M&G: Dividendenrenditen sind höher sein als Renditen auf Staatsanleihen - eine Analyse

Die Dividendenrendite am US-amerikanischen Aktienmarkt liegt derzeit um 1% über der Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen, nachdem beide noch zu Jahresbeginn auf ungefähr demselben Niveau lagen. Die meisten Investoren haben dies in ihrem Leben wahrscheinlich noch nicht erlebt. Seit Mitte der 1950er Jahren waren die US-amerikanischen Dividendenrenditen fast ausnahmslos niedriger als die Anleihenrenditen.

26.07.2016 | 16:17 Uhr

Die Dividendenrendite am US-amerikanischen Aktienmarkt liegt derzeit um 1% über der Rendite auf 10-jährige US-Staatsanleihen, nachdem beide noch zu Jahresbeginn auf ungefähr demselben Niveau lagen.*

Die meisten Investoren haben dies in ihrem Leben wahrscheinlich noch nicht erlebt. Seit Mitte der 1950er Jahren waren die US-amerikanischen Dividendenrenditen fast ausnahmslos niedriger als die Anleihenrenditen.

Dies war jedoch nicht immer der Fall. Wie die unten abgebildete Grafik zeigt, war eine höhere Dividendenrendite in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und für viele Jahre davor) der normale Stand der Dinge.

Warum ist dies wichtig? Die Schlüsselrolle des Investmentregimes

Für einen Investor, der sich lediglich der letzten 50 Jahre an den Märkten bewusst ist, wäre es eine Kurzschlussreaktion auf die heutzutage höhere Dividendenrendite anzunehmen, dass Aktien „billig“ und Anleihen „teuer“ seine oder beides.  Die einzigen Perioden, während denen die Dividendenrenditen in den letzten 50 Jahren höher waren, ist der Jahresanfang 2009 und gegen Mitte 2012. Beide Phasen, so stellte sich heraus, waren gute Einstiegszeitpunkte für Aktien.

Solcherart Daumenregeln sind jedoch gefährlich. Dies gilt insbesondere im Moment, denn im Gegensatz zu 2009 und 2012, als eine Aktienschwäche der Ausgangspunkt für höhere Dividendenrenditen war, sind es heute die Anleihenrenditen, welche den Ausschlag geben.

Die wichtigeren Fragen drehen sich um das Investmentregime: Was führte dazu, dass die Dividendenrenditen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und für viele Jahre davor) höher waren? Wieso hat sich die Situation umgekehrt? Sind wir jetzt an den Ausgangspunkt zurückgekehrt? Die Frage, ob Aktien oder Anleihen „billig“ oder „teuer“ sind, lässt sich ohne Berücksichtigung dieser Aspekte nicht vernünftig klären.

Die Wahrnehmung von Risiko

Gegen Ende des letzten Jahres haben wir über die kritische Bedeutung des Investmentregimes geschrieben und Themen wie Bewertungen und Risiko diskutiert. Die uns damals gestellten Fragen sind ähnlich der aktuellen Fragestellungen.

Im Jahr 1997, als die Technologieblase zu greifen begann, schrieb Peter Bernstein einen exzellenten Text über die Natur der Langfristigkeit, welche die Bedeutung des Investmentregimes betrifft. Er erklärt hier, warum Anleihenrenditen für den größten Teil der Geschichte auf einem niedrigeren Niveau lagen wie Dividendenrenditen:

„Bis 1950 waren die meisten konservativen Investoren überzeugt, dass Anleihen überlegene Assets und mit Sicherheit weniger risikoreich waren. 150 Jahre Geschichte unterstützten diese Ansicht…Gegenwärtig befinden wir uns an einem Punkt, da 50 Jahre Geschichte die Auffassung unterstützen, dass Aktien die überlegenen Assets sind und, langfristig, die weniger risikoreichen Vermögenswerte.“

Was hat sich also geändert? Wie Bernstein nahelegt, basiert die enorme Veränderung in der Wahrnehmung von Risiko auf Erfahrung. Laut der Barclays Equity Gilt Study beliefen sich die realen Erträge durch US-amerikanische Staatsanleihen (Fälligkeit von ca. 20 Jahren) zwischen 1950 und 1981 annualisiert auf -2%. Für britische Staatsanleihen war das Ergebnis mit -3% sogar noch schlechter. Diese Erfahrung wurde noch dadurch verstärkt, dass die meisten extremen Verluste mit der Inflation der 1970er Jahre assoziiert wurden. Dies erklärt denn auch, warum die frühen 1980er Jahre eine Periode repräsentieren, während der Aktien relativ zu Anleihen als am wenigsten riskant angesehen wurden.

