La Financière de l’Echiquier: Zwischen Umkehr und Inhaftierung

Angesichts der jüngsten Marktrückgänge mahnt Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE, zur Ruhe. Die aktuelle Befürchtung, die vermeintliche Umkehrung der US-Zinskurve sei der Vorbote einer Rezession, hält der Experte für übertrieben.

11.12.2018 | 13:29 Uhr

Nach dem auf dem G20-Gipfel erreichten Waffenstillstand im Handelskrieg zwischen China und den USA war die Erholung der Märkte nur von kurzer Dauer. In der vergangenen Woche schlossen Risikoanlagen erneut im Minus. Hierfür sind zwei Gründe zu nennen: die Sorge um eine Umkehrung der US-Zinskurve und die auf Ersuchen der USA in Kanada erfolgte Inhaftierung der Finanzdirektorin des chinesischen Huawei-Konzerns.

Die Entwicklung dieser jüngsten Angelegenheit gilt es abzuwarten, um beurteilen zu können, inwieweit sie die anstehenden Handelsgespräche zwischen den USA und China gefährden könnte. Jedenfalls verursacht die Festnahme von Meng Wanzhou, der Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei, Unsicherheit bei den Verhandlungen zwischen China und den USA. Einerseits, weil Huawei ein wichtiges chinesisches Unternehmen und einer der Hauptkonkurrenten von Apple ist, und andererseits, weil Ren Zhengfei sehr enge Verbindungen zur kommunistischen Partei Chinas unterhält.

Die Sorgen aufgrund der potenziellen Umkehrung der US-Zinskurve bedürfen näherer Erläuterung. Diese Bedenken beziehen sich auf das Zinsniveau im Bereich zwei- und dreijähriger Laufzeiten, das gegenwärtig höher ist als im fünfjährigen Bereich, und fußen auf einer Lehre der Vergangenheit: Die Umkehrung der Kurve ist ein sehr guter Frühindikator für eine Rezession. Um jedoch deutlich zu sein, muss dieses „Rezessionssignal“ einen Großteil der Zinskurve betreffen und zugleich durch die relevantesten Zinsdifferenzen, also zehn Jahre zu drei Monaten und zwei Jahre zu drei Monaten, statistisch bestätigt sein. Die Zinsdifferenz zehn Jahre zu drei Monaten hat zwar mit 49 Basispunkten einen Tiefstand erreicht, bleibt jedoch positiv. Die Differenz bei zwei Jahren zu drei Monaten liegt mit 37 Basispunkten nahe an ihrem Durchschnitt seit 2010 (44 Bp.) und deutlich über ihrem Tiefstand vom Juli 2017. Zudem stellt man bei Betrachtung aller möglichen Zinsdifferenzen fest, dass sich lediglich rund 4 Prozent der US-Zinskurve umgekehrt haben. Das „Rezessionssignal“ ist jedoch erst belastbar, wenn diese Statistik mindestens 50 Prozent erreicht.

Überdies muss angemerkt werden, dass die Verengung des Abstands zwischen dem Zinssatz bei zehn Jahren und bei drei Monaten vor allem von einer Schwäche des zehnjährigen Zinssatzes herrührt. Denn dieser sank von 3,24 Prozent Anfang November auf 2,88 Prozent Anfang Dezember. Grund sind insbesondere die als sehr akkommodierend empfundenen Äußerungen der Fed. Noch in der Vorwoche gingen die langfristigen Zinssätze nach Veröffentlichung eines Artikels im Wall Street Journal zurück, dem zufolge die Notenbank nach ihrer Dezember-Sitzung eine „Pause“ einlegen und beschließen könnte, sich bei ihrem Handeln an den Indikatoren zu orientieren. Das ist aber nichts Neues! Seit Monaten wissen wir, dass die Fed „data dependent“ ist und sich die Möglichkeit offen lässt, das Tempo ihrer geldpolitischen Straffungspolitik den wirtschaftlichen Bedingungen anzugleichen.

Darin eine größere Kehrtwende beim Kurs der Fed zu erkennen oder auf eine vorübergehende Umkehrung eines sehr begrenzten Teils der Zinskurve überzureagieren sind zwei Symptome eines Marktes, der überaus stark unter Stress steht und an dem jede Information überinterpretiert werden kann, solange sie die kurzfristige Stimmung der Anleger rechtfertigt.

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