Henderson: Trumps Sieg beschleunigt Rotationsdynamik

Bei der zuletzt beobachteten massiven Rotation aus volatilitätsarmen Wachstums- in volatile Substanzaktien handelt es sich nach unserer Einschätzung um eine Fortsetzung und Beschleunigung der bereits im dritten Quartal begonnenen Trendwende.

17.11.2016 | 13:40 Uhr

Den Wendepunkt für „Qualitätswachstum“ und andere Bereiche, in denen Anleger Zuflucht gesucht hatten, markierte das Brexit-Votum. Wir glauben, dass wir derzeit weltweit von einem Wachstums- (Growth) in einen Substanzmarkt (Value) umschwenken. Hierbei handelt es sich um einen grundlegenden Richtungswechsel, denn seit der Finanzkrise hatte sich eine Präferenz für Value-Aktien nicht mehr ausgezahlt.

Für die meisten war Trump beileibe kein idealer Kandidat, und seine Präsidentschaft sorgt für große Ungewissheit. Man denke nur an die Debatte über die Schuldenobergrenze, die Aussicht auf eine Rückkehr des Protektionismus, die (teilweise) Abschaffung der Gesundheitsreform und seine Vorstellung einer Außenpolitik, bei der Amerika immer zuerst kommt. Andererseits ist Trumps Politik augenscheinlich auf Wachstum ausgerichtet und lässt auf Steuersenkungen sowie umfangreiche Infrastrukturausgaben hoffen. Mit Folgen für die Inflationserwartungen, die sich nicht nur in Amerika, sondern rund um den Globus gravierend verändert haben.

Geschwindigkeit und Ausmaß der Rotation unmittelbar nach der Wahl zeigen, wie einseitig sich Anleger in schwankungsarme und von einer Deflation profitierende Aktien positioniert hatten. Schon seit Jahren warnen wir davor, mehr als das 20fache des Gewinns für Aktien von Unternehmen zu zahlen, die nur 3% Wachstum erzielen. Das wäre nur dann sinnvoll, wenn die Welt am Beginn einer Rezession und/oder Deflation stünde. Das ist aber nicht der Fall, war jedoch in den Kursen von Anleihen und anleihenähnlichen Titeln bereits eingepreist. Deshalb sind viele europäische wachstumsorientierte Anlagestrategien erheblich unter Druck geraten.

In unseren Portfolios hatten wir mit dem Schwenk zu Value-Aktien schon vor der Wahl begonnen und ihn im Oktober weiter beschleunigt. Auf unsere Portfolios hat sich das Wahlergebnis daher positiv ausgewirkt. Dabei möchten wir betonen, dass wir niemals Wetten auf die nächsten 24 oder 48 Stunden abschließen. Vielmehr sind die jüngsten Marktbewegungen nach unserer Einschätzung ein weiterer Beleg für die Entwicklung hin zu einer Normalisierung der Renditekurve – und die hatte bereits vor der Wahl begonnen. Die wichtigste Portfolioveränderung war das Aufstocken unseres Engagements bei Banken. Deren Kurse sind seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses ansehnlich gestiegen und wir beabsichtigen, investiert zu bleiben. Zudem haben wir aus taktischen Gründen vor der Wahl unsere Positionen Novartis und Roche verstärkt und werden diese noch in der laufenden Woche auf den Prüfstand stellen. Erheblich reduziert hatten wir unsere Bestände in der Verbrauchsgüterbranche und bei anderen wenig volatilen Namen wie Henkel und RELX. Auch das hat sich ausgezahlt. Kurzfristig erwarten wir keine weiteren wesentlichen Portfolioveränderungen.

Jetzt werden die Märkte den Fokus auf den nächsten politischen „Dominostein“ richten: das Verfassungsreferendum in Italien (nicht zu vergessen die anstehenden Wahlen in Österreich, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland). Anhaltend hohe Schwankungen sind damit programmiert. Hiervon gehen auch Gefahren für unsere Engagements im Finanzsektor aus, weshalb wir hier möglicherweise taktischer vorgehen müssen. Unseres Erachtens nähern sich die Anleihenrenditen ihrer Talsohle und haben sich Anleger nach wie vor zu stark zugunsten schwankungsarmer, sicherer Titel positioniert und die unbeliebten europäischen Banken zu stark untergewichtet. Unsere größte Sorge ist, dass die Märkte das Projekt Europa ins Visier nehmen und einmal mehr die Existenz der Europäischen Union und des Euro grundsätzlich infrage stellen. Bis auf Weiteres aber dürfte die starke Anlegernachfrage die Märkte stützen. In diesem Umfeld sollten Anleger stellvertretend für Value-Aktien den Euro Stoxx 50 Index im Auge behalten, der einmal mehr mit neuen Bestmarken liebäugelt.

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