Lagebericht zum Erdbeben in Japan

Der Ölpreis hat überreagiert und die Pazifikregion bleibt die Region mit der geringsten Attraktivität für Aktien, sagt Ronald Doeswijk, Chief Strategist, in seiner Bewertung der Auswirkungen des Erdbebens in Japan.

21.03.2011 | 09:35 Uhr

„Die furchtbaren menschlichen Kosten des Erdbebens in Japan werden allmählich deutlich. In diesem Umfeld können wirtschaftliche und finanzielle Forschung irrelevant erscheinen. Trotzdem denken wir, dass es wichtig ist, die Lage etwas zu beleuchten.” Ronald Doeswijk.

In Folge der Auswirkungen des Erdbebens, des Tsunamis und des katastrophalen Versagens des Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi scheint Japan in eine offizielle Rezession gestürzt zu werden.

Die japanische Wirtschaft berichtete von negativem Wachstum im vierten Quartal des vergangenen Jahres. Das erste Quartal 2011 wird wahrscheinlich genauso aussehen als Folge des Erdbebens. Eine Rezession wird technisch definiert als zwei konsekutive Quartale negativen Wirtschaftswachstums.

„Mit Sicherheit kann das Japan in eine Rezession drängen”, sagt Ronald Doeswijk. „Allerdings würde auf einen solchen Rückgang unter normalen Umständen ein Anstieg der Nachfrage folgen, da die Infrastruktur wieder aufgebaut wird.” Tatsächlich fand nach dem Erdbeben in Kobe im Februar 1995 ein wesentlich größerer Anstieg als gewöhnlich (2 % Plus im Monatsvergleich) in Japans Industrieproduktion statt. Diese vorhergehende Katastrophe vermittelt etwas von der potenziellen wirtschaftlichen Auswirkung des Erdbebens. Die von dem Tsunami getroffene Region ist für ungefähr 6 % von Japans BIP verantwortlich. Das ist rund die Hälfte der Gewichtung von Kobe. Das Erdbeben in Kobe führte dazu, dass die japanische Industrieproduktion um ungefähr 3 % im Monatsvergleich im Januar 1995 sank. Die geringere Auswirkung in 2011 wird dennoch ausreichen, um für einen Fall in die Rezession zu sorgen.

Allerdings handelt es sich hierbei nicht um normale Bedingungen. Tatsächlich bedeutet die Unsicherheit über die Entwicklung der eskalierenden nuklearen Katastrophe, dass die Beurteilung der endgültigen Auswirkung auf die Wirtschaft unmöglich ist. Doeswijk sagt dazu: „Zu diesem Zeitpunkt ist unklar wie schlimm die nukleare Katastrophe sein wird. Der strukturelle Schaden für die japanische Wirtschaft ist äußerst schwer zu bewerten.”

Er betont, dass sich die Katastrophe zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt ereignet hat. „Die Weltwirtschaft befindet sich weiterhin in der Erholungsphase und die Ressourcen (monetär und budgetär), die zur Reaktion auf diesen neuen Schlag verwendet werden können, sind begrenzt. Das ist vor allem in Japan der Fall”, sagt Doeswijk.

Die finanzielle Position des Landes ist in der Tat zunehmend bedenklich. Das Staatsdefizit erreichte 7,7 % des BIPs in 2010 und die Bruttoverschuldung betrug 198 % des BIPs. „Der Regierung steht nicht allzu viel Spielraum zum Manövrieren zur Verfügung”, fügt er hinzu.

Die Reaktion des japanischen Marktes ist angemessen
Die Aktienmärkte haben nach den anfänglichen Panikverkäufen wieder etwas an Fassung zurückgewonnen. Allerdings ist die Volatilität hoch. Im Anschluss an den massiven Verkauf während der ersten zwei Handelstage nach dem Erdbeben, stieg der Nikkei 225 am 16. März um 5,7 %. Japanische Anleihezinsen stiegen ebenfalls, als die Panik zurückging. Währenddessen fielen die Kosten zur Versicherung des japanischen Staatsdefizits aus einer Rekordhöhe. Die Gewinne vom 16. März ließen den Nikkei 225 mit einem kumulativen Rückgang von 12 % seit dem Erdbeben vom Freitag zurück.

„Nach dem Rückprall glauben wir, dass der Rückgang von 12 % eine angemessene Reflektion dessen ist, was sich in der japanischen Wirtschaft ereignet hat, auch angesichts der andauernden Unsicherheit über die Strahlung.” Schließlich gibt es, trotz der furchtbaren menschlichen Kosten in der betroffenen Region, relativ geringen dauerhaften Schaden am Großteil der Infrastruktur und der Produktionskapazität des Landes.

