Metzler AM: Weltwirtschaft hat Talsohle durchschritten
Global sind die Indikatoren für Auftragseingänge gestiegen, die Indikatoren für Lagerbestände hingegen gesunken. Das könne ein Indiz für eine Erholung der Wirtschaft sein, so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management.15.11.2019 | 15:05 Uhr
Die Kurserholung der US-Halbleiteraktien untermauere diese Annahme. Zudem reflektiert Walk die Idee, Zinszahlungen von Staatsanleihen aus Schwellenländern an den Konjunkturzyklus zu koppeln. Das Beispiel Argentiniens zeige allerdings, wie eine an sich gute Idee an nicht durchdachten Details scheitern kann.
Laut
dem globalen Einkaufsmanagerindex, berechnet von JP Morgan, sank der
Indikator der globalen Produktion seit Januar 2018 kontinuierlich von
55,5 bis auf einen Tiefstand im Juli von 49,4. Seitdem erholte er sich
wieder moderat bis auf 50,3 im Oktober. Gleichzeitig stieg der Indikator
der Auftragseingänge in den beiden vergangenen Monaten jeweils bis auf
50,0 im Oktober, und der Indikator der Lagerbestände der Unternehmen
sank im Oktober auf nur noch 48,1. Oft war die Differenz zwischen
Auftragseingängen und Lagerbeständen in der Vergangenheit ein
zuverlässiger Frühindikator für die Entwicklung der Produktion. Die
merkliche Verbesserung der Differenz im Oktober spricht somit dafür,
dass sich die Erholung der globalen Produktion im November fortgesetzt
haben dürfte.
Erste Anzeichen einer Trendwende der Konjunktur:
Verhältnis von Auftragseingängen zu Lagerbeständen hat sich verbessert
Quellen: JP Morgan, Markit, Metzler; Stand: 1.10.2019
Wir
erwarten daher, dass die Einkaufsmanagerindizes aus den USA, der
Eurozone und Japan (Freitag) im November steigen werden. So ist auch die
merkliche Kurserholung der US-Halbleiteraktien in den vergangenen
Wochen ein Anzeichen dafür, dass sich die US-Konjunktur in den kommenden
Monaten wieder beleben dürfte. Die Korrelation zwischen
Halbleiteraktien und dem US-Einkaufsmanagerindex (ISM) war in der
Vergangenheit nämlich überraschend hoch, wobei die Halbleiteraktien
sogar oft frühzeitig Wendepunkte der Konjunktur signalisierten.
Kurserholung der zyklischen US-Halbleiteraktien spricht für steigenden ISM-Index in den kommenden Monaten:
ISM-Index und Philadelphia-Semiconductor-Index in % ggü. Vj.
* Stand: 15.10.2019
** Stand: 14.11.2019
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler
Eine
Erholung der globalen Industrie würde damit gerade noch rechtzeitig
kommen, um weitere negative Ansteckungseffekte auf den
Dienstleistungssektor zu vermeiden. Insgesamt scheinen das gesunkene
Risiko eines harten Brexit und die Entspannung im globalen
Handelskonflikt in Kombination mit einer Lockerung der Geldpolitik einen
ausreichend positiven Impuls für die Wirtschaft gesetzt zu haben, zumal
die US-Geldpolitik schon jetzt mit ihren Leitzinssenkungen den
Wohnimmobilienmarkt erkennbar unter Strom gesetzt hat: NAHB-Index
(Montag) sowie Baubeginne und -genehmigungen (jeweils Dienstag).
Die Realität ist oft komplexer als die Theorie
Vor
einigen Jahren fand die Idee großen Zuspruch, dass Schwellenländer
Staatsanleihen emittieren, deren Zinszahlungen an den Konjunkturzyklus
gebunden sind. Damit ging die Hoffnung einher, dass Schwellenländer das
Risiko von Staatspleiten in Zukunft reduzieren können, da in einer
Rezession die Zinszahlungen merklich fallen oder sogar gänzlich
ausgesetzt würden.
Einen
ähnlichen Weg ging Argentinien, als es 2001 seine Staatsschulden
restrukturieren musste. Den geschädigten Gläubigern wurde der erlittene
Schuldenschnitt mit Warrants versüßt, die nur dann einen Zins auszahlen,
wenn das Wirtschaftswachstum auf über 3 % steigt. Die Idee war, dass
Argentinien in guten Zeiten die Altgläubiger für ihren erlittenen
wirtschaftlichen Schaden zumindest etwas entschädigt. Das Problem dabei
ist nur: Die Daten zum Wirtschaftswachstum berechnet die argentinische
Statistikbehörde – und hat damit einen Anreiz, das Wirtschaftswachstum
klein zu rechnen. So gibt es derzeit ein Gerichtsverfahren in London,
das sich mit der Frage beschäftigt, ob die Revision der
Berechnungsgrundlagen des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2013 statistisch
berechtigt ist oder nur das Ziel hatte, Zinszahlungen von 384 Mio. EUR
zu vermeiden.
So
zeigt sich einmal mehr, dass eine an sich sinnvolle Idee an der
Realität scheitern kann, wenn nicht genau auf die Details geachtet wird.
So hätten die Zinszahlungen an den Weltmarktpreis der wichtigsten
Rohstoff-Exportgüter Argentiniens gekoppelt werden müssen.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management