RBC BlueBay AM: „Es ist sinnvoll, sich unabhängig vom Wahlergebnis zu positionieren"
Sein Portfolio auf einen bestimmten Wahlausgang ausrichten? Dazu hat Mark Dowding, Fixed Income CIO bei RBC BlueBay Asset Management, schon zu viele Überraschungen erlebt.01.11.2024 | 12:05 Uhr
Er erläutert, welche Entwicklungen er unabhängig von der Wahl in den USA erwartet, warum er pessimistisch auf Europa blickt und wie er die Lage in Japan bewertet.
Hier sein aktueller Marktkommentar:
„In der vergangenen Woche traten die globalen Märkte im Vorfeld der US-Wahlen am kommenden Dienstag auf der Stelle. Wir gehen eher von einem Sieg des republikanischen Kandidaten Donald Trump aus. Er und seine demokratische Konkurrentin Kamala Harris liegen in den Umfragen aber weiterhin eng beieinander.
Die Ungewissheit über den Ausgang der Wahl ist weiterhin groß. Wir haben schon einige Wahlüberraschungen erlebt. Daher ist es sinnvoll, sich unabhängig vom Ergebnis zu positionieren. Insofern haben wir einige Positionen geschlossen oder reduziert, die vom jüngsten Trump-Momentum profitiert hatten.
Wir rechnen aber nach wie vor mit einer sich tendenziell versteilernden US-Renditekurve, da wir unabhängig vom Wahlausgang von einer lockeren Fiskalpolitik ausgehen. Diese dürfte im Laufe der Zeit zu einer wesentlich höheren Laufzeitprämie führen. Auch eine Long-Position im US-Dollar gegenüber dem Euro und dem Pfund Sterling behalten wir bei. Wir gehen davon aus, dass die USA sowohl unter Harris als auch unter Trump weiterhin ein im Vergleich zu den europäischen Volkswirtschaften außergewöhnliches Wachstum erleben werden. Ein Sieg des Republikaners wäre unter der Annahme von höheren Zöllen gegenüber den Handelspartnern der Vereinigten Staaten sicherlich am vorteilhaftesten für die US-Währung.
Die US-Wirtschaftsdaten könnten in den nächsten Wochen etwas schwierig zu lesen sein. Eine Reihe von Veröffentlichungen wird durch die jüngsten Streiks und Hurrikane beeinträchtigt. Daraus könnte sich ein gewisses Abwärtsrisiko für den nächsten US-Arbeitsmarktbericht ergeben. Wir bezweifeln, dass dies ein zukunftsweisendes Signal wäre. Dennoch halten wir es nach wie vor für sehr wahrscheinlich, dass die US-Notenbank am kommenden Donnerstag die Zinsen auf 4,5 Prozent senken wird. Ein weiterer Schritt im Dezember bleibt ebenfalls wahrscheinlich.
In Europa lieferte Frankreich im dritten Quartal etwas bessere Wirtschaftsdaten – auch wenn diese teilweise auf einen Olympia-Effekt zurückzuführen sein könnten. Die Daten aus Spanien waren stark, die Wirtschaft verzeichnete in den vergangenen zwölf Monaten ein Wachstum von 3,4 Prozent.
In Deutschland und anderen nordeuropäischen Ländern ist die Lage jedoch nach wie vor sehr düster. In vielerlei Hinsicht typisch war die Ankündigung von Volkswagen in dieser Woche, drei Werke in Deutschland schließen zu wollen. Die deutsche Industrie ist aufgrund von Bürokratie und hohen Energiekosten nach wie vor nicht wettbewerbsfähig. Der Automobilkonzern verlangt von seinen Arbeitnehmern eine Lohnkürzung um 10 Prozent. Das steht in krassem Gegensatz zur Ankündigung der Gewerkschaft IG Metall, die eine Lohnerhöhung von 7 Prozent fordert.
Der Automobilsektor steht aufgrund struktureller Überkapazitäten im Zentrum des Sturms. Aus anderen energieintensiven Sektoren in Deutschland, wie der Chemie, kommen aber ebenfalls deprimierende Stimmen.
Die Aussichten in Südeuropa sind zwar zweifellos wesentlich besser. Die Perspektiven für die Europäische Union insgesamt sind aber nach wie vor schwach.
In Japan haben die Wahlen am vergangenen Wochenende für den neuen Premierminister Shigeru Ishiba und seine LDP-Koalitionsregierung ein miserables Ergebnis gebracht und zum Verlust ihrer Mehrheit geführt. Angesichts der gespaltenen Opposition halten wir es aber für wahrscheinlich, dass die LDP eine Minderheitsregierung anführen und Ishiba zumindest kurzfristig im Amt bleiben wird. Ein Wechsel an der Spitze der LDP scheint Anfang nächsten Jahres, vor den Oberhauswahlen im Sommer, recht wahrscheinlich.
Diese politischen Entwicklungen dürften jedoch weder für die japanische Wirtschaft noch für die Bank of Japan (BoJ) von allzu großer Bedeutung sein. Das Lohnwachstum bleibt positiv und wird strukturell durch einen Arbeitskräftemangel gestützt.
Wir gehen weiterhin davon aus, dass die BoJ die Zinssätze im Dezember oder Januar auf 0,50 Prozent anheben wird und in den darauf folgenden zwölf Monaten weitere 50 Basispunkte hinzukommen. Da die japanische Wirtschaft dynamischer ist als die Konjunktur in weiten Teilen der Eurozone, dürften sich die Zinsunterschiede zwischen den beiden Volkswirtschaften in den kommenden Monaten deutlich verringern. Da auch der Yen strukturell unterbewertet ist, könnten unserer Meinung nach Long-Positionen im Yen gegenüber dem Euro im Laufe des kommenden Jahres zu den interessantesten Devisengeschäften gehören.“
Den vollständigen Kommentar in englischer Sprache entnehmen Sie bitte dem Anhang.