ODDO BHF CIO View: Notenbanken – „Don’t fight the Fed“

Explodierende Inflationsraten haben die Notenbanken der großen Industrieländer in diesem Jahr zu einem scharfen Kurswechsel gezwungen.

13.12.2022 | 12:52 Uhr

Im Jahresverlauf addieren sich die Zinserhöhungen in den USA bisher auf 375 Basispunkte, im Euroraum auf 200 Basispunkte.1 Wenn sich die Notenbanker beider Zentralbanken Mitte der nächsten Woche zu ihren letzten Treffen des Jahres zusammenfinden, werden sie ein weiteres Mal an der Zinsschraube drehen.2 Der US-Leitzins wird in der nächsten Woche aller Voraussicht nach um 50 Basispunkte nach oben geschleust. Das Zielband würde damit 4,25 bis 4,50% erreichen, das Tempo der Erhöhungen nach vier 75bp-Schritten erstmals vermindert. Die EZB gibt sich hinsichtlich der Schrittgröße noch etwas bedeckt, scheint das Tempo der Zinserhöhungen aber ebenfalls auf 50bp drosseln zu wollen.3 Damit würde der Einlagensatz der EZB zum Jahresende bei 2,00%, der Hauptrefinanzierungssatz bei 2,50% stehen. Langsamere Zinserhöhungen bedeuten jedoch nicht, dass der Zinserhöhungszyklus bereits zu Ende ist. Beide Notenbanken betonen derzeit, dass die aktuelle Inflationsentwicklung und das wirtschaftliche Umfeld keine Entwarnung geben.

Die Inflationsraten in den USA scheinen ihren Höhepunkt im Sommer überschritten zu haben. Und auch die Inflationsrate für den Euroraum war im November erstmals seit Mitte 2021 rückläufig. Die Inflation wird stark von der Energiepreisentwicklung geprägt. Schaut man auf die aktuellen Großhandelspreise und die Terminmärkte, dann spricht einiges dafür, dass die Energiepreisentwicklung im Jahr 2023 deutlich weniger preistreibend ausfallen wird als 2022. Dennoch werden die tatsächlichen Inflationsraten auch in 2023 weit über den Zielvorstellungen der Notenbanken liegen. Wir erwarten für Deutschland beispielsweise eine Inflationsrate von über 7% im nächsten Jahr. Dies ist immer noch 3,5x so hoch wie die Zielmarke der EZB in Höhe von 2%.

Der Deflator der persönlichen Konsumausgaben ohne Energie und Nahrungsmittel („Kernrate“) bewegt sich in den USA seit Ende letzten Jahres um 5% und zeigt bislang keine Neigung nach unten.4 In einem Vortrag von Ende November weist Fed-Chef Jerome Powell explizit darauf hin, dass vor allem in den Kernbereichen „Wohnen“ und „andere Dienstleistungen“ bestenfalls Ansätze einer Beruhigung zu erkennen sind.5 Die Lohnentwicklung beispielsweise, die die Preisentwicklung bei den Dienstleistungen prägt, entwickelt sich im Jahresverlauf 2022 ungebrochen dynamisch. Zudem entwickelten sich die preisbereinigten Konsumausgaben in den USA recht robust. Und der ISM-Index zeigt für das nicht-verarbeitende Gewerbe eine Expansion an. Passend dazu stellt Powell in seiner Rede Ende November fest: „Trotz einiger vielversprechender Entwicklungen haben wir bis zur Wiederherstellung der Preisstabilität noch einen langen Weg zu gehen.“6

Den ausführlichen „ODDO BHF CIO View: Notenbanken – „Don’t fight the Fed“ finden Sie hier als PDF.


1 100 Basispunkte (bp) entsprechen 1 Prozentpunkt, 1bp entspricht 1/100 Prozentpunkt.
2 Federal Open Market Committee (FOMC) am 13./14.12.2022, Monetary Policy Council der EZB am 15.12.2022
3 Europäische Zentralbank, Interview von Philip Lane mit Milano Finanza, 6. Dezember 2022; “The point I am making is that when we take future interest rate decisions, including in December, we should take into account the scale of what we have already done. So the basis for the decision will be different.“ “The higher starting point is one dimension of the debate, but of course in terms of the wider debate we will have to look at the overall outlook.”
4 Die Fed bevorzugt den Deflator der persönlichen Konsumausgaben (PCE-Deflator) gegenüber dem gängigeren und früher verfügbaren Verbraucherpreisindex; auch das Inflationsziel ist für den PCE-Deflator formuliert; die Deflator-basierte Inflationsrate ist normalerweise wenige Zehntel niedriger als die entsprechende CPI-basierte Rate.
5 Federal Reserve Board, Speech by Chair Powell on Inflation and the labor market, 30 November 2022
6 ebenda, eigene Übersetzung. „Despite some promising developments, we have a long way to go in restoring price stability.”

Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF SE wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.

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