RBC BlueBay AM: Warum die US-Wahl 2024 für den Anleihemarkt eine so wichtige Rolle spielt

Wie könnten sich die bevorstehenden US-Wahlen auf die Anleihemärkte auswirken? Andrzej Skiba, Leiter US-Fixed-Income bei RBC BlueBay Asset Management, teilt seine Einschätzung und erläutert, wie sich die Marktreaktion je nach Ausgang unterscheiden könnte.

09.10.2024 | 12:05 Uhr

Die wichtigsten Punkte:

  • Ein Sieg der demokratischen Kandidatin Kamala Harris dürfte festverzinslichen Wertpapieren zugutekommen, ein Sieg des republikanischen Bewerbers Donald Trump aufgrund des vermutlich steigenden Inflationsdrucks wohl eher nicht.
  • Ein Sieg von Trump wäre nicht unbedingt schlecht für alle Risikoanlagen. Obwohl er das Risiko einer Rezession in den USA erhöhen könnte, denken wir nicht, dass diese allzu stark ausfallen würde.
  • Wir gehen davon aus, dass das Geld weiter ins längere Ende der Zinskurve fließt, wenn Harris gewinnt, und dass es im Falle eines Sieges Trumps und möglicher Handelskriege aggressiv in Wertpapiere mit kurzer Laufzeit verlagert wird.

„Aktuell deuten die Umfragen in den ausschlaggebenden US-Bundesstaaten auf ein sehr enges Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump hin. Unserer Ansicht nach dürfte ein Sieg von Harris für festverzinsliche Anlagen günstig sein. Politische Kontinuität in Verbindung mit der geldpolitischen Lockerung der US-Notenbank und einer konjunkturellen Verlangsamung dürfte die Anleger dazu verleiten, sich weiter hinten in der Kurve zu engagieren. Das stützt die Aussichten für eine robuste Gesamtrendite im kommenden Jahr.

Wir gehen davon aus, dass im Fall einer Wiederwahl Trumps genau das gegenteilige Szenario eintreten wird. Wir erwarten, dass er sein Versprechen einlöst und eine Reihe von Zollerhöhungen durchsetzt. Dies könnte die Inflation stark anheizen. Unsere Analyse deutet darauf hin, dass die Gesamtinflation um bis zu ein Prozent steigen könnte, wenn Zölle in Höhe von zehn Prozent auf eine breite Palette von Waren und Handelspartnern eingeführt würden.

Ein solcher Inflationsschub wird die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wahrscheinlich daran hindern, die Zinsen im Jahr 2025 in nennenswertem Umfang zu senken. Ein langsameres Wachstum und eine höhere Inflation sind nicht gerade förderlich für eine Rallye bei festverzinslichen Wertpapieren. Wir rechnen damit, dass Hunderte von Milliarden an Vermögenswerten, die in Erwartung von Zinssenkungen bereits weiter hinten in der Kurve investiert worden sind, wieder in Barmittel und Anlagen mit kurzer Duration umgeschichtet werden – eine disruptive Entwicklung für die Anlageklasse.“

Im Folgenden gehen wir auf häufig gestellte Fragen ein, die wir als Reaktion auf unsere Einschätzung erhalten haben:

Wäre ein Sieg von Trump grundsätzlich schlecht für Risikoanlagen?

„Nicht unbedingt. Wir können uns leicht ein Szenario vorstellen, bei dem sich Aktienanleger auf die vermeintlichen Vorteile wie niedrigere Steuern, weniger Regulierung und mehr Fusionen und Übernahmen (M&A) konzentrieren. Auf diese Weise könnte es unmittelbar nach der Wahl zu einer breiten Rallye kommen. Wir weisen jedoch darauf hin, dass bei festverzinslichen Wertpapieren eine größere Veränderung der Inflationsaussichten in den USA letztendlich viel mehr Einfluss auf die künftigen Bewertungen und Kapitalströme haben würde.“

Könnten Trumps Zölle am Ende weniger als zehn Prozent betragen beziehungsweise weniger Waren und Länder betreffen?

