Europa in der Rezession

Konjunkturdaten aus den USA machen Hoffnung. Europa hofft auf EZB und Reformprogramme der Staaten. Ausblick leicht optimistisch.

12.04.2012 | 13:12 Uhr von «Patrick Daum»

Die Konjunkturdaten aus den USA geben Anlass zur Hoffnung: 227.000 neu geschaffene Arbeitsplätze im Februar, ein um ein Prozent geringeres Minus bei Fabrikaufträgen als erwartet und die Korrektur des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im vierten Quartal 2011 von 2,8 Prozent auf 3,0 Prozent. Die Notenbank Federal Reserve (Fed) konstatierte ein geringes bis moderates Wachstumstempo im Januar und Anfang Februar. Frühindikatoren sprächen klar dafür, dass diese Dynamik in den kommenden Monaten anhalten werde. Die zuletzt arg gebeutelte US-Wirtschaft scheint sich zu erholen. Dies geht zumindest aus den Marktperspektiven der Franklin Templeton Fixed Income Group hervor.

Die recht ermutigenden Daten aus den USA stehen jedoch im Kontrast zu Meldungen aus Europa. Die Entwicklung in der Eurozone wurde dem Bericht von Franklin Templeton zufolge als leichte Rezession gewertet, die jedoch durch die robuste deutsche Wirtschaft aufgefangen werden konnte. In die Kritik geraten ist in den letzten Monaten vor allem die Fiskalpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Nachdem sie im Dezember das Bankensystem mit dreijährigen Krediten von über 489 Milliarden zu niedrigen Zinsen versorgte, schloss sie Ende Februar ihr letztes langfristiges Refinanzierungsgeschäft (LTRO) ab und pumpte rund 530 Milliarden Euro in das europäische Bankensystem. Vorerst hätten diese beiden LTRO-Runden zur Beruhigung der Finanzmärkte und zum Absinken der Anleiherenditen für Länder wie Spanien und Italien beitragen können. Zusätzlich glichen diese Maßnahmen auch die Effekte der Sparmaßnahmen europäischer Staaten aus. Allerdings bestehe ebenso die Möglichkeit, dass diese Politik der EZB sich weltwirtschaftlich als absolut falsch herausstellen könnte, wenn und sobald die Inflationserwartungen wieder anziehen und die Rohstoffpreise weiter steigen.

Staatsanleihenkrise in Europa: Rendite zehnjähriger Staatsanleihen

Quelle: Bloomberg

Durch die beiden LTROs haben sich viele europäische Banken Zeit erkaufen können. Dies gelte auch für die Staaten, in deren Staatsanleihen die Banken einen Teil der billig bei der EZB aufgenommenen Mittel reinvestiert haben. Die Hoffnung der EZB, so Templeton, liege darin, dass der durch die Finanzspritzen entstandene Spielraum von den Regierungen dazu genutzt werde, die Umsetzung von Strukturreformen zu ermöglichen und die Banken beim Abbau von Fremdkapital sowie bei der Konsolidierung zu unterstützen.

Die LTROs seien dem Bericht zufolge nur ein Beispiel dafür, wie ernst die Europäer die Lösung ihrer Probleme nähmen: „Weitere sind die Schnürung des zweiten Rettungspakets für Griechenland, die Einführung neuer Haushaltregeln im Rahmen des Fiskalpakts und schmerzhafte Reformen in Italien und Spanien sowie die bevorstehende Einrichtung eines dauerhaften Rettungsfonds“, so Franklin Templeton.

