FVCM: KI als Game Changer?
Ein US-Fondsmanager erklärt, wie künstliche Intelligenz den Investmentmarkt transformieren könnte18.07.2023 | 12:05 Uhr
Im Interview mit Hugh Terrence Riley, III dreht sich alles um das Thema KI. Er erzählt uns, wann seine ersten Berührungspunkte mit KI entstanden sind, wie die Nutzung aussah und welche Entwicklungen in der Finanzwelt mit diesem Thema, seiner Meinung nach einhergehen werden.
Wie reagieren Sie auf die Euphorie, die in letzter Zeit rund um das Thema künstliche Intelligenz (KI) entstanden ist?
Zunächst einmal sollten wir uns vor Augen halten, dass es KI schon seit langem gibt. Bereits 1935 konzipierte Alan Turing, ein britischer Logiker und Pionier der Computertechnik, eine Maschine, die als Turing-Maschine bekannt wurde und die "durch Erfahrung lernen" kann, indem sie ihr eigenes Programm verändert oder verbessert. Dieses maschinelle Lernen ist eine Form der KI. Und das erste erfolgreiche KI-Programm wurde 1951 von Christopher Strachey an der Universität Oxford geschrieben. Strachey entwickelte ein Programm, das Dame spielen konnte. Ein Amerikaner namens Arthur Samuel schrieb ein KI-Programm für eine IBM-Maschine, die 1962 einen ehemaligen Schachmeister schlug. 1997 besiegte der IBM-Computer namens „Deep Blue“ den amtierenden Weltmeister Garry Kasparow in einem Schachspiel mit sechs Partien.
Microsofts Ankündigung der Implementation von Chat GPT im Januar war ein großer Schritt nach vorn, denn damit wird KI einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Man darf jedoch nicht vergessen, dass es sich um eine Evolution, nicht um eine Revolution handelt. Maschinelles Lernen/KI wird bereits von sehr vielen Unternehmen und Regierungen für viele Zwecke eingesetzt.
Haben Sie persönlich KI in Ihrem Unternehmen eingesetzt?
In den 1990er Jahren arbeitete ich in New York für eine deutsche Investmentgesellschaft und experimentierte mit einem KI-Programm für neuronale Netze namens „Braincell“. Ich bezog Daten von einem anderen Unternehmen namens Baseline. Leider waren die damals zur Verfügung stehenden Computer relativ langsam und brauchten Tage, um eine einzige Programmieridee auszuführen, ohne dass es je große Erfolge erzielte. Man muss aber auch bedenken, dass die Bewegungen in Aktienkursen um einiges komplexer und von weitaus mehr Faktoren abhängig sind als Schach oder Dame, außerdem verfügte ich nicht über Tools wie Deep Blue. Momentan verwende ich Chat GPT als Informations- und zum Teil auch als Analysequelle.
Können Sie ein Beispiel dafür geben, wie Sie Chat GPT verwendet haben?
Ich habe es z.B. als Research-Hilfe verwendet, um Informationen über die Verzögerungen zwischen dem Beginn von Rezessionen und dem Zeitpunkt, zu dem das NBER, die offizielle Organisation, die eine Rezession feststellt, diese erklärt, zu sammeln. Ich habe Chat GPT auch verwendet, um Ideen zur Verbesserung der internen ökonometrischen-, sowie der Bewertungsmodelle zu erhalten, die wir hier bei FVCM verwenden. In Vorbereitung auf dieses Interview habe ich spaßeshalber Chat GPT gefragt:
Wie wird sich künstliche Intelligenz in etwa 100 Worten auf das Wirtschaftswachstum und die Rentabilität von Unternehmen in den kommenden Jahren auswirken?
Hier ist die Antwort, die ich erhielt:
Es wird erwartet, dass künstliche Intelligenz (KI) in den kommenden Jahren einen tiefgreifenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum und die Rentabilität von Unternehmen haben wird. KI hat das Potenzial, die Produktivität zu steigern, Prozesse zu optimieren und Innovationen in verschiedenen Branchen voranzutreiben. Durch die Automatisierung von Aufgaben kann KI die Effizienz verbessern und Kosten senken, was zu einer höheren Rentabilität für Unternehmen führt. Darüber hinaus können KI-gestützte Erkenntnisse und prädiktive Analysen Unternehmen dabei helfen, bessere strategische Entscheidungen zu treffen, neue Marktchancen zu erkennen und das Kundenerlebnis zu personalisieren. Die weit verbreitete Einführung von KI kann jedoch auch zu Störungen auf bestimmten Arbeitsmärkten führen, die eine Umschulung der Arbeitnehmer erforderlich machen. Insgesamt bergen die transformativen Fähigkeiten der KI ein erhebliches Potenzial für die Förderung des Wirtschaftswachstums und die Steigerung der Unternehmensrentabilität, wenn auch mit entsprechenden Herausforderungen. Meiner Meinung nach ist diese Antwort sehr stimmig. KI ist inzwischen ein schwergewichtiges Thema und wir befinden uns momentan in einer Phase der raschen Entwicklung, in der KI eine viel breitere Anwendung erfährt.
Ist jetzt also der richtige Zeitpunkt, um in Microsoft, Nvidia und die anderen Aktien einzusteigen, die in diesem Jahr nach der Einführung von Chat GPT durch Microsoft stark gestiegen sind?
