Goldman Sachs AM: Anleger sollten ihr Playbook für die Portfolioallokation 2023 überdenken
Investment-Update von Goldman Sachs Asset Management: Dynamische Märkte erfordern neue Ansätze07.12.2022 | 09:59 Uhr
Die makroökonomischen Bedingungen befinden sich im Wandel,
Zinsen und Inflation ziehen an und die unruhige geopolitische Lage macht die
Welt instabil. Traditionelle Anlageansätze werden durch diese Entwicklungen
rasant in Frage gestellt. Die Anleger brauchen also neue Playbooks, um sich
erfolgreich im veränderten Risiken- und Chancenumfeld zu orientieren.
So lauten die Kernbotschaften des Investment Outlook for 2023 Media Roundtable
von Goldman Sachs Asset Management. Der Fokus lag dabei auf der
Portfolio-Neukonstruktion, die angesichts der „5Ds“ erfolgen muss. Dabei
handelt es sich um fünf zentrale Themen, die die globalen Märkte fundamental
verändern: Dekarbonisierung, Deglobalisierung, Demografie, Destabilisierung und
Digitalisierung.
„Wir haben (jüngst) den perfekten geld- und fiskalpolitischen Sturm erlebt,
inklusiver massiver Liquiditätsspritzen. Dieses Szenario dürfte sich nicht
wiederholen“, so Ashish Shah, Chief Investment Officer of Public Investments
bei Goldman Sachs Asset Management. „Die Verbraucherbilanzen präsentieren sich
nach dem pandemiebedingten Abschwung stärker denn je. Die US-Notenbank Fed
reagierte zunächst nur zögerlich auf diesen perfekten Sturm, hat dann aber eine
Kehrtwende vollzogen und agiert seitdem unglaublich aggressiv. Jüngst erhöhte
sie die Zinsen von null auf vier Prozent und für das nächste Jahr sind fast
fünf Prozent eingepreist. Wir erleben hier einen der aggressivsten
Straffungszyklen der Geschichte“, betont er. „Begleitet war dies von einer
Verschärfung der Finanzierungsbedingungen, was eine Rezession auslösen kann.
Über Letzteres lässt sich streiten, da eine Rezession noch keine ausgemachte
Sache ist. Im Gegensatz zu einem Konjunktureinbruch, der sicher kommt.“
Schwierige Märkte bieten auch Anlagechancen, doch Anleger benötigen hier einen
aktiven Asset-Allocation-Ansatz
„Gegenüber der Situation vor einem Jahr ist das eine ziemliche Veränderung. Das
ist das schwierigste Umfeld seit der globalen Finanzkrise“, betont Greg
Olafson, Co-President of Direct Alternatives bei Goldman Sachs Asset
Management. „Nach unserer Einschätzung wird diese Lage über das ganze nächste
Jahr Bestand haben. Dies ist mit weiteren Anlagechancen im alternativen Bereich
verbunden. Das aktuelle Klima bringt die Stärken alternativer Anlagen zur
Geltung, denn hier kommen die Vorteile einer ausgeprägten Kontroll- und
Steuerungsmöglichkeit zum Tragen, die Direktanlagen auszeichnen. Dies steht im
Kontrast zum indirekten Anlageansatz, der öffentlichen Märkten eigen ist. Ein
aktiv eingreifender Ansatz ermöglicht es, Wertschöpfung, Risikomanagement und
die Verhandlung der Transaktionsbedingungen proaktiv anzugehen“, so Greg
Olafson.
