Fonds im Fokus Interview: „Die Schwellenländer hatten ein schwieriges Jahr“
Emil Wolter managt den Comgest Growth Emerging Markets ex China. Der Fonds investiert in Unternehmen aus den Schwellenländern Asiens. China bleibt außen vor. Aus Anlegersicht war der Fonds zuletzt nicht die beste Wahl. Fonds mit China-Anteil entwickelten sich besser. Im Interview mit TiAM FundResesarch erklärt Emil Wolter, ob und warum sich das im Jahr 2022 ändern könnte.19.01.2022 | 07:30 Uhr
TiAM FundResearch: Herr Wolter, Sie sind nun seit fast 25 Jahren Spezialist für den asiatischen Aktienmarkt und haben einige Jahre in Singapur gelebt. Seit 2013 sind Sie wieder in Paris. Wie hat sich aus Ihrer Sicht Asien in dieser Zeit entwickelt?
Emil Wolter: Als ich in Singapur gelebt habe, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Asien wahrscheinlich eines der dynamischsten Wirtschaftszentren der Welt ist. Davon bin ich auch heute noch überzeugt. Diese Dynamik hat aus wirtschaftlicher und finanzieller Sicht zu Chancen geführt. Aber die Dynamik bedeutet auch eine größere Volatilität, weil sich die Dinge schnell ändern.
TiAM FundResearch: Was hat Ihnen an Singapur gefallen?
Emil Wolter: Singapur ist nicht der dynamischste Teil der Region, sondern eher der sicherste oder einfachste Ort, um Asien kennenzulernen. Es liegt genau in der Mitte und gibt einem die Möglichkeit, alle anderen Orte kennenzulernen. Aber wir sind mit Comgest nicht nur in Singapur, sondern seit 1993 auch in Hongkong. Ich denke, es ist von Vorteil für uns, das Ohr am Markt vor Ort in der Region zu haben.
TiAM FundResearch: Waren Sie auch schon in Hongkong?
Emil Wolter: Nein, seit dem Beginn der Pandemie nicht, aber ich würde gerne so bald wie möglich nach Hongkong reisen. Aber wie Sie wissen, sind solche Fernreisen schwieriger geworden. Ich wollte eigentlich erst vor ein paar Wochen nach Korea und Singapur reisen und musste dann meine Pläne ändern, weil neue Quarantänemaßnahmen in Kraft getreten sind.
TiAM FundResearch: Vermissen Sie etwas aus Ihrer Zeit in Singapur?
Emil Wolter: Ich habe unsere Zeit dort sehr genossen. Unsere Kinder waren sehr jung. Wir hatten eine Menge Annehmlichkeiten. In der Region hat man viele Möglichkeiten, mit seinen Kindern Dinge zu tun, die man in Europa nicht in dieser Form findet. Aber wenn die Kinder größer werden, gibt es viel mehr Kultur und eine größere Auswahl an Dingen, die man in Europa tun kann. Und natürlich ist das Bildungsangebot in Europa besser – auch wenn sich in Asien in dieser Hinsicht ziemlich viel schnell verändert. Singapur ist ein großartiges Beispiel dafür. Die Universitäten galten niemals als die besten der Welt. Doch sie holen schnell auf, und zwei Universitäten zählen mittlerweile zu den weltweiten Top 20. Europa ist in dieser Hinsicht sehr gut positioniert, aber Asien steht nicht still, es ist ein wenig symptomatisch für das, was in vielen verschiedenen Bereichen passiert.
TiAM FundResearch: Bildung ist ein gutes Stichwort, um auf China zu sprechen zu kommen – das Land, dessen Regierung mit einem Federstrich seinen kommerziellen Bildungssektor ausgelöscht hat. Sie verwalten als Portfoliomanager zwei Emerging Markets Fonds. In einem Fonds ist China vertreten, in dem anderen nicht. Schlagen zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn Sie auf ihre beiden Fonds blicken? Können Sie einen mehr empfehlen als den anderen?
Emil Wolter: Die beiden Portfolios, die auf dieselbe Art und Weise aufgebaut sind, basieren auf derselben Anlagephilosophie, und das Ziel ist eigentlich dasselbe: Wir wollen ein nachhaltiges zweistelliges Gewinnwachstum erzielen, hoffentlich in Dollar oder Euro. Das ist in den letzten Jahren nicht ganz erreicht worden, da die Anlageklassen eine sehr harte Zeit hatten, aber es ist immer noch das langfristige Ziel, und ich denke, dass es immer noch recht gut erreichbar ist. Der Unterschied der beiden Fonds rührt daher, dass China aufgrund seiner Größe und der vielen Investmentmöglichkeiten einen großen Teil unseres Kern-Schwellenländerfonds ausmacht. In unserem Schwellenländer ex-China-Fonds können wir stattdessen einige andere aufregende, wachstumsstarke Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern aufnehmen und ihnen dort mehr Gewicht verleihen.
TiAM FundResearch: Wenn Sie einen Schwellenländerfonds ohne China managen, weil in der anderen Variante China zu dominant ist, könnte es doch auch eine Idee sein, überhaupt nur eine ex-China Variante anzubieten und explizit einen China-Fonds. Dann könnten Anleger selbst entscheiden, wie groß der China-Anteil ihrem Emerging-Markets-Portfolio spielt, oder?
