Henderson: Ausblick 2017: Warum das Umschwenken auf Substanzwerte Europa zugutekommt

John Bennett, Leiter des europäischen Aktienteams bei Henderson Global Investors, erläutert seinen Ausblick für 2017. Die Möglichkeit einer anhaltenden Rotation von Wachstums- oder Growth-Werten in Substanz- oder Value-Werte sieht er als zentralen Faktor für Aktienanleger in Europa im nächsten Jahr. Zwar beurteilt er die Aussichten insgesamt optimistisch, räumt aber ein, dass von Währungen, der Politik und der Möglichkeit einer Deflation Risiken für seinen Ausblick ausgehen.

05.12.2016 | 12:38 Uhr

Welche Erkenntnisse haben Sie aus den Entwicklungen in diesem Jahr gewonnen?

Eine Erkenntnis ist, dass man als Anleger an den Märkten nie auslernt. Wenn ein Fondsmanager glaubt, er brauche nichts mehr zu lernen, sollte er den Hut nehmen. Denn der Markt lehrt uns, dass Demut eine Tugend ist. Das haben viele Fondsmanager 2016 schmerzlich erfahren müssen. Der eine oder andere Fondsmanager ist wie ich der Meinung, dass 2016 das härteste Jahr war, das wir je erlebt haben. Das lag zum einen an der Rotation, die 2016 zu einem Händlermarkt gemacht hat. Verantwortlich für die massive Rotation war die Positionierung der Anleger. Die wichtigste Erkenntnis für mich in diesem Jahr war, dass ich möglicherweise nicht ausreichend auf die Positionierung geachtet habe. Zuerst kam die Rally im Energiesektor, gefolgt von der bei Minenaktien – zwei Bereiche, auf die viele jahrelang problemlos verzichten konnten. Und in den USA gab es vor Kurzem das „große Beben“, bei dem wir uns Gott sei Dank richtig positioniert hatten. Für gewöhnlich können wir dem Bankensektor nicht viel abgewinnen, aber dieses Mal waren wir vorbereitet, und zwar dank der Lektion, die wir über die Positionierung gelernt haben.

Welche zentralen Themen werden die Märkte, in die Sie investieren, 2017 vermutlich maßgeblich beeinflussen?

Ausschlaggebend dürfte 2017 wohl sein, ob wir mit unserer Prognose richtig liegen, dass es am Aktienmarkt zu einer generellen Verschiebung von einem Growth- zu einem Value-Markt kommen wird. Seit der Finanzkrise hatten wir es mit einem reinen Wachstumsmarkt zu tun, in dem sich Engagements in Substanzwerte nicht ausgezahlt haben. Ich bin kein großer Anhänger der Einteilung in „Growth“ und „Value“, denn dafür gibt es keine objektiven Kriterien. Aber ich bin überzeugt, dass die expansive Geldpolitik an ihre Grenzen stößt, was die Währungshüter wissen, und dass dies die Märkte maßgeblich beeinflussen wird. Daher gehe ich davon aus, dass wir bei den Anleiherenditen weltweit die Talsohle und analog dazu die Höchststände bei den Bewertungen anleiheähnlicher Aktien, die für Anleger so unglaublich bequem waren, erreicht haben. Äußerst ungemütlich wurde es für Anleger bei diesen Wertpapieren jedoch im Oktober und November, eine Entwicklung, die meines Erachtens gerade erst begonnen hat. Mit dieser Einschätzung liege ich aber nur dann richtig, wenn die Deflation nicht die Oberhand gewinnt und die Anleiherenditen dementsprechend weiter steigen werden (oder zumindest nicht fallen). Wenn sich aber die Deflation durchsetzt und die Anleiherenditen weiter sinken, liege ich mit meiner Einschätzung falsch. Dann werden nicht Substanzwerte, sondern sogenannte Qualitätswachstumswerte hoch im Kurs stehen. Aber ich glaube, dass meine Einschätzung richtig ist und es daher nicht ratsam ist, auf Letztere zu setzen. Wachstumswerte hatten in den letzten zehn Jahren Oberwasser. Aber die nächsten zehn werden einem anderen Anlagestil gehören.

Von welchen Positionen in Ihrem Fonds sind Sie am Übergang ins nächste Jahr besonders überzeugt?

Ich fände es merkwürdig, wenn ein Fondsmanager Ende 2016 eine „feste Anlageüberzeugung“ für 2017 hätte, außer seine Konstitution ist besser als meine. Ich bin seit jeher skeptisch, wenn Fondsmanager zu allem und jedem eine feste Überzeugung haben. Das könnte brenzlig werden. Ein gewisses Maß an Demut und Vorsicht schadet nicht.

Mein Ausblick für 2017 ist daher stark von den Ereignissen im nun zu Ende gehenden Jahr geprägt. Überzeugt bin ich allerdings, dass wir derzeit von einem Growth- in einen Value-Markt umschwenken. Ursächlich dafür, dass ich meine Haltung nicht als „feste Überzeugung“ bezeichne, sind nicht etwa die Ereignisse in diesem Jahr, das für aktive Manager extrem schwierig war, sondern die Tatsache, dass der wichtigste Sektor 2017 der Sektor sein wird, um den ich in den letzten zehn Jahren einen Bogen gemacht habe: der Finanzsektor.

Was können Anleger von Ihrer Anlageklasse und Ihrem(n) Portfolio(s) erwarten?

Das hängt von zahlreichen Faktoren ab. Unter anderem dürften Währungen eine wichtige Rolle spielen. Ein starker Dollar ist in der Regel gut für europäische Aktien, für Schwellenländeraktien aber weniger. Liege ich mit dem von mir prognostizierten Schwenk von Wachstums- zu Substanzwerten richtig, dürfte eine Outperformance von US-Aktien gegenüber anderen Teilen der Welt vom Tisch sein. Die Value-Märkte der Welt liegen ganz einfach wegen der Beschaffenheit der Indizes eher in Europa und Japan als in den USA. Daher dürfte es zu einer Verschiebung bei der Allokation kommen. Was mich davon abhält, von einer „festen Überzeugung“ zu sprechen, sind die politischen Turbulenzen der letzten Zeit, darunter der Brexit und der Wahlsieg von Trump, die inzwischen auch Europa angesteckt haben. Und in Europa dürfte es weitaus schwieriger werden, da es sich nicht nur um eine Nation, sondern zudem noch um einen Währungsblock handelt. Eine Rückkehr der Turbulenzen in den Peripherieländern aufgrund des Euro ist jedenfalls gut vorstellbar. Und diese politischen Risiken halten mich davon ab, für Europa im Vergleich zu den USA eine klare Kaufempfehlung auszusprechen. Aber auch dieses politische Risiko werden wir überstehen, zumal sich daraus durchaus eine gute Gelegenheit bieten könnte, in Europa einzusteigen. In diesem Jahr ist massiv Kapital aus europäischen Aktien abgeflossen, was mich in meiner optimistischen Einschätzung bestärkt. Anfang dieses Jahres war ich nicht optimistisch, aber zum Jahresende hat sich meine Stimmung aufgehellt.

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