ODDO BHF AM: Market Flash - Ist jetzt die Zeit zu kaufen?

Eine Rezession ist unvermeidlich, aber die Politik tut alles, um den Schaden zu begrenzen.

17.03.2020 | 15:58 Uhr

Die weltweiten Wirtschaftsaussichten haben sich in den letzten Wochen deutlich eingetrübt. Auch wenn sich das Coronavirus in China mittlerweile langsamer ausbreitet, ist die wirtschaftliche Aktivität dort noch stärker eingebrochen als erwartet (Einkaufsmanagerindex bei 35,7). Zudem ist das Virus nun auch außerhalb Chinas auf dem Vormarsch. Dies gilt insbesondere für Teile Asiens sowie für Europa und hier vor allem für Norditalien. Auch die USA dürften nicht verschont bleiben.

Zwar waren bei den Konjunkturindikatoren zuletzt Zeichen für eine Erholung zu erkennen. Allerdings war die Lage angesichts der Unsicherheit bezüglich der Handelsbeziehungen und des schwächelnden verarbeitenden Sektor nur schwer einschätzen. Vor diesem Hintergrund dürften Störungen in den Lieferketten unweigerlich die Wachstumsaussichten beeinträchtigen.

Die Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich in den vergangenen Tagen dramatisch verändert. Ausschlaggebend dafür ist die Ankündigung einer vollständigen oder teilweisen Quarantäne der Bevölkerung durch die Regierungen Europas und der Vereinigten Staaten. Möglicherweise werden die Maßnahmen in den kom-menden Tagen noch weiter verschärft. Reiseverbote, Schul- und Betriebsschließungen sollen soziale Distanz schaffen – die einzige Möglichkeit, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die unmittelbare Folge ist ein erheblicher Rückgang des Arbeitsvolumens und der Arbeitsproduktivität, mit anderen Worten eine Rezession.

Während die Maßnahmen andauern, werden die wirtschaftlichen Kosten steigen; aber die Gesundheit hat natürlich Vorrang vor wirtschaftlichen Zielen.
Unter den gegenwärtigen Umständen ist jede Prognose der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ein „work in progress“, das mit Blick auf die Märkte und die Entscheidungen der Politik ständig angepasst werden muss.

Einige Dinge können als selbstverständlich gelten. Ers-tens handelt es sich um eine globale Krise und nicht um eine lokale, wie bei anderen Ausbrüchen der ver-gangenen Zeit (SARS, Ebola). Zweitens wird diese Krise die Globalisierung zumindest vorübergehend aufheben. Weltweite Wertschöpfungsketten und der Reiseverkehr sind gestört, die globale Fabrik China musste für mehrere Wochen ihre Tore schließen.

Kaskadeneffekte erfassen ein Land nach dem anderen. Schließlich sollten wir nicht von einem gewöhnlichen Wirtschafts- oder Finanzschock sprechen, sondern von einem „schwarzen Schwan“ – also von einem nahezu unvorhersehbaren Ereignis mit weitreichenden Folgen. Und da Menschenleben auf dem Spiel stehen, hat diese Krise ein hohes Potenzial für Panik, Paranoia und Überreaktionen.

Was wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, ist die Dauer der wirtschaftlichen Zäsur. Soziale Distanzierung kann die Epidemie eindämmen, aber erst nach einigen Wochen. China hat diese Maßnahmen Ende Januar ergriffen, Europa erst Mitte März. Sicherlich, die Rückkehr zum normalen Leben wird von einer starken Erholung der Wirtschaftstätigkeit begleitet werden, aber niemand kann das genaue Datum nennen. Im besten Fall wird das nicht vor dem späten Frühjahr sein.

Drei Arten von Informationen können die Stimmung der Anleger kurzfristig beeinflussen.

Erstens: Nachrichten, die sich auf die Epidemie selbst beziehen. Die Experten sind sich einig, dass der Höhepunkt der Krise noch lange nicht erreicht ist. Kurzfristig werden sich die Schlagzeilen auf den Anstieg der Zahl der Infizierten und die Todesfälle konzentrieren; kurz gesagt, auf schlechte Nachrichten, die die Panik verstärken können.

Zweitens: Daten über die Realwirtschaft. Das Geschäftsklima und die Vertrauensindizes der Haushalte verschlechtern sich gegenwärtig. Da sich ganze Länder in Quarantäne befinden, besteht die Gefahr, dass Konkurse und Arbeitslosigkeit zunehmen. Die kommenden Monate werden für eine Reihe unschöner
Daten sorgen. Eine Rezession zu erwarten, ist das eine, ihr Ausmaß und ihre Dauer zu messen, etwas ganz anderes.

Drittens: die wirtschaftspolitische Reaktion. In diesem Punkt kann man von den jüngsten Entscheidungen der Zentralbanken und Finanzbehörden nur beeindruckt
sein. Sowohl die Fed als auch die EZB haben deutlich gemacht, dass sie bereit sind, uneingeschränkt zu intervenieren, um das ordnungsgemäße Funktionieren
der Kapitalmärkte und des Bankensektors zu gewährleisten.

Ein durchschlagender Bankrott wie den von Lehman Brothers im September 2008 soll nicht zugelassen werden. Dieses Mal beobachten wir massive Liquiditätsspritzen,
eine Zunahme der Käufe von Vermögenswerten und eine Lockerung der Vorschriften für Banken. Insgesamt ist der Bankensektor besser kapitalisiert und besser beaufsichtigt als 2008. Die Finanzbehörden sind bereit, die Kosten für die wirtschaftlichen Störungen mit Kreditgarantien, einem Moratorium für Steuern etc. zu decken. Im Notfall gibt es keine Begrenzung der öffentlichen Defizite. Sowohl die
deutsche Bundeskanzlerin als auch der französische Präsident haben sich in diesem Punkt sehr klar ausgedrückt.

In dem Maße, wie die EZB extrem niedrige Zinssätze anbietet, wird die Refinanzierung der Staatsschulden selbst in bereits hoch verschuldeten Ländern kein Problem darstellen. Die Reaktion der Politik ist entschieden und konsequent, um die Panik
an den Märkten zu stoppen. Alles in allem wird der wirtschaftliche Schock sicherlich
schwerwiegend sein, aber es gibt immer noch gute Gründe für die Annahme, dass er vorübergehend sein wird. Unserer Ansicht nach ist die gegenwärtige Situation
keine Wiederholung der Krise von 2008.

Bruno Cavalier, Chief Economist ODDO BHF

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