ESG im Fokus: Risiken vermeiden, Performance stärken

Titel der Publikation: ESG im Fokus: Risiken vermeiden, Performance stärken
Veröffentlichung: 12/2024
Autor: Christoph Schumann
Auftraggeber: TiAM FundResearch
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Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus unterschiedlichen ESG-Strategien für das Fondsmanagement? Christoph Schumann, ESG-Experte der Vicenda Group AG, analysiert für TiAM FundResearch die konkreten Auswirkungen auf das Portfolio und die Produktebene.

19.12.2024 | 16:15 Uhr

ESG-Strategien in der Fondsverwaltung helfen, Risiken zu reduzieren und Chancen zu erkennen, indem sie die klassische Investitionsanalyse um drei zentrale Aspekte erweitern: Umwelt (E), Soziales (S) und Unternehmensführung (G). Eine solche Strategie kann ein umfassenderes Bild der Unternehmensleistung liefern. Doch Vorsicht: Wer sich hier nur auf die Analyse einzelner Titel konzentriert, ohne die Auswirkungen auf das gesamte Portfolio oder die Produktebene zu beachten, kann Endinvestoren auch schaden. ESG ist also nicht per se eine einfache Angelegenheit, mit der bei Fondsinvestments mehr oder weniger automatisch alles gut wird.

Ob die Strategie streng oder einfach umgesetzt wird, macht dabei kaum einen Unterschied – beide Ansätze bringen Risiken mit sich, die über einzelne Titel hinausgehen und den Anlageerfolg gefährden können.

· Strenge ESG-Strategien: Diese Ansätze schränken die Anzahl der investierbaren Unternehmen deutlich ein. Dies führt oft zu einer starken Konzentration auf bestimmte Sektoren oder Regionen, was Klumpenrisiken im Portfolio erhöht. Solche Konzentrationsrisiken können Fonds anfälliger für Marktschwankungen machen. Zusätzlich entstehen durch den Fokus auf strenge ESG-Kriterien höhere operative Kosten, da eine intensivere Analyse und Anpassung der Prozesse erforderlich sind. Diese zusätzlichen Kosten belasten letztlich die Rendite für Endinvestoren.

· Einfache ESG-Strategien: Ansätze, die ESG-Kriterien nur minimal oder oberflächlich berücksichtigen, bergen andere Gefahren. So kann es etwa zu stranded assets kommen, wenn Investitionen in Branchen oder Unternehmen fließen, die langfristig nicht mit Nachhaltigkeitszielen vereinbar sind. Solche Investitionen verlieren an Wert, wenn sich Märkte oder Regulierungen verschärfen. Auch die geringere Nachfrage nach nicht (mehr) ESG-konformen Anlagen auf dem Sekundärmarkt kann die Liquidität solcher Investments reduzieren. Schließlich erhöhen unzureichend definierte ESG-Kriterien das Risiko regulatorischer Strafen, da sie häufig nicht den steigenden Anforderungen von Aufsichtsbehörden entsprechen.

Eine ESG-Strategie, die nur auf Einzeltitel schaut, bringt daher unabhängig von ihrer Ausgestaltung neue Risiken mit sich. Fondsmanager müssen ESG ganzheitlich im Blick haben und Wechselwirkungen auf allen Ebenen berücksichtigen, um Mehrwert für ihre Investoren zu schaffen und zusätzliche Risiken zu vermeiden.

Mehrdimensionale ESG-Risiken

ESG-Risiken betreffen nicht nur einzelne Unternehmen, sondern wirken sich auch auf Portfolios und Finanzprodukte aus. Um diese Risiken zu managen, müssen Fondsmanager alle Dimensionen im Zusammenspiel betrachten.

Die Risiken lassen sich dabei in drei Hauptkategorien einteilen: finanziell, operativ und rechtlich.

1. Finanzielle Risiken

Finanzielle Risiken entstehen, wenn ESG-Strategien zu starr oder unflexibel sind. Fondsmanager sollten darauf achten, dass Risiken gezielt ausgeschlossen werden, ohne dabei neue Probleme zu schaffen. Zwei Ansätze helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen:

· Stufenweise negativ screenen: Zuerst sollten besonders riskante Sektoren, die hohe ESG-Risiken aufweisen, ausgeschlossen werden. Anschließend sollten Indikatoren zur Anwendung kommen, die ab einem definierten Schwellenwert einen Ausschluss auslösen. So könnten beispielsweise Unternehmen ausgeschlossen werden, wenn die Anzahl arbeitsrechtlicher Verfahren pro Mitarbeiter oder die Krankheitsrate der Belegschaft einen bestimmten Wert überschreitet. Zusätzlich sollten flexible Indikatoren berücksichtigt werden, die ohne feste Grenzen in die Analyse einfließen. Dazu gehören etwa die Treibhausgasemissionen oder der Anteil erneuerbarer Energiequellen im Energiekonsum. Da diese Daten stark branchenabhängig sind, ist es sinnvoll, sie ohne fixe Schwellenwerte zu bewerten und qualitativ in die Analyse einzubringen. Diese schrittweise Methode filtert Risiken heraus und sorgt gleichzeitig dafür, dass genügend Investitionsmöglichkeiten erhalten bleiben.

