RBC BlueBay: Die US-Notenbank ist bereit, einen Fehler zu akzeptieren
Eher zu lange zu restriktiv als zu früh zu locker – damit rechnet Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay, RBC BlueBay Asset Management, mit Blick auf die US-Geldpolitik. Feierlichkeiten hält er trotz der jüngst starken Marktentwicklung für verfrüht.01.12.2023 | 08:44 Uhr
Hier sein aktueller Marktkommentar:
„Im November verzeichnete der US-Aktienindex S&P 500 mit einer Rendite von 9 Prozent den siebtbesten Monat der vergangenen 100 Jahre. Auch die Renten-Benchmarks zeigten eine so starke Wertentwicklung wie in keinem anderen Monat in den vergangenen 15 Jahren. Ist der Festtagsjubel nicht vielleicht etwas verfrüht?
An den zugrunde liegenden Fundamentaldaten hat sich nicht so viel geändert, was solche extremen Ausschläge rechtfertigen würde. Sicherlich waren die Märkte Ende Oktober unter Druck geraten. Außerdem schlug US-Notenbankchef Jerome Powell auf dem Treffen des Offenmarktausschusses im Oktober einen eher zurückhaltenden Ton an und verwies auf die damalige Verschärfung der finanziellen Bedingungen. Diese wurde durch die seitherige Rallye an den Märkten jedoch vollständig rückgängig gemacht. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass er sich auf der bevorstehenden Dezembersitzung gegen eine allzu lockere Haltung stemmen wird – zumal die Kerninflation mit 4 Prozent nach wie vor doppelt so hoch ist wie der Zielwert der Zentralbank.
Nach unserem Verständnis würden es die US-Währungshüter für akzeptabel halten, einen Fehler zu begehen, indem sie die Zinsen zu lange auf einem zu hohen Niveau halten. Denn in diesem Fall bestünde die Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren und die Zinsen zu senken.
Als inakzeptabel gilt es hingegen, die Geldpolitik zu früh zu lockern. Denn die Wiederaufnahme eines geldpolitischen Straffungszyklus hätte weitaus schädlichere Folgen. Jerome Powell möchte nicht als der moderne Arthur Burns dastehen, der als Fed-Vorsitzender die Inflation ausufern ließ.
Diese Analyse führt uns zu dem Schluss, dass Zinssenkungen erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 wahrscheinlich sind.
Im Laufe des kommenden Monats wird die Marktliquidität abnehmen. Daher könnten die Renditen bis Ende Dezember wieder in Richtung ihrer jüngsten Höchststände steigen.
Da sich die Marktteilnehmer im vergangenen Monat risikofreudig zeigten, hat der US-Dollar zuletzt gegenüber allen anderen Währungen nachgegeben. Angesichts eines Euro/US-Dollar-Kurses von rund 1,10 sehen wir jedoch wenig Anlass für eine weitere Abwertung – zumal die US-Wirtschaft nach wie vor besser läuft als viele andere weltweit. In der Tat scheint der Ausverkauf des US-Dollars in den vergangenen Tagen bereits etwas an Schwung verloren zu haben.
In den kommenden Wochen gibt es für Anleger noch viel zu bedenken. Die Märkte versuchen, einen Wendepunkt im geldpolitischen Zyklus einzupreisen. Daher werden die Wirtschaftsdaten genau unter die Lupe genommen und Kommentare seitens der Zentralbanken endlos analysiert werden, um nach Hinweisen zu suchen.
Aktuell ziehen die Marktteilnehmer eine erste Zinssenkung der US-Notenbank im Mai/Juni 2024 in Betracht. Wir sind der Meinung, dass die Märkte derzeit anfälliger für Enttäuschungen sind, wenn die Wirtschaftsdaten relativ positiv bleiben oder die Tonalität der Fed nicht wesentlich von der bei früheren Sitzungen abweicht.
In diesem Fall stellen wir uns die Frage, ob die Märkte einen Teil der beeindruckenden Benchmark-Renditen vom November noch vor Jahresende wieder abgeben werden. In unseren Augen scheint das Fest ein wenig zu früh gekommen zu sein – auch wenn wir mit dieser Aussage nicht als Weihnachtsmuffel dastehen wollen.“