Metzler: Zeit zum Handeln

Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, nimmt den deutschen Immobilienmarkt unter die Lupe. Nach seiner Einschätzung könnte eine bevorstehende Preisblase bei Wohnimmobilien die Stabilität Deutschlands gefährden.

03.05.2016 | 15:27 Uhr

Vor der Finanzmarktkrise herrschte ein starker Konsensus in der Volkswirtschaftslehre, dass Preisblasen an den Finanzmärkten aufgrund der Rationalität der Finanzmarktteilnehmer nicht entstehen können. Hier hat seitdem ein Umdenken stattgefunden – auch wenn es weiterhin als schwierig erachtet wird, Preisblasen in Echtzeit zu identifizieren. Eine rühmliche Ausnahme davon bildete die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die schon lange vor dem Platzen der Spekulationsblase am US-Immobilienmarkt vor den Risiken einer großen Finanzmarktkrise gewarnt hatte. Nach den Erkenntnissen der BIZ ist nicht die Höhe von Verschuldung oder Immobilienpreisen an sich ein Risikofaktor, sondern die Abweichung beider Größen vom langfristigen Trend. So entsteht immer nur dann ein Warnsignal, wenn Kredite und Immobilienpreise in kurzer Zeit stark steigen. 


In Deutschland haben nach den Berechnungen der BIZ die inflationsbereinigten Immobilienpreise zuletzt die kritische Schwelle gerissen und befinden sich nunmehr 10 % über dem langfristigen Trend, was nach Lesart der BIZ den Beginn einer Immobilienpreisblase signalisiert. Glücklicherweise geht der Immobilienpreisanstieg in Deutschland bisher nicht mit einer stark wachsenden Kreditvergabe einher. Jedoch gibt es schon jetzt erste bedenkliche Entwicklungen in Deutschland wie Hypothekenfinanzierungen von 110 % des Kaufpreises. Ähnliche Finanzierungsmodelle gab es schon im Vorfeld der Subprime-Krise in den USA, in denen sich im Kern eine Spekulation der Geschäftsbanken auf permanent steigende Immobilienpreise widerspiegelte. 

Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass starke Argumente für ein regulatorisches Eingreifen in den Immobilienmarkt sprechen. Leider gibt es nicht sehr viele Beispiele für Länder, die einen exzessiven Preisanstieg am Immobilienmarkt gut gemanagt haben. Dazu zählt sicherlich Hongkong, wie Julia Leung eindrucksvoll beschreibt Julia Leung (2015): The Tides of Capital – die lange Zeit verantwortlich war für die Finanzmarktstabilität der ehemaligen britischen Kronkolonie. 

Nach einem langanhaltenden Immobilienpreisboom bis zur Asienkrise 1997 verkraftete Hongkong den anschließenden deutlichen Rückgang der Immobilienpreise um 66 % zwischen 1997 und 2003, ohne einen makroökonomischen Schaden davonzutragen. Die Ausfallrate für Hypothekenkredite stieg beispielsweise in der Spitze nur bis auf 1,4 %. Der Grund dafür waren regulatorische Eingriffe ins Bankensystem – vor allem das frühzeitige Festlegen eines Eigenkapitalminimums für Hypothekenkredite von zunächst 30 %, später sogar von bis zu 50 %. 

Zwischen 2009 und 2013 stiegen die Immobilienpreise in Hongkong erneut um etwa 90 %, in Singapur um etwa 40 %. Beide Länder verschärften die Eigenkapitalvorschriften für Hypothekenkredite, und Ende 2010 führten sie Transaktionssteuern ein. In Hongkong wurde der Steuersatz je nach Kreditnehmer sogar auf 10–20 % festgesetzt. In der Folge verlangsamte sich der Preisanstieg am Immobilienmarkt, und das Bankensystem scheint nun in beiden Ländern gut für wieder fallende Immobilienpreise gerüstet zu sein. Laut Leung sorgen die Eigenkapitalvorschriften für Hypothekenkredite für ein stabileres Bankensystem, während die Transaktionssteuer den Preisanstieg dämpft.

Es gibt starke theoretische Argumente für ein regulatorisches Eingreifen, weil von jedem vergebenen Hypothekenkredit der externe Effekt ausgeht, dass durch den dadurch verursachten Immobilienpreisanstieg alle anderen Banken ein geringeres Risiko für ihre ausstehenden Hypothekenkredite sehen und daher die Bereitschaft für die Vergabe von neuen Hypothekenkrediten steigt. Im Endeffekt kann es dabei zu einem Marktversagen kommen. 

Sicherlich ist der deutsche Immobilienmarkt nicht mit dem von Hongkong vergleichbar, aber die Erfahrungen Hongkongs zeigen, dass ein regulatorisches Eingreifen durchaus erfolgreich sein kann. Natürlich besteht immer das Risiko, dass sich eine Warnung vor einer Immo¬bilienpreisblase in Deutschland im Nachhinein als Fehldiagnose herausstellt – aber selbst in diesem Fall würden die vorgeschlagenen regulatorischen Eingriffe sehr wahrscheinlich nur wenig Wirtschaftswachstum kosten. Die Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose ist jedoch gering, da die Geldpolitik der Europäischen Zen-tralbank (EZB) speziell für Deutschland viel zu locker ist und auf absehbare Zeit bleiben wird. 


Außerhalb einer Rezession sollte der Leitzins in etwa dem nominalen Wachstumstrend entsprechen, was einen derzeit angemessenen Leitzins von etwa 3 % für Deutschland bedeuten würde. Eine temporäre Transaktionssteuer könnte hier ansetzen und nach der ersten Leitzinserhöhung der EZB wieder abgeschafft werden. Sie ließe sich dabei als eine Zusatzsteuer zur Grunderwerbsteuer in Höhe von 5–10 % des Kaufpreises konzipieren.  

Insgesamt spricht also vieles dafür, die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen in Deutschland davon zu überzeugen, so bald wie möglich regulatorisch einzugreifen und damit das Risiko für eine Preisblase am deutschen Immobilienmarkt deutlich zu senken! 

Den vollständigen Bericht lesen Sie hier.

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