Metzler: EZB könnte Einlagesatz noch 2017 anheben

Die Inflation in der Eurozone erreicht allmählich wieder "normale" Steigerungsraten, und die Konjunkturperspektiven sind positiv. Vor diesem Hintergrund erwartet Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, dass die EZB ihren Einlagesatz schrittweise noch in diesem Jahr anhebt.

24.03.2017 | 14:50 Uhr

Rückgang der Deflationsrisiken eröffnet Handlungsspielraum

Es wird kaum angezweifelt, dass eine expansive Ausrichtung der Geldpolitik für die Wirtschaft der Eurozone derzeit angemessen ist. Die Frage ist nur, ob die unkonventionellen Krisenmaßnahmen wie Negativzinsen und Anleihekäufe vor dem Hintergrund merklich gesunkener Deflationsrisiken überhaupt noch notwendig sind. Eine Antwort auf diese Frage wird erstens die Kreditvergabe (Montag) geben – ist sie wieder auf einen stabilen Wachstumspfad zurückgekehrt? Und zweitens: Wie stark wird die Inflation (Freitag) aufgrund von Basiseffekte in den kommenden Monaten fallen? Die Mehrheit der Volkswirte erwartet eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,7 % in diesem Jahr; selbst die niedrigste Prognose liegt laut Bloomberg-Umfrage mit 1,3 % immer noch deutlich über 1,0 %. Das Inflationsumfeld lässt sich damit wieder als einigermaßen normal bezeichnen, zumal die Geschäftsklimaindizes zuletzt eine hohe Bereitschaft der Unternehmen zu Preiserhöhungen signalisierten – und damit Risiken für Inflationsüberraschungen. Ein gutes Beispiel dafür ist der merkliche Anstieg des Subindikators des ifo-Index (Montag) zu den geplanten Preisänderungen deutscher Unternehmen in den vergangenen Monaten. Sicherlich sind auch die guten Konjunkturperspektiven und das Wirtschaftsvertrauen der EU-Kommission (Donnerstag) ein weiterer Grund für die EZB, die unkonventionellen Krisenmaßnahmen langsam zu beenden.

In der Wirtschaftsgeschichte gab es noch nie negative Zinsen, während die Zentralbanken schon seit ihren Anfängen Anleihen im Rahmen von Offenmarktgeschäften handeln. Negative Zinsen zu erheben ist somit eine deutlich unkonventionellere Maßnahme als der Kauf von Anleihen. Die EZB dürfte daher zuerst den negativen Einlagesatz anheben – wir rechnen noch in diesem Jahr mit einer Erhöhung von -0,4 % auf -0,2 % oder sogar auf 0,0 %. Ein langsames Beenden des Anleihekaufprogramms erwarten wir erst fürs nächste Jahr.

USA im normalen zyklischen Aufschwung

Die Schwäche der Investitionsausgaben in den vergangenen Jahren war ein Grund zur Besorgnis, da der Aufschwung hauptsächlich auf den Konsumausgaben basierte. Eine Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zeigte in diesem Zusammenhang kürzlich, dass rein konsumbasierte Aufschwünge nicht nachhaltig sind und sich das Wachstum in der Folge merklich verlangsamt. Die Vertreter der These der „säkularen Stagnation“ sahen vor allem die US-Wirtschaft, aber auch die Weltwirtschaft insgesamt in einer Liquiditätsfalle und empfahlen daher noch niedrigere Zinsen und Fiskalprogramme, um die Investitionsausgaben zu stimulieren. Im Gegensatz dazu sahen die Vertreter der „Österreichischen Schule“ die Investitionsschwäche als Folge der hohen Verschuldung und verkrusteter Strukturen. Nur höhere Zinsen, das Zulassen von Konkursen sowie Strukturreformen könnten demnach den Strukturwandel wieder in Gang bringen und für einen nachhaltigen Investitionsaufschwung sorgen. Ohne Lösungen für die grundsätzlichen Strukturprobleme der Weltwirtschaft zu finden, würde jeder Stimulus verpuffen – so wie in Japan in den vergangenen Jahrzehnten.

Die nunmehr einsetzende Erholung der Investitionsausgaben und -absichten in den USA spricht jedoch dafür, dass sich die US-Wirtschaft wieder in einem normalen Konjunkturzyklus befindet. Die immer noch expansiv ausgerichtete US-Geldpolitik sowie die Erwartung steigender Fiskaldefizite dürfte demnach die US-Wirtschaft wirksam stimulieren und für anhaltend gute Wirtschaftsdaten sorgen. In der kommenden Woche werden folgende Konjunkturdaten veröffentlicht: Konsumentenvertrauen (Dienstag und Freitag), Hausverkäufe (Mittwoch) und Konsumausgaben (Freitag).

Ein Grund für die plötzliche Verbesserung der Stimmung in den Unternehmen und die gestiegenen Investitionsabsichten könnte die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sein – mit den Versprechen, die Steuern zu reformieren, den Markt zu deregulieren und die Infrastrukturausgaben zu erhöhen. Dabei ist es für die Unternehmen aufgrund der Langfristigkeit der Investitionen nicht entscheidend, wann die angekündigten Schritte umgesetzt werden, sondern ob überhaupt. Sollte die Gesundheitsreform scheitern, könnte dies das Vertrauen in weitere Maßnahmen erschüttern und den Konjunkturaufschwung in Gefahr bringen. Es ist bisher jedoch nur ein Risikoszenario, da der Investitionsaufschwung die Weltwirtschaft erreicht hat und offenbar eine positive Eigendynamik auf globaler Ebene entstanden ist.

Japan wieder im Aufwind

Die japanische Wirtschaft scheint sich wieder gefangen zu haben, wie gute Arbeitsmarktdaten (Freitag) und eine gestiegene Industrieproduktion (Freitag) zeigen dürften. Interessant wird sein, ob der Aufschwung auch allmählich die Preisentwicklung in Japan beeinflusst. 

Der komplette Marktkommentar als PDF-Dokument.

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