwächt, ist nicht allzu rosig. In Großbritannien gibt es kaum Anzeichen für eine Verbesserung im Privatsektor zur Kompensierung der knallharten Finanzkürzungen, die gerade stattfinden. „Das träge Wachstumsniveau bedeutet, dass die Bank of England vermutlich die Zinssätze auf absehbare Zeit stabil halten wird”, sagt Daalder.

Eine Abschwächung findet ebenso in der Eurozone statt. Deutschland und Frankreich führen noch immer das Rudel an, aber selbst diese Volkswirtschaften scheinen an Fahrt zu verlieren: das Produktionswachstum in beiden Ländern ist im Juli stark gesunken.

Eine weitere störende Entwicklung ist die anhaltende Divergenz innerhalb der Region. Die Peripherie schneidet, teilweise aufgrund der Auswirkung der Sparmaßnahmen, relativ schlecht ab. „Besonders besorgniserregend ist die sinkende Wirtschaftsdynamik in Italien, wo der Dienstleistungssektor zum ersten Mal seit fünf Monaten schrumpfte”, beobachtet Daalder.

Die sich anhäufenden Anzeichen, dass sich die Wirtschaft der Eurozone abkühlt, hinderte die EZB nicht daran, die Zinsen zum zweiten Mal zu erhöhen. „Allerdings glauben wir, dass die EZB ihre Zinspolitik in absehbarer Zeit so belassen wird”, bemerkt er, und fügt hinzu, dass die Intensivierung der europäischen Schuldenkrise ein zusätzlicher Grund für die Zurückhaltung ist.

Japanische Zahlen besser als erwartet, aber die Politik ist besorgniserregend
Mit Ausnahme der vierteljährlichen Tankan-Konjunkturumfrage, sind die Zahlen aus Japan allgemein besser als erwartet ausgefallen. „Ob dieser Aufwärtstrend ausreichen wird, um Japan aus seiner gegenwärtigen Notlage zu befreien, bleibt abzuwarten”, sagt Daalder. Weitaus weniger positiv sind die Entwicklungen in der politischen Arena Japans, wo sich die Regierungspartei DPJ und die größte Oppositionspartei LDP in einer Pattstellung befinden.

Inflation auf den Schwellenmärkten wird gebändigt
Auf den Schwellenmärkten scheint es, dass die Inflation zunehmend unter Kontrolle gebracht wird. So beispielsweise in China. Die dortigen Behörden haben die Zinssätze zum fünften Mal innerhalb von acht Monaten erhöht, nachdem die Inflation im Mai auf 5,5 % gestiegen war. „Da dort die Anzeichen für eine Verlangsamung der Wirtschaft zunehmen, dürfte das vermutlich die letzte Zinserhöhung in absehbarer Zeit gewesen sein”, sagt Daalder.

Das Bild in anderen BRIC-Staaten ist ähnlich. Die Inflation in Indien und Brasilien scheint in den kommenden Monaten ihren Höhepunkt zu erreichen. Inzwischen wurde die Inflation in Russland im zweiten Quartal stabilisiert.

Aktien weiterhin als neutral bewertet
In diesem unsicheren Umfeld fühlt das Financial Markets Research-Team, dass es Aktien weiterhin schwer haben werden, in den kommenden Monaten voranzukommen. Daalder und seine Kollegen nehmen folglich gegenüber dieser Anlageklasse einen neutralen Standpunkt ein.

Was aber steckt hinter dieser Haltung? Trotz ihrer Überzeugung, dass die negativsten wirtschaftlichen Überraschungen bereits vorbei sind, überschattet die sich verschärfende Schuldenkrise der Eurozone die guten Nachrichten andernorts. „Was definitiv von Bedeutung sein wird, ist, ob Spanien und Italien die Schuldenkrise meistern können”, sagt Daalder.

Nicht nur Aktien werden zurückgehalten. Obwohl solides Ertragswachstum ein positiver Faktor ist, sind weitere Abstufungen bei den Einschätzungen der Analysten wahrscheinlich. Das könnte durchaus kurzfristig der Stimmung schaden. Außerdem fällt die Bewertung nicht besser als neutral aus.

Schwellenmärkte: die bevorzugte Region bei den Aktien
Im Aktienbereich bleiben Schwellenmärkte die bevorzugte Region des Teams. Ja, es ist korrekt, dass diese Volkswirtschaften abkühlen, aber das Wachstum ist weiterhin anständig. Zudem sinken die Inflationsrisiken. „Wir erwarten deshalb, dass die Sparmaßnamen in der zweiten Jahreshälfte von 2011 enden werden”, sagt Daalder.

Weiterhin bevorzugt das Team Nordamerika gegenüber Europa und dem Pazifikraum. Die US-Wirtschaft verzeichnet weiterhin moderates Wachstum, während sich die Finanzmärkte vermutlich nicht besonders von den Verhandlungen über die US-Schuldenobergrenze beeindrucken lassen werden.

Im Gegensatz dazu, wirkt sich die Schuldenkrise negativ auf europäische Aktien aus, obwohl die Ertragskorrekturen in Europa viel schlechter ausfallen als in anderen Regionen. „Europäische Aktien sind preisgünstig - aber das aus gutem Grund”, sagt Daalder. Inzwischen wird die Pazifikregion, wegen der negativen, fundamentalen Prognose des Teams für die japanische Wirtschaft, als unattraktiv gesehen.

