Lockdowns sind der teuerste Weg der Pandemiebekämpfung
Titel der Publikation: | Lockdowns sind der teuerste Weg der Pandemiebekämpfung |
Veröffentlichung: | 02/2021 |
Autor: | Dr. Michael Heise |
Auftraggeber: | macrodavisors (Website) |
Deutschland setzt vor allem auf Kontaktbeschränkungen und ein Herunterfahren von Wirtschaft, Kultur und Schulen, um die Virusausbreitung zu stoppen. Diese Strategie ist enorm kostspielig und hat nur mit relativ großer Zeitverzögerung gewirkt. Von Dr. Michael Heise
05.02.2021 | 07:25 Uhr
Da wir nicht sicher sein können, dass keine erneute Beschleunigung des Infektionsgeschehens bevorsteht, gilt es, alle wirksamen Alternativen in der Pandemiebekämpfung zu verstärken, vor allem Impfungen, aber auch Tests und Schutzkonzepte für gefährdete Gruppen. Es sollte alles getan werden, um einen erneuten dritten lockdown zu vermeiden.
Die wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona Pandemie haben das deutsche Bruttoinlandsprodukt in 2020 um 5 % sinken lassen und die Arbeitslosigkeit von Jahresbeginn bis Jahresende um rund 500 Tausend erhöht. Die Nachholkonjunktur, die nach dem Ende ersten „Lockdowns“ im zweiten und dritten Quartal 2020 einsetzte, ist mit den neuen anti-Pandemie Beschränkungen ab November zu Ende gegangen.
Die Beschränkungen, die bis Mitte Februar gelten, werden nicht allein in den direkt betroffenen Dienstleistungsbereichen wie Gastgewerbe, Touristik, Verkehr, Kunst, Kultur und Sport, sondern auch im Einzelhandel und damit bei den Aufträgen in der Industrie deutliche Einschnitte nach sich ziehen. Das Verarbeitende Gewerbe hat in den vergangenen Monaten die Schwäche im Dienstleistungsbereich deutlich abgefedert, die Konjunktur war gespalten.
Zu erwarten ist nun, dass sich das Geschäftsklima auch in der Industrie wieder abkühlt, da der Warenhandel geschlossen ist und das Exportgeschäft unter den lockdowns in wichtigen Partnerländern leidet. Daher wird im Winterhalbjahr kein Wachstum und damit auch keine Annäherung an die Einkommensniveaus von vor der Krise zu erwarten sein.
Der Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität wäre noch viel größer gewesen, wenn der Staat die Geschäftsausfälle und Einkommensverluste, die aufgrund seiner Anordnungen entstehen, finanziell nicht weitgehend kompensiert hätte. Woche für Woche werden Milliardenbeträge aufgewendet, um die Volkswirtschaft einigermaßen über Wasser zu halten.
Man nimmt die sehr hohen Kosten des `Herunterfahrens´ in Kauf, um eine weitere Beschleunigung des Infektionsgeschehens zu verhindern, die die Wirtschaft längerfristig umso härter treffen müsste.
Das es keine Zielkonflikte zwischen Gesundheit und Wirtschaft gibt, ist zwar grundsätzlich richtig, es kann aber kein Freibrief sein, jedwede Einschränkung der wirtschaftlichen Aktivität zu rechtfertigen, wie das in der aktuellen Diskussion um noch weiterergehende Maßnahmen zur Einschränkung der Wirtschaft - etwa die Forderungen nach Einschränkung der Industrieproduktion - oft anklingt.
Vielmehr muss auf Maßnahmen abgezielt werden, die eine möglichst hoher Schutzwirkung gegenüber dem Virus entfalten und zugleich wenig wirtschaftliche Schäden verursachen. Es muss gefragt werden, ob die aufzuwendenden Mittel zur Stabilisierung der Wirtschaft nicht durch alternative Verwendungen eine größere Schutzwirkung in der Pandemie hätten.