Japan kommt zu den sich verstärkenden Unruhen im Nahen Osten und der Schuldenkrise in der Eurozone auch noch hinzu
Wenig überraschend ist, dass die globalen Aktienmärkte ebenfalls wesentlich betroffen sind. Der MSCI sank seit dem Erdbeben um etwa 5 % in US-Dollar. Die Ereignisse in Japan kamen jetzt zu den andauernden Sorgen um die wachsenden sozialen Unruhen im Nahen Osten und der verweilenden Staatsschuldenkrise in der Eurozone hinzu.

„Die führenden Politiker Europas dürften mit ihren neuesten Vorschlägen in Brüssel etwas an Zeit gewonnen haben. Aber das Krisenproblem wurde noch nicht gelöst”, sagt Doeswijk. Tatsächlich hat sich diese Situation mit der Entscheidung von Moody's vom Mittwoch kaum verbessert. Moody's hat Portugals Kreditrating um zwei Klassen von A1 auf A3 gesenkt, was nur vier Klassen über dem Junk-Status liegt. Während die Abwertung nichts weiter bewirkt hat als das Rating von Moody’s in Einklang mit den anderen Agenturen zu bringen, drängt diese Bewertung Portugal einen weiteren Schritt dichter an den Punkt um Hilfe aus dem Rettungsnetz des European Financial Stability Fund (EFSF) bitten zu müssen. Doeswijk argumentiert, dass die Rückgänge der allgemeinen Aktienindizes im Kontext ihrer erheblichen Gewinne gesehen werden sollten, sowohl seitdem der Markt im März 2009 seine Talsohle erreicht hatte als auch im Licht des letzten positiven Anstoßes seit Oktober 2010 (+12 %). Diese Gewinne reflektieren eine Wirtschaftserholung, die positiv überrascht hat sowie stabile Erträge von Unternehmen.

Der Ölpreis hat überreagiert
Seit dem Beginn der japanischen Krise hat der Rückgang des Ölpreises insbesondere überrascht. Während Rohöl von Brent am 16. März an Boden gewann, ging der Wert bei USD 111 pro Barrel noch immer um ungefähr 5 % seit dem Beginn der Krise zurück.

Der Markt scheint sich auf Erwartungen einer reduzierten Nachfrage der japanischen Industrie in der nächsten Zeit konzentriert zu haben. „Die Auswirkung der japanischen Wirtschaft ist negativ. Folglich sollte einiger Deflationsdruck eingepreist werden”, sagt Doeswijk. „Allerdings ist der Umfang des Rückgangs, angesichts der Entwicklungen in Bahrain, etwas rätselhaft. Der Ölpreis hat überreagiert.”

In der Tat eskalieren die Spannungen im Nahen Osten. Bahrain, in dem Kriegsrecht ausgerufen wurde, bändigt nun die Protestanten mit militärischer Unterstützung aus Saudi-Arabien und die Streitkräfte von Oberst Gaddafi setzen ihren Kampf in Libyen fort.

Gleichzeitig zwingt die nukleare Katastrophe Staaten dazu die Attraktivität von Kernenergie zu überdenken. China schloss sich Ländern wie der Schweiz und Deutschland an, die Erweiterungspläne neu zu durchdenken, da der Staatsrat bekannt gab, die Genehmigung neuer Kernenergieprojekte aufzuschieben bis neue Sicherheitsvorschriften eingeführt wurden. Die wahrscheinliche Auswirkung zunehmender Skepsis gegenüber Kernenergie ist die erneute Konzentration auf fossile Brennstoffe.

Anlageklassen scheinen unverändert
Die Meinung gegenüber Anlageklassen von Doeswijk und seinen Kollegen im Financial Markets Research-Team ist unverändert. Die bevorzugten Anlagen sind immer noch Rohstoffe, Unternehmensanleihen und Immobilien.

Ihre Erwartungen für Aktien bleiben zurückhaltend: kurzfristig werden keine neuen Höhenflüge erwartet. Die Meinung des Teams zu den Regionen ist ebenfalls unverändert. Die Pazifikregion (einschließlich Japan) war bereits diejenige mit der geringsten Attraktivität im Aktienbereich. Die bevorzugten Regionen bleiben Schwellenmärkte und Nordamerika.

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