Diese Initiativen werden allerdings nicht nur positiv gesehen. Skeptiker sind der Ansicht, die EZB habe staatliche Risiken lediglich in die Bilanzen unterkapitalisierter privater Banken verschoben, statt die eigene Bilanz damit zu belasten. Sie bewerten die LTROs schlicht als „Begünstigung einer gefährlichen Abhängigkeit von Zentralbankmitteln und nicht als Ersatz für einen funktionstüchtigen Interbankenmarkt.“ Als grundlegende, zentrale Probleme der europäischen Krise werden von den Skeptikern mangelndes Wirtschaftswachstum und strukturelle Webfehler der in den 1990er-Jahren konzipierten Währungsunion ausgemacht. Es bedürfe daher einer längerfristigen Lösung, wie sie LTROs nicht leisten könnten. Abzulesen sei die europäische Malaise am kritischen Zustand von Teilen des Bankensystems, an der Arbeitslosigkeit, die im Januar einen Höchststand der Euroära erreichte und an der komatösen Verfassung vieler südeuropäischer Volkswirtschaften.

Im Februar ließ die Konjunktur in der Eurozone dem Einkaufsmanagerindex zufolge unerwartet nach. Erstmals seit zweieinhalb Jahren gingen im vierten Quartal 2011 die Exporte zurück und die Europäische Kommission äußerte im Februar, dass die Wirtschaft der Eurozone eine leichte Rezession durchlaufe und in diesem Jahr schrumpfen werde. Dass auch die Sparpakte nicht den gewünschten Erfolg brächten, zeigten nicht nur die anhaltenden Probleme in Griechenland. Auch Spanien meldete zuletzt ein deutlich höheres Haushaltsdefizit als erwartet – 8,5 Prozent des BIP für 2011 - und müsse sein Defizitziel von 4,4 Prozent für das laufende Jahr neu verhandeln.

Es bestehe aber die Hoffnung, so Franklin Templeton, dass die Rezession auf dem Kontinent schwach und kurz ausfalle. Für 2012 erwartet die Europäische Kommission für die Wirtschaft der Eurozone eine Kontraktion um 0,3 Prozent (siehe Tabelle). Dies sei undramatisch und ließe sich weitgehend durch die Umstrukturierungen in Portugal, Spanien, Griechenland und Italien erklären. Vor allem die nördlichen Länder der Währungsgemeinschaft verzeichneten ein – wenn auch geringes – Wachstum.

Wachstumsprojektionen der Weltbank: Negative Aussichten für die Eurozone

Quelle: Weltbank

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) berichte unterdessen, dass eine Reihe von Frühindikatoren auf einen Konjunkturumschwung in Europa hindeuten könnte, der eine positive Veränderung der Wachstumsdynamik in fast jedem zweiten Land der Eurozone mit sich brächte. Auch der Geschäftsklimaindikator der Europäischen Kommission legte für den Euroraum zu. Von Unternehmer- und Verbraucherseite werden die Aussichten offenbar nicht mehr ganz so pessimistisch beurteilt.

Franklin Templeton hält es für wahrscheinlich, dass die Eurozone die Talsohle erreicht habe und in den kommenden Monaten einen stetigen Aufschwung verzeichnen könnte, auch wenn skeptische Stimmen zu Europas Ausblick nicht zu überhören seien. „Die Märkte für Unternehmensanleihen haben in letzter Zeit kräftig angezogen, angeführt von Bankenanleihen, und viele europäische Aktien haben die globale Rally seit Dezember mitgemacht“, heißt es in dem Bericht. Es zeichne sich ein Abbau von Ungleichheiten im Handel ab, der mit einer deutlichen Wertsteigerung der Exporte aus stark gebeutelten Ländern wie Irland, Spanien oder Portugal einhergehe. Schmerzhafte Strukturreformen in großen Volkswirtschaften wie Spanien und Italien seien allerdings unvermeidlich und müssten weiter vorangetrieben werden. Zudem bestehe die Hoffnung, dass mit der EZB als Absicherung für den Notfall eines Wiederaufflackerns der Finanzkrise, die Krisenländer ihre Strukturreformprogramme durchführen und ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen können, um so den Zweifel an der Zukunft der Eurozone zu zerstreuen.

(PD)

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