ING: Konjunkturell geht‘s wieder aufwärts

Wirtschaften befinden sich jedoch noch im Krisenmodus, sagt Valentijn van Nieuwenhuijzen, Chefstratege bei ING IM.

22.01.2014 | 14:47 Uhr

Nach fünf Jahren der Krise konnten die meisten Ökonomen das Krisengefühl bislang noch nicht abschütteln. Das liegt unter anderem daran, dass gedämpfte Konjunkturerwartungen sich zunehmend im Denken der Volkswirtschaftler festsetzen. Insbesondere haben sich die Wirtschaftswissenschaften als unfähig erwiesen, die Entwicklungen der letzten Jahre plausibel zu erklären und überzeugende Schlussfolgerungen für das künftige Wachstum und die weitere Entwicklung an den Finanzmärkten zu ziehen.

Auch wenn einem ein tieferes Verständnis der realen Komplexitäten wirtschaftlicher Systeme abgeht, so ist doch klar, dass die zugrunde liegenden Strukturen sich schließlich weiterentwickeln. Genau das scheint jetzt der Fall zu sein: Die Weltkonjunktur hat nunmehr einen Punkt erreicht, bei dem die Dynamik des Aufschwungs stärker ist als je zuvor seit Beginn der Krise. Während sich also zahlreiche wirtschaftswissenschaftliche Modelle noch um Erklärungsversuche bemühen, lässt die Realwirtschaft die Krise bereits hinter sich.

Das wirtschaftstheoretische Hickhack lässt sich kaum besser illustrieren als durch die Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaft 2013 an drei Ökonomen, die völlig unterschiedliche Thesen vertreten: Fama und Hansen einerseits und Shiller andererseits. Nach Verleihung des Preises wies zumindest Shiller darauf hin, dass sich das Trio in seinen Theorien zur Funktionsweise der Finanzmärkte grundlegend unterscheidet: der stets effizient agierende Markt versus der irrationale Markt. Auch die Thesen zu den Modellen, mit denen die wirtschaftliche Realität abzubilden sei, sind diametral verschieden. Die unterschiedlichen Sichtweisen, für die diese drei Finanzökonomen stehen, wurden in den letzten Jahrzehnten sehr klar und umfassend dargelegt. Damit bildeten sie die Basis für „wissenschaftliche“ Erkenntnisse zu einer Reihe möglicher Theorien, die uns entweder die Marktrealitäten erklären können oder künftig eher ignoriert werden sollten. Als praktischer Leitfaden durch die komplexe volkswirtschaftliche Realität für Manager und Investoren taugt der kontroverse Forschungsstand in den Wirtschaftswissenschaften und ihrem Teilgebiet „Finanzmärkte“ jedenfalls nicht und muss daher durch kritische und weniger „ideologisch“ geprägte Analyse der wirtschaftlichen Tatsachen in der Praxis ergänzt werden.

Es ist doch recht bemerkenswert, wie sehr das Unvermögen der Wirtschafts- und Finanztheorie, den jüngsten Konjunkturzyklus und das Marktverhalten korrekt zu erfassen, uns alle überrascht hat. Die Prämissen, auf die sich die traditionelle Wirtschaftstheorie stützt, sowie die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit diese Theorien die Realität korrekt abbilden, sind bereits seit Langem zweifelhaft.

Die Annahme, dass die Marktakteure bestens informiert und mit völliger Voraussicht rational agieren (und nicht – wie alle anderen Menschen – intuitiv und emotional), sowie die Neutralität von Geld und Schulden werden zunehmend infrage gestellt. Auch die begrenzte Rolle, die der Faktor Ungewissheit in diesen Modellen spielt, und die Illusion, dass sie anhand vergangenheitsbezogener Beobachtungen korrekt erfasst werden kann, sind äußerst fragwürdig. Doch auch wenn diese Annahmen die Realität zutreffend widerspiegeln sollten, kann es eine effiziente Preisgestaltung an den Märkten und stabile Gleichgewichte nur dann geben, wenn die Marktteilnehmer homogen und die Märkte transparent sind und überdies kaum Barrieren für den Markteintritt bestehen. Ferner müssten die relevanten Informationen vollständig und zeitnah vorliegen und allen Marktteilnehmern gleichmäßig zur Verfügung stehen. Diese Bedingungen sind zumindest nicht immer erfüllt.

Der vollständige Ausblick im pdf-Dokument

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