Meiner Meinung nach nicht. Selbst wenn man auf die Entwicklung der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert zurückblickt, entfalten innovative Unternehmen ihr volles Potenzial in Bezug auf Umsatz und Gewinn erst, wenn sie eine gewisses level erreicht haben. So begann beispielsweise die Technologieblase der 1990er Jahre im März 2000 zu platzen, als die Anleger zu erkennen begannen, dass vieler der damals neuen Technologieunternehmen über mangelnde Rentabilität und einen anhaltenden Liquiditätsbedarf verfügten. Erst in den letzten 15 Jahren entwickelte sich bei den Internet- und Cloud-Anbietern eine massive Rentabilität. Ähnlich zur Entwicklung des Internets in den letzten 30 Jahren, wird auch die KI die Wirtschaft verändern und die Auswirkungen werden mit Sicherheit mehr als nur tiefgreifend sein. Die Mini-Blase, die wir in diesem Jahr erleben, spiegelt wahrscheinlich eher die emotionale Aufregung wider, die dadurch entsteht, dass die Öffentlichkeit plötzlich erkennt, was das Potential von KI ist. Die Frage ist, was passiert, wenn man realisiert, dass man es hier mit einer veralteten Idee zu tun hat. Es gibt viele herausragende Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind und über eine Vielzahl an Talenten und Kapital verfügen und in KI investieren. Deswegen wird die Entwicklung, in der sich KI befindet, weiter beschleunigt, so wie es beim Internet in den letzten Jahrzehnten von statten ging. Wenn man nun zum Thema Aktien zurückkommt, ist es am sinnvollsten langfristig zu investieren und nicht überstürzt zu reagieren. Am schlausten ist es wahrscheinlich, die aktuelle Aufregung abkühlen zu lassen und zu warten, bis die Bewertungen rationaler werden, bevor man investiert. Ein Beispiel, das diese Argumentation untermauert, ist Microsoft. Wenn Sie beispielsweise im Januar 2000, auf dem Höhepunkt der ersten Internet-Phase, zu einem Preis von 59 Dollar pro Aktie gekauft hätten, so mussten Sie 16 Jahre, also bis Oktober 2016 warten, bevor Sie die Aktie zum Break-even-Preis verkaufen konnten. Ohne Microsoft als Unternehmen schmälern zu wollen, muss man trotzdem sagen, dass es sinnvoller ist, Aktien zu meiden, die Gegenstand leidenschaftlicher Investitionsbewegungen sind.
Welchen Einfluss wird KI Ihrer Meinung nach auf die zukünftige Entwicklung der Finanzmärkte und Anlagestrategien haben?
KI ist hervorragend geeignet, um große Datenmengen schnell zu analysieren. Sie wird bereits eingesetzt, um den Wertpapierhandel effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Sofern die Tools zur Datenverarbeitung richtig parametrisiert und konfiguriert sind, sind diese sogar genauer als menschliche Händler und können schnell und präzise auf veränderte Marktbedingungen und -ereignisse reagieren. So kann KI beispielsweise eingesetzt werden, um die Marktbedingungen an öffentlichen Märkten, wie der New Yorker Börse, sowie an privaten Märkten in Echtzeit zu überwachen. Große Aufträge können aufgeteilt und Geschäfte können auf verschiedene Plattformen verteilt werden, um einen optimalen Ausführungspreis zu erzielen. Auf einer anderen Ebene nutzen Analysten, Strategen, Hedgefonds und andere Anlageexperten schon seit langem KI für die Datenanalyse und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Nutzung weiter steigt, da „KI-Pakete von der Stange" immer mehr Anklang finden und sich ausbreiten. So werden bestimmte Arten von KI auch als "Robo-Advisor" eingesetzt. Menschliche Anlageberater sind inzwischen so teuer, dass Maschinen als Ersatz verwendet werden, vor allem, um eine große Anzahl von Menschen bei der Vorbereitung auf ihren Ruhestand zu unterstützen, indem sie Anlageempfehlungen und Ratschläge geben.
Sind für Ihre Anlagestrategie/Aktienauswahl KI-Aktien überhaupt relevant? Wenn ja, inwiefern?
Wir haben unsere Positionen in Microsoft und Alphabet (Google) aufgrund der hohen Bewertungen sowie unserer Erwartung, dass das Umsatz- und Gewinnwachstum beider Unternehmen unter Druck geraten wird, verkauft. Digitale Werbung wurde in letzter Zeit immer schwächer und das Wachstum im Cloud-Geschäft hat sich deutlich verlangsamt, obwohl die Erwartungen weiterhin recht hoch sind. Eine große Position in Oracle, welches KI-Funktionen für seine Software entwickelt, haben wir jedoch beibehalten. Wir sind der Meinung, dass Oracle, obwohl es erst spät in das Cloud-Geschäft eingestiegen ist, sich momentan in einer sehr guten Position befindet, da es über eine überlegene Funktionalität verfügt und dies zu günstigeren Preisen. Oracle wird wahrscheinlich weiterhin Marktanteile von einigen der alten Cloud-Anbieter, insbesondere Amazon, übernehmen. Außerdem sind wir in unseren Portfolios indirekt an KI über Unternehmen wie z.B. Applied Materials investiert. Applied Materials produziert Maschinen zur Herstellung von Halbleitern, die KI erst möglich machen. Andere Aktien, die wir besitzen, haben KI-Strategien, wie z. B. Cisco, das Cisco AI Network Analytics entwickelt hat, welches menschliches Fachwissen automatisiert, um kritische Probleme in Datennetzen zu überwachen und zu identifizieren. Nahezu jedes größere Unternehmen in den USA setzt KI in gewissem Umfang ein, um die Produktentwicklung zu verbessern, effizientere Produktionsprozesse zu schaffen, Daten zu Sicherheitszwecken zu überwachen und andere Funktionen zu erfüllen. Diese Entwicklung wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Unsere Aufgabe ist es, mit einem vernünftigen Urteilsvermögen Investitionen zu tätigen. Wir konzentrieren uns deswegen auf die Investitionsrendite aber auch den Kauf von Aktien zu einem guten Preis.