Emil Wolter: Bislang haben es unsere meist institutionellen Kunden einfacher und bequemer gefunden, mit einem einzigen Fonds eine Region zu erschließen. Aber wenn sich das ändert, dann haben sie schon jetzt die Möglichkeit, mit unserem China-Fonds direkt auf China zu setzen und dieses Engagement mit dem Schwellenländer-Fonds ohne China zu ergänzen. Wir haben seit 2001 einen China-Fonds, der sein 20-jähriges Bestehen gefeiert hat und das auf risikobereinigter Basis im Vergleich zum Index sehr gute Renditen erzielt hat. Vielleicht nicht jedes Jahr oder jedes Quartal, aber langfristig. Aber das Interesse institutioneller Anleger war bislang überschaubar. Das könnte sich nun ändern. Wir haben alle Möglichkeiten und werden unsere Kunden entscheiden lassen, was am besten zu ihren Anforderungen passt.
TiAM FundResearch: Welche Art von Unternehmen bevorzugen Sie und warum?
Emil Wolter: Die Art von Unternehmen, die wir typischerweise bevorzugen, sind Firmen, die nachhaltige Wettbewerbsvorteile haben. Mit anderen Worten, sie müssen einige Elemente in ihrem Geschäftsmodell haben, die sie von ihren Konkurrenten abheben. Das kann eine Technologie sein oder entscheidende Patente und/oder eine starke Marke. Der Wettbewerbsvorteil könnte auch in der Größe gegenüber ihren Mitbewerbern liegen. Oder es könnte in der Reichweite ihres Vertriebs liegen. Es könnte sich also um eine Reihe verschiedener Dinge handeln. Und natürlich würden wir uns typischerweise mehrere dieser besonderen Qualitäten erhoffen. Aber selbst mit nur einer kann die Gesamtqualität gut genug sein. Dazu kommen Standard-Qualitätsmerkmale. Eine niedrige Verschuldung, hohe Margen und solche Dinge. Und last but not least spielt die Fähigkeit, den Gewinn langfristig nachhaltig zu steigern, eine wichtige Rolle bei den Unternehmen, die wir suchen.
TiAM FundResearch: Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Emil Wolter: Gerne. Das Unternehmen Inner Mongolia Yili ist der größte Molkereiproduzent in China. Da der Verbrauch von Milchprodukten in China immer noch ziemlich niedrig ist, gibt es hier ausreichend hohes Wachstumspotenzial. Die Wettbewerbsvorteile von Inner Mongolia Yili sind die Marke und die Größe. Und beim Thema Nachhaltigkeit haben wir als aktive Investoren in den vergangenen sieben Jahren zahlreiche Veränderungen bei Offenlegungen und anderen Themen angeregt. Seit wir investiert sind, hat das Unternehmen substanzielle Verbesserungen erreicht. Kurz gesagt, das Unternehmen verfügt über einen großen Marktanteil in einem wachsenden Markt. Es gibt auch ein gleichwertiges Unternehmen in Vietnam, das genauso spannend ist und Vinamilk heißt. Der Investment Case ist weitestgehend ähnlich, nur dass Vinamilk bessere ESG-Merkmale und höhere Erträge hat. Das zum Beispiel ist eine Investition, die wir nur im Ex-China-Fonds haben. Beides sind hochwertige Unternehmen für Grundnahrungsmittel, die in den Industrieländern als ausgereift gelten würden, in den Schwellenländern jedoch noch Raum für ein gutes EPS-Wachstum bieten.
TiAM FundResearch: Warum sollten sich Anleger gerade jetzt den Schwellenländern zuwenden?
Emil Wolter: Ich denke, dass gerade jetzt ein interessanter Zeitpunkt ist, um sich die Chancen anzusehen, die die Schwellenländer bieten. Ein Grund ist, dass es in den vergangenen zehn Jahren an der Börse dort nicht so gut lief. Die Aussichten für diejenigen, die bereit sind, über die nächsten Monate hinauszuschauen und mehr in die nächsten Jahre zu blicken, sind ziemlich ermutigend. Die Schwellenländer hatten ein sehr schwieriges Jahr, zum Teil wegen China, zum Teil wegen der Straffung der Geldpolitik. Doch China lockert seine Politik wieder ein wenig. Und die geldpolitische Straffung in den westlichen Volkswirtschaften ist weitestgehend eingepreist. Wenn wir uns die nächsten zehn Jahre ansehen, sollte das Wachstum der Unternehmensgewinne in den Schwellenländern recht gut sein. Und die Bewertungen sind aktuell recht bescheiden. Es gibt besonders gute Chancen bei qualitativ hochwertigen Unternehmen, denn die Investoren haben sich in den vergangenen Jahren nicht wirklich auf dieses Segment in den Schwellenländern konzentriert, sondern eher auf einige wenige zyklische Bereiche im Rahmen der Wiedereröffnung der Volkswirtschaften oder auf abstrakte, wenig ertragreiche Segmente des Aktienmarktes.
TiAM FundResearch: Wie sind Sie persönlich investiert?
Emil Wolter: Vermutlich bin ich etwas speziell. Ein großer Teil meines investierbaren Vermögens ist in Comgest-Fonds investiert. Ich esse sozusagen meine eigene Suppe. Ich habe ein unverhältnismäßig hohes Engagement in den Schwellenländern im Vergleich zu vielen anderen Leuten, aber ich fühle mich sehr wohl damit.
TiAM FundResearch: Herr Wolter, vielen Dank für dieses Gespräch.
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