· Nachhaltigkeit aktivitätsbasiert definieren: Anstatt Nachhaltigkeit pauschal für ganze Sektoren zu bewerten, sollten Fondsmanager auf präzise Definitionen achten, die sich auf konkrete Aktivitäten beziehen. Die EU-Taxonomie bietet hier eine gute Grundlage. Ein Batterieproduzent gilt beispielsweise nur dann als nachhaltig, wenn seine Batterien wiederaufladbar sind und das Unternehmen Altbatterien recycelt. Für Unternehmen, die Gebäude renovieren, ist diese Aktivität ebenfalls nur dann nachhaltig, wenn durch die Renovierung der Primärenergiebedarf des Gebäudes um mindestens 30 % reduziert wird.[1] Solche Definitionen helfen, sektorale Verzerrungen zu vermeiden und fördern die Diversifikation, da sie Nachhaltigkeit granular und sektorübergreifend für viele verschiedene Aktivitäten definieren.

2. Operative Risiken

Operative Risiken entstehen oft, wenn ESG-Strategien nicht flexibel genug gestaltet sind oder das notwendige Know-how fehlt. Fondsmanager können diese Risiken durch gezielte Investitionen in Technologie und Mitarbeiterkompetenzen reduzieren:

· Flexible Infrastruktur: Softwarelösungen, die anpassungsfähig und auf ESG-Anforderungen zugeschnitten sind, machen Fondsmanager weniger anfällig für Veränderungen. Langfristig senken solche Systeme die Kosten und verbessern die Effizienz.

· ESG-Integration in Teams: Investmentteams sollten ESG-Kriterien direkt in ihre Arbeit einfließen lassen können. Dafür braucht es qualifizierte Schulungen und praktische Werkzeuge, um ESG-Analysen direkt in den Entscheidungsprozess zu integrieren. Teams, die frühzeitig mit ESG-Aspekten arbeiten, können schneller auf Änderungen reagieren.

3. Rechtliche Risiken

ESG-Standards und regulatorische Vorgaben sind komplex und ändern sich ständig. Fondsmanager sollten deshalb proaktiv handeln, um rechtliche Risiken zu vermeiden:

· Proaktive Rechtsführung: Indem Fondsmanager die höchsten Standards einhalten, schützen sie sich vor Strafen und rechtlichen Problemen.

· Dynamisches Monitoring: Regulierungen verändern sich kontinuierlich. Ein fortlaufendes Monitoring ist daher notwendig, um rechtzeitig Anpassungen vorzunehmen.

· Greenwashing vermeiden: Klare und präzise Definitionen von Nachhaltigkeit helfen, Greenwashing-Risiken zu minimieren und Vertrauen bei Anlegern zu schaffen.

Ganzheitliche Ansätze sind entscheidend

ESG-Risiken bestehen nicht unbedingt voneinander getrennt, sondern wirken häufig zusammen. Sie können kaskadenartige Effekte erzeugen, die den gesamten Fonds betreffen. Ein Ansatz, der sich nur auf Einzeltitel konzentriert, reicht nicht aus. Fondsmanager müssen die Wechselwirkungen zwischen Unternehmens-, Portfolio- und Produktebene verstehen und in ihre Strategien einfließen lassen.

Vorteile für Fonds und Anleger

Solche Fondsmanager, die ESG-Risiken in Bezug auf ihr Portfolio ganzheitlich betrachten und Strategien entwickeln, die über die Einzeltitelanalyse hinausgehen, schaffen einen Mehrwert. Sie können nicht nur Nachhaltigkeitsziele erreichen, sondern auch sicherstellen, dass die Rendite der Anleger geschützt bleibt. Ein ganzheitlicher ESG-Ansatz verbindet ökologische und soziale Verantwortung mit langfristiger wirtschaftlicher Stabilität und bietet so Vorteile für Anleger, Fonds und die gesamte Finanzwelt.


Dieser Beitrag wurde von Christoph Schumann in Zusammenarbeit mit der Vicenda Group AG verfasst.
Die Vicenda-Gruppe mit Hauptsitz in Baar (Schweiz) ist eine von Partnern geführte internationale Investment-Boutique, die sich auf verschiedene Private-Debt-Strategien konzentriert. Das Vicenda-Team besteht aus 17 Experten mit komplementärem Hintergrund in den Bereichen Kredit, Recht, Steuern und Transaktionsstrukturierung. Vicenda bietet maßgeschneiderte Kreditlösungen für Unternehmen und attraktive Investitionsmöglichkeiten für Investoren. Die Gruppe ist insbesondere in der DACH-Region, aber auch europaweit tätig. Nach der Gründung im Jahr 2013 hat Vicenda alleine in den vergangenen fünf Jahren alternative Finanzierungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro arrangiert.


[1] Vereinfachte Darstellung der Bedingungen. Die EU-Taxonomie nennt weitere Kriterien für beide Aktivitäten.

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