Metzler: China kämpft mit strukturellen Problemen

Die derzeit einsetzende Konjunkturerholung in China könnte 2017 für mehr Inflation und eine Straffung der Geldpolitik sorgen. Eine Immobilienpreisblase und die hohe Verschuldung von Unternehmen bleiben als Risikofaktoren.

14.10.2016 | 15:21 Uhr

EZB wartet noch ab

Die EZB (Donnerstag) steht vor schwierigen Entscheidungen: Wie muss das Wertpapierkaufprogramm angepasst werden, damit die Bundesanleihen nicht knapp werden, und in welcher Form soll es nach März 2017 weitergeführt werden? Wahrscheinlich wird die EZB am Donnerstag noch einmal abwarten und auf die Sitzung im Dezember verweisen, zumal im Dezember die neuen volkswirtschaftlichen Prognosen veröffentlicht werden. Grundsätzlich scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen gestoßen ist und zunehmend dem Finanz- und Versicherungssektor schadet. Vor diesem Hintergrund erscheint eine monatliche Verringerung des Kaufvolumens ab April 2017 sinnvoll. Der Nachteil wäre jedoch, dass in diesem Falle die Kurse von Anleihen aus der europäischen Peripherie unter Druck kommen könnten, da die EZB als größter Käufer auf Sicht ausfallen würde. Wahrscheinlich wird die EZB daher mit Blick auf die europäische Peripherie das Wertpapierkaufprogramm in seiner gegenwärtigen Form bis September 2017 verlängern.

Brexit-Turbulenzen

Die erhebliche Schwäche des britischen Pfunds in den vergangenen Wochen dürfte für steigende Inflationsraten und für einen realen Einkommensverlust bei den privaten Haushalten sorgen. Wahrscheinlich ist dies jedoch noch nicht in den Inflationsdaten und den Konsumdaten (beide Dienstag) im September sichtbar. Auch bleibt es eine spannende Frage, ob die privaten Haushalte den realen Einkommensverlust durch höhere Löhne (Mittwoch) werden ausgleichen können.

Gute US-Wirtschaftsdaten

Die US-Wirtschaft scheint nach einem sehr schwachen ersten Halbjahr langsam wieder auf die Füße zu kommen. Der Wohnimmobilienmarkt war bisher mit einem stabilen Aufwärtstrend eine wichtige Stütze des Wachstums, was sich vermutlich fortgesetzt hat: Das dürften NAHB-Index (Dienstag), Neubaubeginne und -genehmigungen (Mittwoch) sowie Umsätze bestehender Immobilen (Donnerstag) zeigen. Daneben dürfte auch die Industrie langsam wieder zu einer weiteren Wachstumsstütze werden: Industrieproduktion, Empire Index (beide Montag) und Philadelphia Fed Index (Donnerstag). Für eine Leitzinserhöhung der Fed im Dezember spricht neben der einsetzenden Belebung der Wirtschaft ein voraussichtlicher Anstieg der Inflation auf 1,6 % im September und der Kerninflation (beides Dienstag) auf 2,4 %.

China im Fokus

Die antizyklischen Maßnahmen der chinesischen Regierung haben die Konjunktur in den vergangenen Monaten erfolgreich  stabilisiert, was ein Einpendeln des Wirtschaftswachstums zwischen 6,0 % und 7,0 % seit Jahresanfang ermöglicht haben sollte (Mittwoch; BIP in Q3). Der Umfang der beschlossenen Maßnahmen spricht dafür, dass China dieses Wachstumstempo bis Ende 2017 in etwa halten kann - zumal die chinesische Regierung sicherlich jegliche Wirtschaftsturbulenzen im Vorfeld des wichtigen Nationalkongresses der kommunistischen Partei im Herbst 2017 vermeiden möchte.

