Pictet AM: Erneuerbares Erdgas - Aus Abfall wird CO2-arme Energie
Biogas wurde einst von den Assyrern genutzt, heute ist es eine zukunftsfähige CO2-arme Lösung, die eine Reihe von ökologischen und finanziellen Vorteilen mit sich bringen könnte.14.11.2024 | 07:05 Uhr
Brennbare Gase aus verrottenden organischen Stoffen wie Tierdung,
Klärschlamm und Speiseresten sind eine reichhaltige Quelle erneuerbarer Energie, die sich die Menschen seit Jahrhunderten zunutze machen. Schon 900 v. Chr. nutzten die Assyrer Biogas zur Beheizung ihrer Bäder.
Diese uralte Form eines CO2-armen Brennstoffs hat sich zu einer zukunftsfähigen Lösung entwickelt, die die globale Erwärmung wirksam bremsen kann. Die als erneuerbares Erdgas (Renewable Natural Gas, RNG) bezeichnete Innovation kann dazu beitragen, die weltweiten Treibhausgasemissionen – nicht nur Kohlendioxid, sondern auch das noch klimaschädlichere Methan – zu reduzieren, und bringt verschiedene ökologische und finanzielle Vorteile mit sich.
Die methanreduzierende RNG-Technologie fristete jahrzehntelang ein Schattendasein, erlebt nun aber eine Renaissance. Auf dem COP-Klimagipfel, der diesen Monat in Aserbaidschan stattfindet, wird RNG zum ersten Mal denselben Stellenwert einnehmen wie die bekannteren Formen erneuerbarer Energie wie Wind-, Solar- und Wasserkraft.
Nach dem Vorbild eines Kuhmagens
Die Methode der Biogaserzeugung ist seit Jahrhunderten gleich. Dabei handelt es sich um eine anaerobe Vergärung, ein Prozess, bei dem Bakterien organisches Material ohne Sauerstoff abbauen und dabei Biogas freisetzen – ähnlich wie Kühe Gras verdauen.
Biogas besteht hauptsächlich aus Methan und Kohlendioxid und liefert Wärme, Strom und Kraftstoff. Doch erst wenn das Kohlendioxid entzogen ist, wird daraus ein echter alternativer Kraftstoff. Dieses Biomethan oder RNG ist von Erdgas nicht zu unterscheiden und kann daher in jedem Erdgasnetz oder gasbetriebenen Fahrzeug verwendet werden.
Biogas und RNG – von den Vereinten Nationen als „Win-Win-Win-Win-Win-Technologie“ bezeichnet – haben das Potenzial, viele Ziele auf einmal zu erreichen:
Erzeugung erneuerbarer Energie: Biogas hat das Potenzial, bis zu 14.000 Terawattstunden Energie zu erzeugen. Das reicht aus, um etwa 6–9% des weltweiten Primärenergieverbrauchs zu decken bzw. fast ein Drittel des weltweiten Kohleverbrauchs zu ersetzen. Wenn es als Stromquelle genutzt wird, hat es das Potenzial, 16–22% des weltweiten Stromverbrauchs zu decken. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat ergeben, dass New York City, die grösste Stadt der USA, bis zu 27% des von ihr eingekauften fossilen Erdgases durch RNG ersetzen könnte, was mehr als genug wäre, um den gesamten städtischen Fuhrpark der schweren Nutzfahrzeuge zu betreiben.
Abfallwirtschaft und Reduzierung der Methanemissionen: Die RNG-Technologie bindet Methan, ein Treibhausgas, das 28-mal mehr Wärme speichert als CO2 und das sonst in die Atmosphäre entweichen würde. Es kann zur Dekarbonisierung von Branchen beitragen, deren Emissionen nur schwer zu eliminieren sind, wie etwa in der Landwirtschaft oder im Schwerlastverkehr. In RNG-Anlagen werden auch Lebensmittel-, Landwirtschafts- und Deponieabfälle verarbeitet, was zu einer effizienteren Abfallwirtschaft beiträgt.
Nährstoffrückgewinnung und ähnliche Aspekte: Der Rückstand der anaeroben Vergärung – ein nährstoffreicher Schlamm aus abgestorbenen Mikroorganismen, der sogenannte Gärrückstand – ist ein wertvoller Dünger, der die Bodengesundheit verbessern kann. RNG trägt auch zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung und zur Verbesserung der Luft- und Wasserqualität bei.
Finanzielle und wirtschaftliche Vorteile: RNG ist eine langfristige Umsatzquelle für Abfallwirtschaftsunternehmen, weil Methan und andere Abfälle monetarisiert und in einen wertvollen Rohstoff umgewandelt werden. Das verbessert nicht nur ihre Finanzlage, sondern steht auch im Einklang mit nachhaltigen Geschäftspraktiken.