Finanzmärkte im Bann der Politik

Merkel und Hollande unter Zugzwang. Eurozone: Eurobonds stehen wieder auf der Agenda.

11.05.2012 | 15:48 Uhr

Die Wirtschaftsleistung in der Eurozone (Di) dürfte im ersten Quartal um 0,2 % geschrumpft sein. Für Deutschland (Di) rechnen wir allerdings mit einem Zuwachs von 0,2 %. Auf den ersten Blick könnten die großen Wachstumsdifferenzen innerhalb der Eurozone problematisch sein und darauf hindeuten, dass sich der Konvergenzprozess wieder umkehrt. In der aktuellen Lage sind jedoch ein starkes Wachstum in Deutschland und ein schwaches Wachstum in den Ländern der Peripherie unbedingt nötig, um die Währungsunion zu stabilisieren. Die deutschen Exporte nach Griechenland, Spanien und Portugal sanken von 64,1 Mrd. EUR im Jahr 2007 auf nur noch 47 Mrd. EUR im Jahr 2011, während die Exporte der drei Peripherieländer nach Deutschland von 30 Mrd. EUR im Jahr 2007 auf 33 Mrd. EUR im Jahr 2011 stiegen. Diese Trends setzten sich auch in den ersten drei Monaten 2012 fort, sodass die Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der Europäischen Währungsunion sukzessive bereinigt wurden. Darüber hinaus folgt aus dem stärkeren Wachstum in Deutschland ein Preis- und Lohndruck, der die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert, während umgekehrt das schwache Wachstum an der Peripherie die Wettbewerbsfähigkeit infolge von Lohnzurückhaltung tendenziell verbessert.

Aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten verschlechterte sich das Wachstumsumfeld in der Eurozone; wir halten deshalb einen Rückgang des ZEW-Index (Di) von 23,4 auf einen Wert in der Größenordnung von nur noch 0 bis 10 für sehr wahrscheinlich. Einmal mehr ist die Politik in diesem Umfeld gefordert, zumal nach den Wahlen in Griechenland die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen ist, dass das Land aus der Europäischen Währungsunion austritt. Dies wäre ein Präzedenzfall und würde sehr wahrscheinlich einen deutlichen Anstieg der Zinsen in den Ländern der Peripherie verursachen, weil die Finanzmärkte eine Währungsrisikoprämie einpreisen könnten. Die politische Antwort darauf wären Eurobonds. Aber auch ohne einen Austritt Griechenlands gibt es eine starke politische Bewegung pro Eurobonds: In vielen Mitgliedsländern der Eurozone und auch innerhalb der EZB scheint es eine breite Zustimmung dafür zu geben. Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass in der kommenden Woche beim Treffen der Finanzminister (Mo), bei der Zusammenkunft des Ecofin-Rates (Di) und beim Treffen von Hollande und Merkel (Mi) das Thema Eurobonds auf der Agenda steht. Bundeskanzlerin Merkel dürfte nicht zu Abstrichen beim Fiskalpakt bereit sein; sie könnte Hollande aber bei den Themen Wachstumspakt und Eurobonds entgegenkommen. Gerade in diesem sehr unsicheren Umfeld ist eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich entscheidend. Entsprechend hoch dürfte daher die Kompromissbereitschaft der beiden Politiker sein.

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