Henderson: Welche aktiven Anlagetechniken schaffen Mehrwert?

Anleger stehen nicht nur vor der schwierigen Frage, ob sie über aktive oder passive Strategien in eine bestimmte Anlageklasse anlegen sollen. Viele fragen sich, wann man ein aktives Fondsmanagement vorziehen sollte. In diesem Beitrag beleuchten wir die ESG-Kriterien, die bei passiven Anlagetechniken außen vor bleiben.

16.05.2017 | 08:29 Uhr

 Zu einem großen Teil lässt sich die Bewertung eines Unternehmens nicht allein anhand seiner Finanzkennzahlen erklären. Deshalb bedienen sich aktive Manager einer Reihe von Techniken, um die Qualitäten eines Unternehmens angemessen zu bewerten und darüber einen Mehrwert für ihre Anleger zu erzielen. 

Bei ihren fundierten Analysen potenzieller Anlagen greifen viele unserer Fondsmanager auf unterschiedliche Strategien zurück. Auf Branchenebene lassen sich einige dieser Techniken unter dem Stichwort Investieren nach ESG-Kriterien, also basierend auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren, zusammenfassen. Obwohl die meisten unserer Anlageteams ihre Produkte nicht ausdrücklich nach ESG-Kriterien managen, helfen diese Techniken, ein ganzheitliches Bild eines Unternehmens zu entwickeln. Auch werden sie zu einem immer wichtigeren Unterscheidungsmerkmal zwischen aktiven und passiven Portfolios.

Bei Henderson glauben wir an die dem ESG-Ethos zugrunde liegende Logik: Unternehmen mit nicht nachhaltigen oder unethischen Geschäftspraktiken, kurzfristig gewinnorientiertem Handeln oder unerfahrenem Management schaffen in der Regel keine nachhaltigen Renditen für Anleger. Wie die Deutsche Bank, HSBC und Harvard Business School in Untersuchungen herausgefunden haben, ist ein ganzheitlicherer Ansatz einer der zentralen Faktoren für eine überdurchschnittliche Wertentwicklung und zudem wesentlicher Bestandteil von Vermögensanlagen, den man bei vielen passiven Fonds vergeblich sucht.

Als wesentlich für die Bewertung von Unternehmen gelten viele verschiedene ESG-Faktoren. Diese reichen von den Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf den Klimawandel über die Nutzung sauberer Energien und Technologien, den demografischen Wandel und den Einsatz künstlicher Intelligenz bis hin zur Bewertung der Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Reputationsrisiken spielen an den Finanzmärkten eine große Rolle, und wie Anlagemanager auf Unternehmen einwirken, kann erhebliche Folgen für die Portfoliorendite haben. All dies bei einem passiven Anlageansatz zu berücksichtigen kommt einer Herkulesaufgabe gleich. Bei Henderson werden diese Faktoren von den meisten Fondsmanagern berücksichtigt, die zudem Gesprächen mit Firmenentscheidern große Bedeutung beimessen, um die damit verbundenen Risiken richtig einzuschätzen und zu bewerten. 

Im Folgenden erläutern wir einige dieser Techniken, die einige der führenden Fondsmanager bei Henderson anwenden und verdeutlichen sie anhand von Beispielen:

John Bennett, Leiter European Equities

John Bennett, Leiter des europäischen Aktienteams, erklärt, wie aus dem Dialog mit Firmenentscheidern Mehrwert resultieren kann. 

Globales Technologieteam

Der Technologiesektor ist naturgemäß eine innovative Branche, deren Regulierung oft den sich schnell ändernden Realitäten hinterherhinkt. Das macht ein tiefes Verständnis der Kultur jener Firmen, in die man als Fondsmanager investiert, so wichtig. Denn häufig ist sie ein Hinweis auf die unternehmerische Verantwortung und die Nachhaltigkeit von Wettbewerbsvorteilen. Unternehmen mit starkem Management, das die Dynamik der Nachhaltigkeit innerhalb seiner Branche versteht, hat vermutlich auch eine klare Vorstellung von der künftigen Entwicklung anderer Aspekte der Unternehmensstrategie. Hier können aktive Fondsmanager Mehrwert schaffen. 

