ING: Hoffnungsträger

„In der dritten Märzwoche legten die Emerging Markets abermals unversehens erheblich zu. Auf den ersten Blick wie aus heiterem Himmel. Eigentlich gab es keinen bestimmten Anlass oder Auslöser“, sagt Jan Bakkum Senior Stratege Emerging Markets bei ING IM.

24.04.2014 | 08:55 Uhr

Genau genommen überwogen die markttechnischen Faktoren. Selten hatten Investoren die Emerging Markets so negativ beurteilt und sich so defensiv positioniert. Als die Märkte sich dann bewegten, mussten zahlreiche Anleger ihre Positionierung anpassen. Das war vor vier Wochen. Inzwischen sind die EM-Währungen wieder auf dem Stand von Anfang Januar. Gleiches gilt für die EM-Aktienmärkte. Und jetzt geht die große Suche nach einer Bestätigung für die positive Marktbewegung in den Fundamentaldaten los.

Es ist nämlich so, dass der Erholungsprozess nur dann anhalten kann, wenn die positive Marktentwicklung auf freundlicheren Rahmendaten fußt. Wesentliche Gründe für die lahmende Entwicklung der Emerging Markets zwischen 2010 und 2013 waren die zunehmend verfehlte Wirtschaftspolitik und der Mangel an Reformen. Das hervorragende Abschneiden der Risikomärkte vor dem Hintergrund baldiger Wahlen (Indonesien, Indien und Brasilien) legt nahe, dass man sich jetzt plötzlich Wandel erhofft. Gerade in Brasilien war die Aussicht auf Reformen in den vergangenen Wochen ein großes Thema. Präsidentin Dilma Rousseff bleibt in den Umfragen zurück, während der brasilianische Markt dramatisch zulegt: um 15 Prozent in nur zwei Wochen. 

Echte Reformen und weniger staatliche Eingriffe in die Wirtschaft wären in der Tat Vorboten für einen neuen positiven Trend an den Emerging Markets. Eines ist jedenfalls klar: In Brasilien und Indien hat die verfehlte Politik die Wirtschaft in den letzten Jahren erheblich zurückgeworfen. Insofern rechtfertigt die Aussicht auf echten Wandel eine Erholung am Markt. Und es wundert nicht, dass die Anlegerschaft im Vorfeld zu den Wahlen Wahlprogramme und Umfrageergebnisse genau im Auge behält.

Doch bedeutet die wachsende Hoffnung auf eine sinnvollere Wirtschaftspolitik und Reformen, dass die Rahmendaten der Emerging Markets sich in den letzten paar Wochen tatsächlich zum Besseren gewendet haben? Wohl eher nicht. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Art Vorfreude auf etwas, das die Marktstärke letztlich rechtfertigen könnte. Die reformfreudigen Kandidaten müssen die Wahlen erst einmal gewinnen, dann müssen sie in der Lage sein, stabile Regierungen zu bilden und dann bleibt immer noch abzuwarten, ob sie tatsächlich so reformfreudig gesinnt sind, wie es zunächst den Anschein hatte. Auch auf die Gefahr hin, hier als Spielverderber aufzutreten: In den vergangenen zehn Jahren waren Reformen so dünn gesät, dass nunmehr jeder auch nur noch so vage Hinweis auf Reformbereitschaft zu überzogenen Erwartungen führt. Daher der Hinweis auf die bestehenden Ungewissheiten.

Es wäre verfrüht von einem neuen positiven Trend an den Emerging Markets zu sprechen. Fürs Erste rate ich zu Vorsicht. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich das politische Umfeld zum Besseren wandelt. Doch man sollte die ersten größeren Wahlen abwarten, bevor man sich zu große Hoffnungen macht. Auch die negative Wachstumsdynamik an den aufstrebenden Märkten muss nachlassen. Und vor allem müssen die Fakten dafür sprechen, dass China eine Kreditkrise abwenden kann.

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