Inflation bedroht Fortschritt in Indien

Die indische Regierung muss etwas gegen die hohe Inflation im Land tun, meint Arnout van Rijn, der Chief Investment Officer beim Robeco Asia Investment Center in Hongkong. Jahrzehntelang war Indien Asiens Elefant: groß und beständig, aber vor allem langsam. Sehr langsam. Es ist die Frage, ob das Land durch die Demokratie gebremst wurde, durch die es in wirtschaftlicher Hinsicht einen gewissen Nachteil gegenüber China, Asiens Tiger, hat.

09.04.2010 | 12:33 Uhr


Während sich China in den letzten 20 Jahren schnell entwickelt hat, versank Indien in inneren Problemen, verursacht durch eine Abfolge schwacher Regierungen. Zwar wurde im Parlament die Politik lang und breit diskutiert, aber wegen der häufigen Regierungswechsel, besonders in den 1990er Jahren, wurde nicht viel entschieden.

Dennoch gehört Indien zu den großen Demokratien der Welt. Ich erinnere mich noch an meinen Besuch beim Finanzminister in Dehli in den 90er Jahren. Ich habe eine Stunde lang wie im schwülen Wartezimmer eines Tropenarztes gewartet, um ihn zu sehen. Der Raum war voll mit Leuten, die alle geduldig auf ihre 15 Minuten warteten, die sie zur Verfügung hatten, um dem Minister ihr Anliegen vorzutragen.

Die Kongress-Partei hat Indien auf Wachstumskurs gebracht
Das demokratische System hat sich nicht geändert, aber durch den Erdrutschsieg der Kongress-Partei bei der Wahl 2004 hat sich viel verändert. Die Kongress-Partei hat das Land wirklich auf einen Weg des verstärkten Wachstums gebracht. Vorher redete man herablassend von der "Hindu-Wachstumsrate" von höchstens 4 %. Aber seit 2004 haben die Wachstumsraten auf ein Niveau in der Nähe der 10-Prozent-Marke zugenommen.

Die Wahl 2009 bestätigte die Kongress-Partei als führende Kraft und versprach eine weitere Phase politischer Stabilität. Der Aktienmarkt nahm das Wahlergebnis positiv auf und legte um 15 % zu.

Und es ist sehr interessant zu sehen, wie internationale Unternehmen plötzlich begonnen haben, Indien ernst zu nehmen. Vor zehn Jahren kam das Management multinationaler Konzerne nicht mehr ohne Internet-Strategie aus. Vor fünf Jahren musste man eine China-Strategie haben. Heute braucht man auch eine Indien-Strategie.

Zu viele Konsumenten, um von den multinationalen Konzernen außer Acht gelassen zu werden
Das liegt daran, dass sich in Indien eine Mittelschicht mit Angeboten für fast 500 Millionen Konsumenten bildet, die von Tag zu Tag wohlhabender werden. Plötzlich ist Proctor & Gamble, das Unilever jahrzehntelang die Vorherrschaft auf dem indischen Markt überlassen hat, aktiver geworden. Auf dem Waschmittelmarkt ist ein Preiskrieg ausgebrochen.

Das ist gut für die Verbraucher und sehr willkommen in einem Land, in dem die Inflation die größte Herausforderung darstellt. Durch eine Kombination von Faktoren wie Dürre, starke Nachfrage, schwache Infrastruktur und negative Realzinsen ist die Inflation in Indien stetig gestiegen, bis in die Nähe der 15-Prozent-Marke.

Die Regierung muss die Inflation bekämpfen
Die Regierung, die recht selbstzufrieden ist, nachdem sie ziemlich reibungslos durch die weltweite Finanzkrise gesegelt ist, hat es bis jetzt versäumt, angemessen auf diese Bedrohung zu reagieren. Sie scheint zu glauben, dass der Anstieg des Aktienmarkts eine Art Anerkennung für ihren Erfolg darstellt.

Das sehe ich anders. Ich glaube, dass der Anstieg des Markts eine rationale Reaktion der Anleger ist, die sehen, dass die Inflation wieder da ist und deshalb Schutz in Sachwerten wie etwa Aktien suchen. Wenn der Inflationsgeist erst einmal aus der Flasche ist, ist es sehr schwer, in wieder dorthin zurück zu bekommen.

Es wäre schade, wenn Indien zuließe, dass die Inflation aus dem Ruder läuft. Die Regierung ist unerbittlich und möchte Indiens großen Engpass, die Infrastruktur, verbessern. Aber sie sollte die Entwicklung der Infrastruktur dem brummenden privaten Sektor überlassen. Stattdessen sollte sie sich nun auf die Senkung der Inflation konzentrieren. Nur dann wird sich der indische Elefant in einen echten Stier verwandeln.

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