„Die Indizes verbergen die Volatilität von Einzelanlagen zu großen Teilen“,
unterstreicht Maria Vassalou, Co-Chief Investment Officer of Multi-Asset
Solutions bei Goldman Sachs Asset Management. „Es gibt reichlich Gelegenheit,
Gewinner auszuwählen und Verlierer zu shorten. Hohe Inflation, sinkendes
Wachstum und steigende Zinsen machen Anlegern das Leben schwer. Eine
konventionelle 60/40-Allokation funktioniert einfach nicht.“
„Wir waren etwas verwöhnt – schließlich hatten wir seit den frühen 2000ern eine
lange Phase steigender Aktienbewertungen und relativ geringer Volatilität
erlebt, die nur von der globalen Finanzkrise unterbrochen wurde. Doch selbst da
schritten die Notenbanken ein, um die Finanzierungsbedingungen zu lockern, als
die Risiken für die Wirtschaft stiegen. Das war positiv für die
60/40-Performance, da Anleihen sich zu ‚Flight to Safety‘-Instrumenten
entwickelten und die Ausverkäufe am Aktienmarkt abfederten.“
„Nun haben wir eine positive Korrelation zwischen Aktien und Anleihen. In einem
Umfeld steigender Zinsen, hoher Inflation und fallenden Wachstums ist das der
Normalfall“, betont sie. „Wir müssen unsere Portfoliokonstruktion überdenken,
da eine passive Allokation – wie in den letzten Jahrzehnten – und ein
Profitieren von steigenden Beta-Engagements jetzt und in Zukunft nicht mehr
zwingend funktionieren.“
Anleihen sind zurück – doch aktives Management zählt
Mit Blick auf die veränderte Rolle von Fixed-Income-Anlagen in den
Anlegerportfolios sagt Ashish Shah: „Fixed Income hat historisch vier
Funktionen erfüllt: Liquiditätsquelle, Ertragsquelle, Matching-Instrument für
langfristige Verbindlichkeiten und Diversifizierer. Höhere Zinsen und Spreads
bedeuten: Die Anleihen sind zurück.“
„Die Frage lautet, ob sich Anleihen noch gut zur Diversifizierung eignen – das
60/40-Portfolio steht also auf dem Prüfstand. Diese Allokation gehört immer
noch zu den beliebtesten, besonders in Retail-Portfolios. Doch 2021 mussten wir
die schlechteste Performance von 60/40-Portfolios seit Langem beobachten. Viele
Anleger wurden mit Renditen um die 15 Prozent enttäuscht. Als der Trend nur
nach oben zeigte, beschwerte sich niemand über die hohen Korrelationen. Wenig
überraschend erwies sich die 60/40-Allokation als schmerzlich, als der Trend
sich umkehrte“, so Ashish Shah. „Erträge aus 60/40-Portfolios lassen sich in
die jeweils günstigere Anlageklasse reinvestieren, seien es Anleihen oder
Aktien. Dadurch entsteht der wirksame Puffer des 60/40-Portfolios, der seine
Bedeutung auch künftig definitiv behalten wird. Wir erwarten, dass das
60/40-Modell wieder aufgeht. Eine Rückkehr zu einer permanenten quantitativen
Lockerung, die nach dem Goldilocks-Prinzip stets das rechte Maß findet,
erwarten wir dagegen nicht.“
„Eine passive Haltung geht nicht mehr auf“, kommentiert Maria Vassalou. „Wir
müssen dynamischer agieren, schließlich ist die Welt aus dem Gleichgewicht
geraten. Sie wird dann ins Gleichgewicht zurückfinden, wenn die Inflation sinkt
und die Fed ihre Politik stabilisiert oder umkehrt, weil es zu einer stärkeren
Konjunktureintrübung oder Rezession gekommen ist. In ausgeprägt volatilen
Märkten kommt es oft zu Verschiebungen, die wiederum Chancen für die Selektion
von Aktien und anderen Wertpapieren eröffnen. Dies hilft auf der aktiven Seite,
doch die Selektion von Wertpapieren muss erfolgen, wenn die Volatilität
nachlässt. Auf dem Höhepunkt der Volatilität ist es deutlich schwerer, die
richtigen Wertpapiere auszuwählen. Selbst wenn wir sie identifizieren können,
ist es unwahrscheinlich, dass sie sich sofort auszahlen. Solche Chancen
ergreift man besser erst bei sinkender Volatilität.“
Mit Blick auf die liquiditätsbedingten Chancen der Marktverschiebungen – etwa
die rasanten Schritte der Fed – kommentierte Ashish Shah: „Repricings auf
breiter Front sind unumgänglich. Straffungszyklen können beängstigend sein. Ihr
Vorteil ist aber, dass kaum etwas so attraktive Marktchancen für disziplinierte
und risikobereite Akteure schafft.“
Der aktiv eingreifende Ansatz privater Anleger ermöglicht proaktivere
Wertschöpfung
Greg Olafson kommentiert die besonderen Herausforderungen, denen Privatunternehmen
gegenüberstehen: „Angesichts steigender Input-Kosten, sinkenden Wachstums und
fallender Bewertungen wird es für erfolgreiche Private Market Investments
entscheidend sein, wie gut General Partner und Managementteams gemeinsam
Strategien ausarbeiten, die den Fokus auf traditionelle Erfolgsfaktoren legen.