Defensive Sektoren weiterhin bevorzugt
Bei den Sektoren hat das Team weiterhin eine leichte Präferenz für defensive Anlagen im Vergleich zu zyklischen Aktien und Finanztiteln. Daalder legt zwei Gründe für diese Haltung nahe: Zum Einen könnten defensive Sektoren, wie Basiskonsumgüter und Telekommunikationswerte, von der anhaltenden Unsicherheit über die Schuldenkrise der Eurozone profitieren. Zum Anderen ist der Saisonfaktor hilfreich. Die Mai-Oktober-Periode ist generell gut für defensive Aktien.

Neutrale Haltung gegenüber Immobilien
Das Team nimmt gegenüber Immobilienwerten eine neutrale Haltung ein. Daalder bemerkt, dass Immobilien jedoch besser für einen unerwarteten Abschwung aufgestellt sind als Aktien, da ihr Cashflow-Muster stabiler ist. Für die Anlageklasse ist ferner positiv, dass die Ertragskorrekturen für Aktien wichtiger sind als für Immobilien und dass sich die Preise für Gewerbeimmobilien auf den wichtigen Märkten, wie in den USA und Großbritannien, erholt haben.

Dennoch verhindern andere Faktoren eine positivere Beurteilung von Immobilien. Einerseits sind die wieder auflebenden Preise für Gewerbeimmobilien bisher keineswegs universal. Andererseits ist die Bewertung nur neutral.

Unternehmensanleihen mir Anlagequalität weiterhin favorisiert
Die Aussichten für Unternehmensanleihen werden immer mehr zu einer Herausforderung. Die Anlageklasse hat in den vergangenen Monaten mit Sicherheit unter den negativen wirtschaftlichen Überraschungen gelitten. Obwohl das Team denkt, dass die meisten dieser Überraschungen nun der Vergangenheit angehören, wird die anhaltende Schuldenkrise in der Eurozone die Stimmung drücken, da die Ausfallrisiken zunehmen.

„Ein Zahlungsausfall Griechenlands wäre keine Überraschung. Aber je früher er eintritt, desto größer ist das Risiko, dass Irland und Portugal rasch folgen werden”, erklärt Daalder. „Das wird die Unsicherheit über die wirklich wichtigen Märkte - Spanien und Italien - vergrößern. Im Fall eines derartigen Szenarios fühlen wir, dass Hochzinsanleihen am meisten getroffen werden.”

In diesem Umfeld sind Daalder und seine Kollegen noch immer optimistisch gegenüber Unternehmensanleihen mit Anlagequalität eingestellt. Allerdings nehmen sie gegenüber Hochzinsanleihen eine neutrale Haltung ein.

Pessimistische mittelfristige Aussichten für Staatsanleihen
Obwohl Daalder einräumt, dass Staatsanleihen kurzfristig von der andauernden Schuldenkrise in der Eurozone profitieren könnten, ist der langfristige Ausblick für Staatsanleihen unattraktiv. Ein wichtiges Problem ist der langfristige Anstieg des Inflationsrisikos.

Die Kerninflationsraten auf den entwickelten Märkten befinden sich deutlich im Aufwärtstrend. „Das wäre besorgniserregend, wäre das globale Wachstum nicht moderat und wäre die Arbeitslosigkeit nicht hoch”, sagt Daalder. Infolgedessen glaubt er, dass die Inflationsrisiken kurzfristig gering bleiben werden. „Die lockere Geldpolitik wird also andauern. Wir erwarten, dass die EZB ihre Zinspolitik für den Rest des Jahres nicht weiter anziehen wird.”

Kurzfristige Erholung bei den Rohstoffpreisen unwahrscheinlich
Rohstoffe waren die am schlechtesten abschneidende Anlageklasse im Monatsverlauf. Sie fiel um 2,7 % zurück. Die Anlageklasse hinkt ebenfalls über eine Zeitraum von drei bis sechs Monaten hinterher. „Wir glauben, dass die Korrektur bei den Rohstoffpreisen vorübergehend ist. Allerdings erwarten wir keine kurzfristige Erholung”, sagt Daalder.

Positiv ist, dass die Abschwächung auf den entwickelten Märkten kurz vor dem Ende steht. Das sollte die Nachfrage nach Rohstoffen ankurbeln. Allerdings sprechen drei andere Faktoren gegen eine schnelle Erholung: Zunächst geht das Wachstum in China, dem großen Rohstoffkonsumenten, weiterhin zurück. Zudem bleiben die Aktienkurse für Öl und Kupfer hoch. Schließlich sind die zunehmenden Spannungen um die Schuldenkrise in der Eurozone kaum der richtige Zeitpunkt für risikoreichen Handel.

Vor diesem Hintergrund verbessern sich die mittel- und langfristigen Aussichten, da Pläne für Kernkraftwerke zunehmend zurückgefahren werden. Der langfristige Aufwärtstrend bei den Rohstoffpreisen reflektiert die wachsende Nachfrage der globale Mittelklasse. „Die ansteigende Nachfrage wird nicht abklingen und es wird einige weitere Jahre dauern, bis das Angebot aufgeholt haben wird”, meint Daalder.

Klicken Sie hier, um den aktuellen Bericht des Financial Market Research-Teams komplett zu lesen.

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