Länderblickpunkt Frankreich

Titel der Publikation: Länderanalyse Frankreich
Veröffentlichung: 03/2014
Autor: Christian Melzer, Kristian Tödtmann
Auftraggeber: DekaBank (Website)
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2014 dürfte Konjunktur wieder an Fahrt gewinnen. Arbeitsmarkt ist größter Bremsklotz der Wirtschaft. Risiken durch Bankensektor.

07.03.2014 | 16:09 Uhr

Im Jahr 2011 wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Frankreichs mit 2,0 Prozent noch deutlich stärker als derzeit. Dennoch blieb die „Grande Nation“ hinter anderen Exportnationen zurück. „Der wesentliche Grund hierfür war die geringe Bedeutung des exportorientierten Verarbeitenden Gewerbes“, erläutert DekaBank-Volkswirt Christian Melzer. Die geringe Exportabhängigkeit stützte auf der anderen Seite jedoch die wirtschaftliche Aktivität in den Krisenjahren 2012/2013. „Während das BIP im Euroraum 2012 um 0,7 Prozent und 2013 um weitere 0,4 Prozent schrumpfte, stagnierte es 2012 in Frankreich und stieg 2013 um 0,3 Prozent“, so der Experte. Und die Wirtschaft gewinne weiter an Dynamik: Für 2014 erwartet er ein BIP-Wachstum von 1,1 Prozent. Zum einen liege das an der Entspannung der Eurokrise und der damit einhergehenden Rückkehr des Vertrauens an den Finanzmärkten sowie an der wirtschaftlichen Erholung Spaniens und Italiens. „Darüber hinaus profitiert Frankreich von dem deutlichen Anziehen der deutschen Wirtschaft und einem verbesserten wirtschaftlichen Umfeld“, sagt Melzer.

Arbeitslosenquote ist zu hoch

2015 dürfte die französische Wirtschaft seiner Ansicht nach um 1,2 Prozent wachsen. Damit liege sie allerdings wie auch 2014 unter dem Durchschnitt der Europäischen Währungsunion (EWU). „Zu den Bremsklötzen der französischen Wirtschaft gehört der Arbeitsmarkt“, stellt Melzer fest. „Dieser weist deutliche Strukturmängel auf: In der Erholungsphase 2010/2011 ist die Arbeitslosenquote lediglich von 10,0 Prozent auf 9,5 Prozent gesunken.“ In den vergangenen zehn Jahren habe sie durchschnittlich bei 9,1 Prozent gelegen. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 5,6 Prozent. Derzeit liegt die französische Arbeitslosenquote wieder bei über zehn Prozent. Noch deutlicher werden die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt bei der Betrachtung der Jugendarbeitslosigkeit. Im Dezember 2013 lag sie bei 25,6 Prozent. In Deutschland hingegen bei 7,4 Prozent. Zwar sei eine Arbeitsmarktreform angepackt worden. Doch es bedürfe zudem Reformen in anderen Bereichen, wie beim Renten-, Bildungs- und Steuersystem sowie der Verwaltung.

Konjunktur (li.) gewinnt an Dynamik, Arbeitslosigkeit zu hoch

„Eine wichtige Stütze sind in Frankreich die Staatsausgaben“, so Melzer. „Der Staatskonsum, zu dem im Wesentlichen die Gehaltszahlungen für die öffentlich Beschäftigten zählen, macht in Frankreich über 23 Prozent des BIP aus, während es in Deutschland z.B. nur rund 18 Prozent sind.“ Doch werde der weitgehend konjunkturunabhängige öffentliche Verbrauch als Puffer in Krisenzeiten immer kleiner. „Angesichts des derzeitigen Budgetdefizites von 4,1 Prozent des nominalen BIP und eines von der EU-Kommission für 2014 prognostizierten Schuldenstandes von 95 Prozent sind spürbare Einschnitte geplant, um das Defizit 2014 weiter in Richtung der Maastricht-Grenze von drei Prozent des nominalen BIP zu bringen“, sagt der Deka-Experte.

BIP-Entwicklung besser als im Euroland-Durchschnitt

Frankreich kein Gläubiger allerhöchster Bonität

Inflation ist in Frankreich momentan kein Thema. Die Teuerung war in den vergangenen Jahren geringer als der Durchschnitt der Eurozone. Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann sieht zudem nur geringe Gefahren einer Deflation: „Eine solche Entwicklung scheint uns nur vorstellbar, sofern sich die Lage am Arbeitsmarkt noch einmal gravierend verschlechtert, wovon wir allerdings nicht ausgehen.“ Auf lange Sicht erwartet Tödtmann eine Inflation von knapp über zwei Prozent. Die EZB werde daher noch lange Zeit an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten. Leitzinsen nahe Null wirkten sich auch auf die Renditen von Staatsanleihen aus: „Dennoch beinhalten diese gerade in den längeren Laufzeitbereichen Risikoprämien gegenüber deutschen Staatsschuldtiteln, die deutlich höher sind als vor der europäischen Staatschulden- und Finanzkrise. Dies spiegelt die Einschätzung der Anleger wider, dass Frankreich nicht als Gläubiger mit allerhöchster Bonität anzusehen ist.“ Vor allem Ratingagenturen bemängelten seit langem die schlechte internationale Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs, die die langfristigen Wachstumsperspektiven und damit die Tragfähigkeit seiner öffentlichen Finanzen schwächen würde. Trotz insgesamt nur schleppend vorankommender Reformen rechnet Tödtmann vorerst mit keiner erheblichen Ausweitung der Risikoprämien französischer Staatsanleihen. „Das Umfeld weltweit niedriger Zinsen und der große Anlagebedarf institutioneller Investoren führen zu einer hohen Nachfrage nach langlaufenden Staatsanleihen mit vergleichsweise geringem Risiko“, so die Begründung. Zu einer Ausweitung der Risikoprämien dürfte es erst längerfristig, bei weltweit wieder nach oben gerichteten Zinsniveaus, kommen. „Wir gehen aber davon aus, dass die französische Regierung bis dahin ausreichende Reformen eingeleitet haben wird, um die Staatsverschuldung auf hohem Niveau zu stabilisieren und die Finanzmärkte von ihrer Tragfähigkeit zu überzeugen.“

Inflation (li.) vorerst kein Thema, Risikoprämien bei langlaufenden Staatsanleihen

Risikofaktor Bankensystem

Risiken für die finanzielle Stabilität des Landes gingen nach Ansicht von Tödtman auch vom Bankensystem aus. Gemessen an seiner Bilanzsumme in Relation zum BIP sei es deutlich größer als beispielsweise das deutsche. „Französische Banken sind durch Wertpapierbestände und Kredite stark im Ausland engagiert, unter anderem auch in den Peripherieländern der Eurozone“, erläutert der Volkswirt. „Insofern könnten die konjunkturell bedingt hohen Kreditausfälle in diesen Ländern auch französische Banken in Mitleidenschaft ziehen.“ Sollte Frankreich im Zuge des Banken-Stresstest durch die EZB Bilanzlücken seiner Institute schließen müssen, würde sich die Entwicklung der Staatsschulden nach oben korrigieren. „Zudem bestünde die Gefahr, dass französische Banken aufgrund ihrer zu geringen Kapitalausstattung auch im Inland weniger Kredite vergeben“, befürchtet Tödtmann. „Dies würde die konjunkturellen Perspektiven Frankreichs belasten.“

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