Lockdowns, Impfungen, Tests, Quarantänevorschriften, Schutzmaßnahmen für gefährdete Bevölkerungsgruppen und Investitionen in die medizinische Infrastruktur und Personalausstattung sind alles Elemente einer anti-Corona Strategie, die sich ergänzen und zusammen wirken. Gerade in einer Situation neuer Gefährdungen durch Virus Mutanten sollten sie mit den Erfahrungen der vergangenen Monate in einem Gesamtkonzept abgewogen und angegangen werden.
Für die Gesundheit der Bevölkerung und für die Wirtschaft – also die Zahl der Jobs und die Höhe der Arbeitnehmereinkommen – müssen möglichst rasche Impfungen ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Ausgaben für die Impfkampagne rechnen sich in nahezu beliebiger Höhe, so auch das ifo Institut in München, wenn sie das extrem kostspielige Herunterfahren der Wirtschaft und die langfristig folgenschweren Schulschließungen vermeiden helfen.
Deutschland hinkt in dieser Hinsicht vielen Ländern hinterher und sollte mit allen Mitteln auf eine Beschleunigung hinarbeiten. Ökonomisch und gesundheitspolitisch sollte es zudem eine höhere Priorität für den Schutz der besonders gefährdeten alten Menschen mit ausgedehnten Test- und Betreuungskonzepten geben als das in den vergangenen Monaten der Fall war.
Der Virus ist eben für ältere Menschen sehr gefährlich, wie das Medianalter der Verstorbenen von 84 Jahren zeigt. Schnelle Impfungen und ausgefeilte Testkonzepte, insbesondere mit Schnelltests, würden dazu beitragen, dass ältere oder vorerkrankte Menschen nicht für lange Zeit isoliert werden müssen, wie das zur Zeit noch der Fall ist.
Höhere Aufwendungen für systematische und breit angelegte Testverfahren, denen im politischen Raum lange Zeit sehr viel Skepsis entgegengebracht worden ist, hätten mehr Transparenz über das Ansteckungsgeschehen erlaubt, Ansteckungen vermindert und so die Dauer und Intensität der lockdowns reduzieren können.
Allein diese Beispiele zeigen, dass es nicht ausreichend ist, nur die pauschale Einschränkung von Kontakten zu verlangen, zumal die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Orte und Verläufe des Infektionsgeschehens nicht gefestigt sind. Gerade angesichts der Unsicherheiten über das Infektionsgeschehens sollte alle Bausteine der Strategie ausreichend gerichtet werden.
Wenn also eine erneute Beschleunigung des Infektionsgeschehens käme, was angesichts der langsamen Fortschritte in der Impfkampagne nicht ausgeschlossen werden kann, sollte nicht allein der erneute lockdown das Mittel der Wahl sein, sondern es sollten alle verfügbaren Abwehrmaßnahmen in einem vorbereiteten Konzept zur Anwendung kommen.
Allein über ein Herunterfahren der Wirtschaft und der Schulen wird es ohnehin nicht gelingen, das Virus massiv zurückzudrängen. Um das Virus auszumerzen, muss man dann schon einen asiatischen Weg gehen, der neben lockdowns eben auch Maßnahmen wie Grenzen schließen, Handydaten tracken, Ausgangssperren und die Isolierung von Infizierten in speziellen Einrichtungen umfasst. Die Bilder, die uns derzeit aus China erreichen zeigen, dass dies in einer radikalen Form für Europa wohl nicht zur Debatte steht.
Der europäische Weg wird ein anderer sein und es ist zu hoffen, dass im Falle des Falles die allgemeinen Kontakteinschränkungen in viel stärkerem Maße auf Testverfahren, wirksamen, auch digitalen, Nachverfolgungsstrategien und ausreichenden Investitionen in die Gesundheit- und Schulinfrastruktur verbunden sein wird.