RBC BlueBay AM: "Ein Aufweichen der 'Schwarzen Null' ist wahrscheinlich"
Deutschland könnte künftig stärkere fiskalische Impulse setzen, meint Mark Dowding, Fixed Income CIO bei RBC BlueBay Asset Management. Derweil sind die Marktteilnehmer noch dabei, sich nach der US-Wahl neu zu sortieren.15.11.2024 | 12:05 Uhr
Hier sein aktueller Marktkommentar:
„Die Renditen von Staatsanleihen sind in der vergangenen Woche in die Höhe geschossen. Die Marktteilnehmer stellen sich weiterhin darauf ein, was Donald Trump 2.0 für die US-Wirtschaft und die Welt insgesamt bedeutet. Seit seinem Wahlsieg in der vergangenen Woche hat der 47. Präsident der Vereinigten Staaten keine Zeit verschwendet und seine Kandidaten für die Schlüsselpositionen in seiner Regierung bekannt gegeben. Loyalität gegenüber seiner Agenda scheint dabei oberstes Gebot zu sein. Einige der unkonventionellen Personalentscheidungen haben sowohl im Inland als auch in Übersee für Aufsehen gesorgt.
Dennoch ist zu erwarten, dass alle bisher angekündigten Personalien vom Senat bestätigt werden, so dass Trumps Team nach der Amtseinführung im Januar vollständig einsatzbereit ist.
Die Ernennung von Elon Musk zum Leiter einer Behöre für Regierungseffizienz könnte in den kommenden Monaten ebenfalls weitreichende Auswirkungen haben. Der Tesla-CEO wird sicher einiges umkrempeln, um die Bürokratie zu bekämpfen und den ‚Sumpf trocken zu legen‘.
Betrachtet man die Marktbewegungen seit der Wahl, so sind die Erwartungen für Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im Jahr 2025 weiter zurückgegangen. In den Futures-Preisen sind nur noch Senkungen im Umfang von rund 50 Basispunkten enthalten. In Anbetracht der wachstumsfreundlichen Haltung und einiger Aufwärtsrisiken für die Inflation durch die Steuer-, Handels- und Einwanderungspolitik unter Trump erscheinen diese Bewegungen unserer Meinung nach logisch.
Wir gehen davon aus, dass sich die Renditen 2-jähriger US-Staatsanleihen nicht weit von 4,25 Prozent entfernen werden. Der künftige geldpolitische Pfad deutet weiterhin eher auf Zinssenkungen als auf Zinserhöhungen hin, da die Bargeldzinsen immer noch deutlich über dem geschätzten neutralen Zinssatz der Fed liegen.
Derweil sind wir etwas überrascht, dass die längerfristigen Renditen in den vergangenen Tagen nicht stärker unter Aufwärtsdruck geraten sind. Wir bleiben aber bei der Meinung, dass die Renditekurve im Laufe der Zeit deutlich steiler werden dürfte.
Die Devisenmärkte reagierten zunächst ebenfalls verhalten auf Trumps Wahlsieg. Schließlich nahm der US-Dollar aber Fahrt auf und erreichte gegenüber dem Euro den höchsten Stand seit Ende 2022. Die Parität ist nun nicht mehr weit entfernt. Da sich die Handelsrhetorik kaum abschwächen dürfte, könnte eine Kombination aus US-Zöllen und starkem Wachstum in den Vereinigten Staaten vorerst das dominierende Thema am Devisenmarkt bleiben.
Letztendlich bezweifeln wir, dass Trump zu Beginn seiner Amtszeit einen allgemeinen Zoll einführen wird. Aus unserer Sicht sind Zölle ein Druckmittel, mit dessen Hilfe er Deals aushandeln und Verhaltensänderungen bei Unternehmen und Staaten erreichen möchte.
In Deutschland sind für den 23. Februar nächsten Jahres Wahlen angesetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die CDU die stärkste Partei in der nächsten Koalitionsregierung sein wird, während die AfD bei der Wahl auf dem zweiten Platz landet und Oppositionspartei bleibt.
Wir haben untersucht, ob Deutschland seine Verpflichtung zu einem ausgeglichenen Haushalt im Rahmen der ‚Schwarzen Null‘ als Vorstufe zu höheren Fiskalausgaben im kommenden Jahr aufweichen könnte. Angesichts des Schocks von Trumps Amtsantritt und der Notwendigkeit, die Militärausgaben vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs zu erhöhen, ist ein Schritt in diese Richtung im Jahr 2025 wahrscheinlich. Wir bezweifeln jedoch, dass sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz vor der Wahl zu einer größeren Veränderung verpflichten wird.
Ein größerer fiskalpolitischer Vorstoß der Europäischen Union würde wahrscheinlich zu einer Versteilerung der europäischen Zinskurve führen und könnte einen Anstieg der längerfristigen Bundrenditen bewirken. Erwartungen in diese Richtung haben Bundesanleihen zuletzt bereits unter Druck gesetzt.
Wenn Berlin dagegen die Geldbörsen nicht öffnet, könnte sich die wirtschaftliche Schwäche verschärfen. Dies würde die Notwendigkeit für die Europäische Zentralbank (EZB) unterstreichen, die Geldpolitik in den kommenden Monaten aggressiver zu lockern. Kurzfristig halten wir eine Zinssenkung um 50 Basispunkte durch EZB-Chefin Christine Lagarde aber für unwahrscheinlich, zumal der Euro in den letzten Wochen deutlich schwächer geworden ist. Insgesamt bleibt die Erwartung steilerer Zinskurven sowohl in den USA als auch in der Eurozone auf dem Weg ins Jahr 2025 intakt.
In den nächsten Wochen wird es interessant sein, inwieweit die Märkte weiterhin von politischen Schlagzeilen bestimmt werden. Es scheint, als würden die Marktteilnehmer nach den US-Wahlen noch immer eine Neubewertung ihrer Einschätzungen für das kommende Jahr vornehmen.“
Den vollständigen Kommentar in englischer Sprache entnehmen Sie bitte dem Anhang.