Postbank: Euro wird unter Dollar-Parität fallen
Titel der Publikation: | Deutsche Wirtschaft wächst dank Euroabwertung um 0,5 Prozent |
Veröffentlichung: | 04/2015 |
Autor: | Marco Bargel |
Auftraggeber: | Postbank (Website) |
Dank der Euro-Abwertung konnte die deutsche Wirtschaft leicht wachsen. Und der Fall der Gemeinschaftswährung dürfte aufgrund unterschiedlicher Zentralbankpolitik noch einige Zeit weiter gehen.
23.04.2015 | 12:19 Uhr
Im Mai 2014 zeichnete sich erstmals eine geldpolitische Lockerung durch die europäische Zentralbank (EZB) ab. Seitdem wertet der Euro gegenüber allen anderen wichtigen Währungen ab: Gegenüber dem US-Dollar war der Rückgang mit 20 Prozent am stärksten, gefolgt vom Schweizer Franken mit 14 Prozent, dem britischen Pfund mit zehn Prozent und dem japanischen Yen mit acht Prozent. „Seit Mai 2014 gab der Euro im Vergleich zu den Währungen der 18 wichtigsten Handelspartner im Durchschnitt um gut zehn Prozent nach“, weiß Marco Bargel, Chefinvestmentstratege der Postbank. „Getrieben wurde der Wertverfall der Gemeinschaftswährung durch eine Reihe von Maßnahmen der EZB.“ Etwa die Lockerung des Leitzinses auf nunmehr 0,05 Prozent oder die erstmals in den negativen Bereich gesenkte Einlagenfaszilität, so Bargel.
EZB forciert die Euro-Abwertung
„Auch wenn der Wechselkurs kein unmittelbares geldpolitisches Ziel darstellt, so dürfte die EZB bei ihren Maßnahmen doch die Abwertung des Euro im Blick gehabt haben“, ist Bargel überzeugt. „Denn ein schwächerer Euro sorgt für inflationäre Tendenzen, da sich die in Euro errechneten Preise für importierte Güter und Rohstoffe erhöhen.“ Dies dürfte ganz im Sinne der EZB sein, die seit geraumer Zeit Deflationsgefahren sieht. „Gemäß einer Schätzung auf Basis historischer Relationen führt eine Abwertung des Euro um zehn Prozent zu einem Anstieg der EWU-Inflationsrate um 0,5 Prozentpunkte“, erläutert der Postbank-Stratege. „In Deutschland ist der Anstieg der Inflationsrate infolge einer zehnprozentigen Abwertung des Euro mit 0,3 Prozentpunkten etwas niedriger.“
Starke Abwertung des Euro seit Mai 2014
Neben den inflatorischen Wirkungen gingen von einer Euroabwertung vor allem auch wachstumsfördernde Effekte aus. Denn aufgrund des gesunkenen Wechselkurses würden Güter, die im Euroraum erzeugt werden, auf den Auslandsmärkten billiger. Dadurch steige die Nachfrage und damit auch die Exporte. „Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in einer arbeitsteiligen Wirtschaft eine Zunahme der Exporte meist auch höhere Importe in Form von Vorleistungen und Rohstoffen nach sich zieht“, gibt Bargel zu bedenken. Je höher der Anteil der zur Herstellung der Exporte benötigten importierten Vorleistungen ist, desto geringer sei der Wachstumseffekt einer Währungsabwertung, da sich der Außenbeitrag dann weniger stark verbessere. „Deutschland befindet sich mit einem Anteil von 27 Prozent im Mittelfeld der EWU-Länder. In Frankreich, Italien und Spanien liegt der Anteil etwas niedriger, so dass der Wachstumseffekt einer Abwertung tendenziell etwas höher ausfällt.“
Exporte profitieren von billigem Euro