Die chinesische Regierung lockerte unter anderem zu Jahresanfang die gesetzlichen Anforderungen an den Kauf von Wohnimmobilien merklich - mit dem Ziel, die Gesamtwirtschaft zu stimulieren. Der darauf folgende Aufschwung am Wohnimmobilienmarkt dürfte selbst die chinesische Regierung überrascht haben. So dürften nach Schätzungen der Bank HSBC die Wohnfläche in China in diesem Jahr um etwa 4 % und die Wohnimmobilienpreise um etwa 18 % steigen. Multipliziert man die gesamte Wohnfläche mit dem durchschnittlichen Immobilienpreis, erhält man das Wohnimmobilienvermögen in China. Nach Schätzungen von HSBC wird das Verhältnis von Wohnimmobilienvermögen zu BIP gegen Ende des Jahres auf etwa das 3,7-Fache steigen und damit ein Niveau wie in Japan in den 1980er-Jahren erreichen.

Dieser Hintergrund spricht dafür, dass China unter einer Immobilienpreisblase leidet. Die spannende Frage ist nun, ob es zu einem großen Crash wie in den USA kommt, zu einer verlorenen Dekade wie in Japan oder später nur zu einer normalen Rezession wie in Hongkong. 

Ein großer Crash wie in den USA ist eher unwahrscheinlich, da die Immobilienpreisblase in den USA zu großen Teilen von Ausländern finanziert worden war (ablesbar am damaligen großen Leistungsbilanzdefizit). Sie zogen in der Krise ihre Gelder ab und beschleunigten damit den Abwärtsstrudel am Immobilienmarkt. China ist im Gegensatz dazu nicht von ausländischen Investoren abhängig und eher mit Japan vergleichbar. Japan konnte - aufgrund der Finanzierung der Immobilienpreisblase nur durch Inländer - die dadurch entstandenen notleidenden Kredite lange in den Bankbilanzen verstecken. Den Banken fehlten jedoch als eine Folge dessen die Mittel, um neues Wachstum zu finanzieren, und Japan durchlitt eine verlorene Dekade. In Hongkong blieb das Bankensystem von einem größeren Anstieg der notleidenden Kredite nach dem Kollaps der Immobilienpreise während der Asienkrise verschont, da die Kreditnehmer strenge Eigenkapitalvorschriften erfüllen mussten. Dementsprechend gab es "nur" einen negativen Vermögenseffekt als eine Folge fallender Immobilienpreise und einen einigermaßen normalen Konjunkturzyklus mit einem Wachstumseinbruch von -5,9 % im Jahr 1998 in der Asienkrise und mit einer schnellen Konjunkturerholung bis auf ein Wachstum von 7,7 % im Jahr 2000. 

In China sind die privaten Haushalte eher gering verschuldet, und die Eigenkapitalanforderungen an Hypothekenkredite sind eher hoch, sodass es einerseits viele Gemeinsamkeiten mit Hongkong gibt. Andererseits sind jedoch viele Bauunternehmen neben den hoch ineffizienten Staatsunternehmen stark verschuldet, was eine Gemeinsamkeit mit Japan ist.

Wahrscheinlich wird die derzeit einsetzende Konjunkturerholung in China 2017 für sukzessiv steigende Inflationsraten sorgen, was eine Straffung der Geldpolitik zur Folge haben dürfte. Darüber hinaus ergreift die chinesische Regierung zunehmend Maßnahmen, um die Dynamik am Wohnimmobilienmarkt zu bremsen. So erschwerte die Regionalregierung in Shanghai in dieser Woche den Zugang zu Krediten für Bauunternehmen erheblich. Eine restriktivere Geldpolitik in Kombinaten mit regulatorischen Maßnahmen könnte ab 2018 wieder zu fallenden Immobilienpreisen führen. In diesem Falle wäre es wichtig, dass die chinesische Regierung den Konkurs zahlreicher Bauunternehmen zulässt und die Banken zu schnellen Abschreibungen der dadurch entstandenen notleidenden Kredite zwingt, sodass "nur" eine konjunkturelle Schwächephase eintritt und China nicht mit einer verlorenen Dekade zu kämpfen hat.

Immerhin scheint die chinesische Regierung langsam Fortschritte beim Abbau der Überkapazitäten in den traditionellen Industriesektoren zu erzielen. Im September verzeichneten die Erzeugerpreise den ersten Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat seit Januar 2012. Geringere Überkapazitäten bedeuten eine steigende Preissetzungskraft.

Die komplette Marktanalyse von Edgar Walk als PDF-Dokument.

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