Metzler: Kündigt EZB-Präsident Draghi neue geldpolitische Maßnahmen an?

Die EZB ist offenbar besorgt, dass der Aufschwung in der Eurozone aufgrund der Wachstumsschwächen in den Schwellenländern an Dynamik verliert, und bringt daher die Möglichkeit neuer geldpolitischer Stimuli ins Spiel - so Edgar Walk, Chefvolkswirt des Metzler Asset Management, in seinem Kapitalmarktausblick.

19.10.2015 | 08:59 Uhr

Die Finanzmarktturbulenzen im Sommer und die sich abzeichnende Wachstumsschwäche der Schwellenländer sorgten zuletzt für Sorgen bei den Mitgliedern des EZB-Rates. So besteht die Angst, dass der Aufschwung in der Eurozone schon wieder an Dynamik verlieren und die Inflation anhaltend niedrig bleiben könnte. Damit würden sich die langfristigen Inflationserwartungen immer weiter vom Inflationsziel der EZB von 2 % entfernen. Sinkende langfristige Inflationserwartungen wirken bei negativen Inflationsschocks wie ein Trendverstärker. 

Eurozone: Aufschwung dürfte nicht ernsthaft gefährdet sein 

Die Daten der Realwirtschaft haben sich zwar zuletzt etwas abgeschwächt, saisonale Effekte könnten dabei jedoch eine große Rolle gespielt haben, sodass erst die Daten im September Aufschluss über den tatsächlichen Wachstumstrend geben werden. Darüber hinaus geben das Konsumentenvertrauen (Donnerstag) sowie die Einkaufsmanagerindizes (Freitag) im Oktober Aufschluss darüber, inwieweit die Finanzmarktturbulenzen und die Wachstumsschwäche der Schwellenländer die Wachstumsdynamik der Eurozone belastet haben. Insgesamt spricht vieles dafür, dass die Konjunkturindikatoren zwar leicht gefallen sein dürften, der Aufschwung in der Eurozone jedoch nicht ernstlich in Gefahr ist. Es ist daher nicht ganz verständlich, warum die EZB (Donnerstag) schon jetzt die Möglichkeit eines neuen Stimulus ins Spiel gebracht und damit entsprechende Erwartungen bei den Finanzmarktteilnehmern geweckt hat. Es erscheint kaum möglich, dass die EZB in der aktuellen Verfassung der Finanzmärkte die Erwartungen am Finanzmarkt enttäuschen kann. Dementsprechend dürfte EZB-Präsident Draghi auf der Pressekonferenz die Phantasie der Finanzmarktteilnehmer beflügeln, dass die Zentralbank im Dezember weitere geldpolitische Schritte beschließen könnte. Im Fokus der Diskussion unter den Finanzmarktteilnehmern stehen eine Leitzinssenkung, eine Erweiterung des Wertpapierkaufprogramms sowie eine Verlängerung des Programms.   

USA: Wachstumsverlangsamung 

Derzeit signalisieren die Konjunkturdaten eine Wachstumsverlangsamung in den USA auf nur noch 1,0 % im dritten Quartal. Dazu trugen vermutlich die Lagerbestände mit einem negativen Beitrag von etwa -1,7 % maßgeblich bei. Auch im vierten Quartal könnte eine Wachstumsbelebung zunächst noch ausbleiben, wie gestern das niedrige Niveau des Philadelphia-Fed-Index zeigte. 

Der Philadelphia-Fed-Index ist zwar nur ein regionaler Geschäftsklimaindex der Industrie, erfahrungsgemäß zeigt er jedoch die Wachstumsdynamik der gesamten US-Wirtschaft frühzeitig und zuverlässig an. Demnach könnte sich das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten weiter leicht abschwächen. Von Rezessionsniveaus ist der Index allerdings weit entfernt – im Oktober verbesserte er sich sogar leicht gegenüber dem Vormonat. Auch die dem Konjunkturzyklus vorauslaufenden Indikatoren zum Wohnimmobilienmarkt wie der NAHB-Index (Montag), die Neubaubeginne (Dienstag) und -genehmigungen (Dienstag) sowie die Umsätze bestehender Wohnimmobilien (Donnerstag) dürften zeigen, dass der US-Aufschwung intakt ist. Demnach dürfte es sich nur um eine temporäre Wachstumsverlangsamung aufgrund des starken US-Dollars und der Wachstumsschwäche der Schwellenländer handeln. Die derzeit nachlassende Wachstumsdynamik sowie die große Unsicherheit über den weiteren Wachstumsverlauf erschweren es der Fed ungemein, den richtigen Zeitpunkt für eine Leitzinserhöhung zu finden. Sollte der Aufschwung in den USA nicht ernsthaft in Gefahr sein, wäre zweifellos eine Leitzinserhöhung im Dezember angebracht. Derzeit erwarten jedoch nur etwa 30 % der Finanzmarktteilnehmer einen Schritt im Dezember 2015 und nur etwa 54 % im März 2016.       

China: Nachlassende Wachstumsängste 

Waren noch in den Sommermonaten die Ängste vor einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft das beherrschende Thema, so hat diese Befürchtung zuletzt anscheinend deutlich nachgelassen. Der Grund hierfür dürften die stabilen Konjunkturdaten sein sowie ein wieder gestiegenes Vertrauen in die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen der Regierung. Trotz alledem befindet sich die chinesische Wirtschaft in einer Phase einer nachlassenden Wachstumsdynamik, wie die Einzelhandelsumsätze (Montag), die Industrieproduktion (Montag) und ein Wirtschaftswachstum im dritten Quartal von unter 7 % zeigen dürften. Erst ab dem ersten Quartal 2016 könnte sich das Wachstum der chinesischen Wirtschaft stabilisieren, da bis dahin die wirtschaftspolitischen Maßnahmen greifen dürften und auch eine Erholung  am Wohnimmobilienmarkt zu erwarten ist. So ist es sehr ermutigend, dass die Wohnimmobilienverkäufe seit einigen Monaten wieder ein leichtes Wachstum verzeichnen. Erfahrungsgemäß beginnt eine Erholung am Wohnimmobilienmarkt mit der Nachfrage, die dann die Immobilienpreise beeinflusst, welche wiederum auf den Wohnungsbau einwirken. 

Der vollständige Beitrag als pdf-Dokument

Diesen Beitrag teilen: