NN IP: Griechische Tragödie nimmt ihren Lauf
Da die Euro-Gruppe Griechenlands Bitte um eine Verlängerung des gegenwärtigen Hilfsprogramms abgelehnt hat, werden die Mittel nach dem 30. Juni nicht mehr zur Verfügung stehen. Griechenland wird die anstehende Rate an den IWF daher wohl nicht zahlen können.30.06.2015 | 13:16 Uhr
Eine weitere ebenso unerwartete wie dramatische Wende. Die Vertreter der griechischen Regierung brachen Freitagnacht die Verhandlungen mit der Euro-Gruppe ab und kündigten am 25. Juni an, am 5. Juli per Volksentscheid über den Vorschlag von EU, EZB und IWF (die „Institutionen“ bzw. „Gläubiger“) entscheiden zu lassen. Die Euro-Gruppe nahm ihrerseits die Tatsache, dass die griechische Regierung öffentlich ein negatives Votum, also die Ablehnung des Vorschlags, befürwortet, zum Anlass, ihren Vorschlag zurückzuziehen. Zugleich wies die Gruppe darauf hin, dass das zweite Hilfsprogramm am 30. Juni abläuft. Der Vorschlag der Syriza-geführten Regierung, ein Referendum abzuhalten, wurde vom griechischen Parlament mit einer klaren Mehrheit von 178 Stimmen (von 300) angenommen.
Dennoch hielt man sowohl auf europäischer als auch auf IWF-Ebene die Tür offen, um ggf. am Wochenende die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem betonte, bei dem Vorschlagsentwurf handele es sich nicht um ein endgültiges Angebot. Interessanterweise gab die Europäische Kommission einen Zehn-Punkte-Plan heraus, der ihr letztes Verhandlungsangebot darstellt. Darin enthalten sind auch einige der am 25. Juni in letzter Minute von der griechischen Regierung vorgelegten Vorschläge. Damit sind zwei Dinge klar:
Erstens fiel die Entscheidung für ein Referendum bereits, bevor die Verhandlungen zwischen den Institutionen und Griechenland in Brüssel Freitagnacht abgebrochen wurden. Anscheinend wurden sogar die griechischen Unterhändler von dieser Nachricht überrascht, die einige von ihnen erst über Twitter erfuhren. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch eine reelle Aussicht auf einen Deal. Es scheint, dass Ministerpräsident Tsipras‘ Entscheidung, die Verhandlungen abzubrechen und stattdessen ein Referendum zu verlangen, vor allem innenpolitisch motiviert war. Seiner Partei Syriza drohte nämlich eine Spaltung über die Zugeständnisse, die seine Regierung bereits gegenüber den Gläubigern eingegangen war. Zweitens haben die Institutionen zwar offiziell ihr Angebot zurückgezogen, doch haben sie auch begonnen, den griechischen Wählern eindringlich vor Augen zu führen, dass ein „Ja“ im ureigenen Interesse Griechenlands sei. Das spricht dafür, dass die Institutionen gewillt sind, die Verhandlungen fortzuführen, ob mit der gegenwärtigen Regierung oder einer neuen Führung, falls das Referendum am Sonntag mit einem Ja-Votum ausgeht. Andererseits ist unklar, wie die Gläubiger im Falle einer Mehrheit für das „Nein“-Lager verfahren werden.
Formal kann es bis zu einem Monat dauern, bis der IWF den Zahlungsausfall feststellt und ein Land als säumiger Schuldner gilt. In diesem Fall wird der IWF aber wohl nicht so lange warten. Das Timing einer solchen Feststellung hängt vom IWF-Exekutivdirektorium ab und hat insofern eine wichtige politische Dimension. Dabei wird das IWF-Exekutivdirektorium unter Umständen das anstehende Referendum und seine Konsequenzen für die Reaktion der EZB auf eine solche Feststellung berücksichtigen.