Im Technologiesektor wird die Kontrolle durch den Unternehmensgründer häufig zu Unrecht mit einem Mangel an Corporate Governance gleichgesetzt. Wir schauen genauer hin und analysieren die Erfolgsbilanz des Gründers sowie die Übereinstimmung seiner Interessen mit Blick auf eine langfristige Wertschöpfung mit denen der Aktionäre. Facebook, eine der größten Positionen in unserem Portfolio, ist hierfür ein gutes Beispiel. Die Aktienstruktur bei dem weltweit führenden sozialen Netzwerk ist zweigeteilt: Über A-Aktien mit Mehrfachstimmrecht behält der Gründer Mark Zuckerberg die Kontrolle über das Unternehmen, während die Inhaber von C-Aktien bei Corporate-Governance-Themen kein Stimmrecht haben. 

Diese Struktur wäre bei anderen von uns analysierten Firmen vermutlich ein Ausschlusskriterium. Als erfahrener Anleger im Technologiesektor konzentrieren wir uns auf langfristige Treiber wie hohe Eintrittsbarrieren. Deshalb glauben wir, dass es für Aktionäre lohnender sein kann, wenn ihre Interessen mit denen des Firmengründers, der eine klare langfristige Strategie hat, übereinstimmen statt mit denen kurzfristig orientierter Anleger, die möglicherweise andere Ziele verfolgen. In den ersten Jahren nach Gründung des Unternehmens bot Yahoo! für Facebook 1 Mrd. USD: Zuckerberg lehnte das Angebot ab, obwohl viele führende Mitarbeiter und Investoren verkaufen wollten. Seit dem Börsengang räumt Facebook der Nutzererfahrung größere Priorität als der Profitabilität ein und hat damals durchaus kontrovers diskutierte Akquisitionen getätigt, darunter Instagram (1 Mrd. USD) und WhatsApp (19 Mrd. USD). Diese Entscheidungen hätten die Aktionäre vielleicht nicht mitgetragen. Aber es waren diese mutigen Schritte, die Facebook zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt mit einer Marktkapitalisierung von derzeit über 400 Mrd. USD gemacht haben. Das Beispiel zeigt, dass wir bei der Bewertung von Anlagechancen pragmatisch vorgehen. Auch künftig halten wir an dem engen Dialog mit dem Facebook-Management fest, um dessen Denk- und Herangehensweise an wichtige Themen wie Daten- und Umweltschutz zu verstehen. 

Stephen Thariyan, Leiter Global Credit:
Anlegen nach ESG-Kriterien, das sich stark von dem auf Ausschlusskriterien basierenden sozial verantwortlichen Investieren (SRI) unterscheidet, eröffnet uns eine wertvolle Perspektive, die wir bei der Bewertung des Geschäftsmodells eines Emittenten berücksichtigen. Das hilft uns einzuschätzen, ob Anleger für die damit verbundenen Risiken angemessen entschädigt werden, zusätzlich zu den Risiken, die wir mit unseren traditionellen Analysen ermitteln. 

Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit den Auswirkungen von ESG-Anlagen im Festzinsbereich. Ein Bericht von Barclays1 aus dem Jahr 2015 zeigt, dass die Berücksichtigung von ESG-Kriterien die Performance geringfügig, aber stetig positiv beeinflussen kann. Andere Untersuchungen legen nahe, dass Corporate-Governance-Themen tendenziell die stärkste Korrelation mit der Bonität eines Unternehmens aufweisen. Da ESG-Kriterien immer mehr Beachtung finden, stehen wir am Beginn einer Zeitenwende, in der Unternehmen mit schwachen ESG-Kennzahlen künftig wohl höhere Finanzierungskosten schultern müssen. Und schlussendlich könnten Firmen mit schlechtem ESG-Ausweis sogar schwächere Ratings bekommen, denn große Ratingagenturen wie Moody‘s und S&P haben damit begonnen, ESG-Faktoren in ihre Methodik zu integrieren. 

Ein Beispiel für die konkrete Berücksichtigung von ESG-Themen ist unsere Teilnahme an der Emission der Hybridanleihe von Telia (Telekommunikation) im 1. Quartal 2017. Trotz der wegen Korruptionsvorwürfen gegen die usbekische Tochtergesellschaft des Unternehmens angestrengten Untersuchung waren wir zuversichtlich, dass diese kurz vor dem Abschluss stehen und sich Telia von der Tochtergesellschaft trennen würde, was inzwischen wie erwartet in Angriff genommen wurde. Aber im April 2017 kamen mit der Untersuchung der Telia-Aktivitäten am schwedischen Mobilfunkmarkt neue Bedenken zu ESG-Themen auf. Da diese unsere Anlagethese infrage stellten, wurde die Position mit Gewinn verkauft. Hieran wird deutlich, wie wichtig es ist, ESG-Themen bei all unseren Engagements mit einzubeziehen.



1 Barclays, ESG Ratings and Performance of Corporate Bonds, 18. November 2015 

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