Dabei profitierten jedoch nicht alle Staaten in gleichem Maße von der Währungsabwertung, da die Zusammensetzung der Exporte je nach Land unterschiedlich sei. „Die Nachfrage nach deutschen Exporten reagiert im Vergleich zur Nachfrage nach Exporten anderer EWU-Staaten durchschnittlich auf eine abwertungsbedingte Verbilligung“, erläutert Bargel. „Insbesondere der relativ hohe Anteil von Kapitalgütern sollte die Preissensitivität bei deutschen Exporten dämpfen.“ Dennoch sei auch im Fall der deutschen Ausfuhren mit einer signifikanten Reaktion auf die veränderten Euro-Wechselkurse zu rechnen. Der Postbanker erwartet durch die Abwertung des handelsgewichteten Euros seit Mai 2014 einen Anstieg der Exporte um insgesamt rund acht Prozent. „Dieser Effekt tritt allerdings nicht sofort ein, sondern kumuliert über mehrere Jahre.“
Prozentualer Anstieg deer Exporte bei Euro-Abwertung um 10%
Deutsche Wirtschaft wächst durch Euro-Abwertung um 0,5 Prozent
Unter Berücksichtigung der wechselkursbedingten Effekte auf den Außenhandel und dessen Bedeutung für die Volkswirtschaft sowie des Importanteils an den Exporten, lasse sich für einzelne Euro-Länder der aus einer Abwertung resultierende Wachstumseffekt für das BIP abschätzen. Dabei gelte grundsätzlich: Je stärker die Exporte auf eine Abwertung reagieren, je höher der jeweilige Anteil der Exporte am BIP ist und je weniger importierte Vorleistungen zur Herstellung der zusätzlichen Exporte benötigt werden, desto stärker wachse eine Volkswirtschaft, wenn ihre Währung abwertet. „Für Deutschland ist bei einer handelsgewichteten Abwertung des Euro um gut zehn Prozent ein Anstieg des BIP um rund 0,5 Prozent innerhalb eines Jahres zu erwarten“, rechnet Bargel vor. Dies gelte jedoch nur, solange die Abwertung auch Bestand habe. „Kommt es zwischenzeitlich zu einer Aufwertung des Euro, würde der Wachstumsimpuls dementsprechend kleiner ausfallen bzw. die Aufwertung das BIP-Wachstum per Saldo sogar dämpfen.“
Gemeinschaftswährung wird unter Dollar-Parität fallen
Der Experte betont, dass wechselkursbedingte Wachstumseffekte lediglich temporärer Natur seien und die Wachstumsimpulse nach etwa zwei bis drei Jahren ausliefen. Nur bei einer fortgesetzten Abwertung der Währung wäre mit immer wieder neuen Wachstumsimpulsen für Exporte und Gesamtwirtschaft zu rechnen. „Tatsächlich stehen unseres Erachtens die Chancen nicht schlecht, dass der Euro seinen Abwertungstrend in den kommenden Jahren noch fortsetzen könnte“, glaubt Bargel, und bezieht dies vor allem auf das Verhältnis zum US-Dollar. „Eine wichtige Determinante des Wechselkurses ist die jeweilige Ausrichtung der Geldpolitik und damit letztendlich die Zinslandschaft in den betroffenen Währungsräumen.“ Und hier dürfte die Divergenz zwischen USA und Europa weiter zunehmen. Denn während die EZB mit dem Ankauf von Staatsanleihen gerade erst begonnen hat, zeichne sich in den USA bereits eine Leitzinserhöhung ab. „Damit würde sich die Zinsdifferenz zugunsten des US-Dollars weiter ausdehnen und Abwärtsdruck auf den Euro erzeugen“, so Bargel. „Wir gehen daher davon aus, dass die Gemeinschaftswährung im Verlauf des kommenden Jahres unter die Parität zum US-Dollar fallen könnte.“ Er erwartet jedoch eine Verlangsamung des Abwärtstrends im Vergleich zur Periode zwischen Mai 2014 und März 2015. „Zudem rechnen wir nicht mehr mit einem substanziellen Wertverlust des Euro gegenüber anderen Währungen, so dass sich der handelsgewichtete Wechselkurs nur noch geringfügig reduzieren sollte“, fügt der Postbank-Experte an. „Damit dürften auch die von einer Abwertung des Euro ausgehenden zusätzlichen Wachstumseffekte allmählich abnehmen.“