Seitdem, da Anleihen herausragende Erträge lieferten, haben wir eine stetige Umkehr in der Wahrnehmung von Risiko gesehen. Ausgangspunkt waren hohe Zinsen und ein rückläufiger Inflationsdruck, wodurch sich außerdem die Korrelationsdynamik zwischen Anleihen und Aktien verändert hat.

Wir haben uns an Anleihen in Portfolios gewöhnt. Sie bieten Sicherheit, wenn Aktien schwächeln. Anleihen werden nun an sich nicht nur als weniger risikoreich angesehen, sondern dienen ebenfalls als Versicherungspolice in Kombination mit anderen Vermögenswerten.

Der Blick voraus

Bewertungssignale sind immer an ihr Umfeld angebunden. Eine Dividendenrendite, die größer ist, als die Anleihenrendite, sollte nicht als das grelle Kaufsignal gesehen werden, das es vielleicht in vergangenen Jahrzehnten gewesen ist. Wir können nicht sagen, dass eine Rendite immer höher sein sollte als eine andere.

Damit soll allerdings auch nicht gesagt sein, dass das Signal ignoriert werden kann. Zinseszinseffekte deuten darauf hin, dass Aktien und Unternehmensanleihen heutzutage so bewertet sind, dass sie zwar mit Blick auf ihre Volatilität auch weiterhin risikoreicher sind, sie aber auch die Chance auf potenziell höhere Erträge bieten. Dies trifft heutzutage auf die meisten globalen Märkte zu.

Überdies scheint der Übergang vom Regime der 1970er Jahre abgeschlossen: Die Marktängste in Bezug auf Inflation sind gedämpft und die Zinsen auf historischen Tiefpunkten.

Es deutet sich an, dass es deutlich weniger wahrscheinlich ist, dass sich Staatsanleihen so verhalten werden, wie sie dies über die letzten 30 Jahre getan haben. In jüngster Zeit haben wir bereits einige Phasen beobachten können, während denen sich die Korrelationsmuster zwischen Aktien und Anleihen verlagert haben.

Man mag daher versucht sein zu sagen, dass die Welt gegenwärtig mehr wie die erste als die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts aussieht und wir von nun an höhere Dividendenrenditen erwarten sollten.

Es würde allerdings riskant sein, die historische Analogie überzubewerten. Die aktuellen Nominalzinsen sind bereits niedriger als damals und es würde eines weiteren Zinsrückgangs bedürfen, soll etwas anderes als enttäuschende Erträge aus den oftmals negativen oder sehr niedrigen Renditen auf Staatsanleihen erwirtschaftet werden. Die Dividendenrenditen mögen über den Anleihenrenditen bleiben, doch scheint es unwahrscheinlich, dass wir eine Outperformance von Staatsanleihen sehen werden, die für lange Perioden vor den 1950er Jahren typisch war.

Die Realität ist, dass der Blick auf die Geschichte Aufschlüsse über die Gegenwart gibt, niemals aber eine genaue Anleitung für den Umgang mit aktuellen Problemen liefert.

*Der Einfachheit halber zeigen die Charts hier Nominalrenditen vs. Dividendenrenditen, die laut den Erwartungen einigermaßen mit der Inflation mithalten sollten. Dies überbetont den Abstand in den 1960er und 1970er Jahren, annulliert jedoch nicht die allgemeine Beobachtung, insbesondere mit Blick auf das heutige, von einer niedrigen Inflation geprägte Umfeld.

 

Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei um Archivinformationen handelt. Sie sind nicht als aktuelle Ansichten oder Einschätzungen, sondern nur als historische Angaben zu verstehen.

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