„Das ist natürlich möglich. Die Erfahrungen aus der vorherigen Trump-Administration zeigen jedoch, dass Trump – ob es einem nun gefällt oder nicht – seine Vorschläge nur selten verwässert. Es war immer sinnvoller, „zwischen den Zeilen zu lesen“, als zu versuchen, seine Absichten in Frage zu stellen. Trump hat schon vor einiger Zeit Zölle in Höhe von zehn Prozent für die meisten Handelspartner ins Gespräch gebracht und thematisiert sie häufig in seinen Wahlkampfreden. Überdies ist er fest davon überzeugt, dass die Zölle Milliarden von Dollar in die US-Kassen spülen werden. Das verringert die Wahrscheinlichkeit eines kleineren Zollpakets. Auf einer Veranstaltung in Michigan sagte Trump: ‚Zölle sind die beste Sache, die je erfunden wurde.‘“

Sind wir sicher, dass die Inflation anziehen wird, wenn dies während des letzten Handelskriegs mit China so nicht der Fall war?

„Beim letzten Mal betrafen die Zölle eine relativ kleine Gruppe von Waren und nur einen Handelspartner. Diesmal erwarten wir einen viel größeren Warenkorb und wesentlich mehr Länder – sowohl Freunde als auch Feinde. Es ist schwer vorstellbar, dass eine breite Zolleskalation nicht zu Inflation führt. Viele Importeure haben ihre Bezugsquellen diversifiziert, um ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Diese Strategien aber wären in einer potenziellen neuen Handelskriegsära wenig hilfreich. Wir sehen kein Szenario, in dem die Zölle nicht an die US-Verbraucher weitergegeben werden. Unsere Modellrechnungen deuten darauf hin, dass ein Anstieg der Gesamtinflation um bis zu einem Prozent möglich ist.“

Erhöht ein Sieg Trumps das Risiko einer Rezession?

„Ja, aber wir glauben nicht, dass sich die USA auf eine tiefe Rezession einstellen müssten. Der US-Konsum ist nach wie vor in einer vergleichsweise guten Verfassung, ebenso wie die Bilanzen der Unternehmen. Die Zölle sind zwar nicht willkommen, werden aber durch niedrigere Steuern und einen geringeren bürokratischen Aufwand für Unternehmen etwas ausgeglichen.“

Wie werden Sie Ihre Anleiheportfolios in den beiden Szenarien positionieren?

„In einem Harris-Sieg-Szenario erwarten wir, dass das Geld weiter hinten in die Kurve fließt. Wir rechnen mit mehreren Zinssenkungen und versuchen, die Gesamtrendite durch eine Erhöhung der Duration in den Portfolios zu steigern. Unsere bevorzugten Strategien wären eine Ausrichtung auf steilere Renditekurven bei Staatsanleihen und ein Fokus auf Kompressions-Trades bei Unternehmensanleihen.

Im Falle eines Trump-Sieges würden wir eine aggressive Positionierung in Richtung von Wertpapieren mit kurzer Laufzeit anstreben und das Engagement in Vermögenswerten mit niedrigerem Rating und langer Laufzeit reduzieren, da sich die Märkte auf eine Stagflation einstellen würden und die Fed die Zinsen nicht senken könnte. Eine Konzentration auf höherwertige Vermögenswerte mit kürzerer Laufzeit könnte ausreichen, um Portfolios vor negativen Gesamtrenditen zu schützen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass wir negative Gesamtrenditen auf Benchmark-Ebene sehen werden. Letztendlich gehen wir davon aus, dass sich die Anleger wieder mit der Anlageklasse weiter hinten in der Kurve beschäftigen werden, aber dies könnte zu anderen Bewertungen geschehen als heute.“

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