Das aktuelle Umfeld funktioniert nach dem Prinzip ‚Zurück zu den Wurzeln‘: Es
geht darum, wie Unternehmen Innovationen schaffen, ihre Produktivität steigern
und ihre operative Effizienz erhöhen. Möglicherweise können die Bewertungen von
Privatunternehmen das breitere ökonomische Umfeld abbilden. Alternative Anlagen
verändern sich im Marktvergleich eher träge, doch angesichts der gestiegenen
Kapitalkosten werden sich die Bewertungen unweigerlich anpassen. Wir sehen
bereits erste Anzeichen dafür. Allerdings sollten Privatanleger sich in Geduld
üben und abwarten, bis die Wertschöpfung sich in guten Unternehmen etablieren
kann.“ Über alle alternativen Strategien hinweg beobachtet Greg Olafson die
attraktivsten Chancen in den Bereichen Private Credit und Infrastruktur.
Hinsichtlich Private Credit betonte Greg Olafson: „Wir erleben hochinteressante
Zeiten in einer komplexen Welt. Anleger werden für ihre Rolle als Kreditgeber
derzeit gut bezahlt. Dieses Umfeld ist zwar von Unsicherheit geprägt, schafft
aber attraktive Chancen für das Management privaten Kreditkapitals und bietet
zudem eine deutlich stärkere Streuung.“
Zum Thema Infrastruktur: „Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Und sie
birgt enorme Chancen. Ob es nun um den Ausbau der Glasfaserkapazitäten in
Rechenzentren geht oder die Nutzung von Rechenleistung im Life-Sciences-Sektor
– sie bringt uns gewaltige Gelegenheiten und Innovationskraft. Auch im Bereich
Energiesicherheit und Energiewende, einschließlich Batteriespeichern und
Erneuerbaren, kommen in den nächsten Jahren große Innovationen auf uns zu.“
Ein „Wunschkonzert“ gibt es nur bei Diversifizierung
Maria Vassalou bevorzugt einen Mix aus öffentlichen und privaten Investments.
„Wichtig ist dabei, Komponenten aus öffentlichen und den Anlegern zugänglichen
privaten Märkten auszuwählen, die die erwartete Rendite für ein bestimmtes
Risikoniveau maximieren. Die öffentlichen Märkte können gute Möglichkeiten
bieten, die auf den privaten Märkten eingegangenen Risiken zu managen. Zum
einen können zwecks Generierung von Renditen Cashflows gemanagt werden, und zum
anderen können Puffer aufgebaut werden, um erfolgreich durch Phasen der
Liquidität und Volatilität zu kommen.“
Unter Verweis auf die Bedeutung der Diversifizierung im Portfolioaufbau ergänzt
Maria Vassalou: „Es ist wichtig, unkorrelierte Vermögenswerte im Portfolio zu
haben. Wir blicken gerade auf die längsten Phasen mit positiven Korrelationen
zwischen Aktien und Anleihen zurück – da waren Anleihen kein gutes
Diversifizierungsinstrument. Anleger benötigen andere Instrumente und werden
auf ihrer Suche oft bei den alternativen Anlagen fündig. In der langen Phase
mit kontinuierlich steigenden Aktienkursen lagen die Zinsen bei null oder noch darunter
und die Fed pumpte großzügig Liquidität in den Markt. Da war es der ideale Weg,
auf eine Beta-Allokation zu setzen und sich an den hohen Renditen zu erfreuen.
Hedgefonds und andere alternative Anlagen fielen in Ungnade. Doch im aktuellen
Umfeld spricht wieder Vieles für sie –von Hedgefonds über Private Equity bis zu
den verschiedenen Unterkategorien.“
Maria Vassalou zieht folgendes Fazit: „In diesem herausfordernden Umfeld gibt
es auch viele Hoffnungsschimmer und Gelegenheiten. Um konsequent an unseren
Überzeugungen festhalten und die Früchte dieser Investments ernten zu können,
müssen wir den Fokus konsequent auf das Risikomanagement legen. Dies wird ganz
entscheidend sein.“
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