Robeco: Börsen-Kurssturz kein Vorzeichen für Rezession

Die jüngsten Börsenturbulenzen bedeuten nicht, dass die USA oder die Weltwirtschaft auf eine Rezession zusteuern würden, meint Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions.

16.09.2015 | 13:02 Uhr

Verglichen mit früheren Börsencrashs ist die Korrektur der Aktienkurse um 10% nichts Besonderes – vor allem wenn man bedenkt, dass sie durch eine Blase in China ausgelöst wurde und nicht wirtschaftsspezifisch ist, gibt Daalder zu bedenken. Deshalb ist sein Team inzwischen von einer neutralen Positionierung zu einer Übergewichtung von Aktien zurückgekehrt, um die günstigeren Aktienkurse zu nutzen. 

„Weil die Korrektur deutlich war, wurde von etlichen Beobachtern die Frage gestellt, ob diese nicht als Warnsignal aufzufassen ist, dass die US-Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert”, sagt Daalder. 

„Die Aktienmärkte eilen einer Rezession normalerweise um durchschnittlich drei Monate voraus. Weisen die Aktienkurse möglicherweise auf ein Ende der Expansion hin? Dass wir uns bereits im siebten Jahr der laufenden Expansion der US-Wirtschaft befinden, bedeutet nach dieser Lesart, dass die Wahrscheinlichkeit einer neuen Rezession zunimmt.” 

Drei Gründe, warum kein Anlass zur Panik bestehtDaalder sieht drei Gründe, warum diese Theorie nicht für die jüngsten Börsenturbulenzen gilt. Als erstes zitiert er eine berühmte Aussage von Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson. 

„Der konstatierte 1966, dass Aktien neun der vorangegangenen fünf Rezessionen vorhergesagt hatten”, erläutert Daalder. „Anders ausgedrückt: Die Börsen gehen im Vorfeld einer Rezession tatsächlich immer auf Talfahrt, aber nicht jede Börsenkorrektur ist der Auftakt zu einer Rezession. Die Annahme, dass jede Verkaufswelle bei Aktien auf eine bevorstehende Rezession hinweist, würde bedeuten, dass sich die US-Wirtschaft häufiger in als außerhalb einer Rezession befunden hat.” 

„Zweitens: Eine andere berühmte Aussage lautet, dass eine US-Expansion nie an ‚Altersschwäche stirbt’. Es muss irgendein Ungleichgewicht wie z. B. ein Übermaß an Investitionen, eine angespannte Arbeitsmarktlage oder eine Inflationszunahme vorliegen, das die US-Notenbank Fed zu Zinserhöhungen veranlasst und so eine Korrekturbewegung auslöst. Aktuell scheint weder ein derartiges großes Ungleichgewicht noch auf Seiten der Fed die Bereitschaft zu drastischen Maßnahmen vorhanden zu sein. 

„Drittens: Wenn wir uns den verlässlichsten Frühindikator für eine Rezession, nämlich die Neigung der US-Zinsstrukturkurve ansehen, gibt es ebenfalls keinen Grund, schon jetzt einen Konjunkturabschwung zu erwarten. Alles in allem ist das Gerede von einer Rezession in den USA zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sonderlich realistisch.” 

China niest, aber bekommt die Welt deshalb eine Erkältung?

Dem Kurssturz an den Börsen waren Sorgen über die chinesische Wirtschaft nach der überraschenden Abwertung des Yuan im August und die Befürchtung vorausgegangen, dass sich Chinas eindrucksvolles Wirtschaftswachstum verlangsamt – mit Folgewirkungen für den Rest der Welt. Für Daalder ist die große Frage, welche Auswirkungen die Wachstumsverlangsamung in China auf das Wachstum in den USA und Europa haben wird. Diese dürften sich in Grenzen halten. 

„Die Abwertung des Yuan bedeutet, dass China die Last der Wachstumsverlangsamung zum Teil der übrigen Welt aufbürdet. Die Abwertung um 3% ist aber weder schockierend noch übermäßig. Luxusgüter exportierende Unternehmen werden diese sicherlich zu spüren bekommen, was z. B. die Schwäche des DAX erklärt. Wer aber wirklich unter einer Wachstumsverlangsamung in China leiden wird, sind nicht die Industrieländer, sondern Rohstoffe exportierende Schwellenländer.” 

„Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Behörden in China tatenlos zusehen werden, wie das Wachstum schwindet. Chinas Regierung hat immer noch reichlich geld- und fiskalpolitischen Handlungsspielraum, um seine Wirtschaft anzukurbeln. Und sie wird eine deutliche Konjunkturabschwächung nicht hinnehmen. Das Land besitzt immer noch hohe Devisenreserven, auch wenn diese seit Jahresbeginn um 315 Mrd. US-Dollar abgeschmolzen wurden. Mit dem Schuldenüberhang kann China selbst fertig werden. Das Wachstum wird 2016 etwas niedriger ausfallen als in diesem Jahr. Eine ‚harte Landung’ halten wir aber für unwahrscheinlich.” 

Wohl kaum ein „schwarzer Montag”

Daalder hält den als „schwarzen Montag” bezeichneten Kurssturz vom 24. August für übertrieben – vor allem, wenn man diesen im historischen Kontext betrachtet: 
„Die Kurse sind also um 10% gefallen. Große Sache! Aktien sind von Haus aus volatil, und eine Korrektur um 10% ist nichts Außergewöhnliches. Je nachdem, wie man die Daten betrachtet, gibt es in den USA etwa alle zweieinhalb Jahre eine Korrektur um ca. 10%, wenn man die lange dauernden Abwärtsphasen in den Jahren 2000-2001 und 2008-2009 jeweils als ein Ereignis zählt.” 

„Außerhalb der USA sind solche Korrekturbewegungen sogar noch häufiger zu beobachten. Z. B. gab es bei europäischen Aktien davon in den letzten 12 Monaten drei. Die letzte Korrektur bei US-Aktien fand 2011 statt, sodass die jetzige sozusagen überfällig war. „Der Markt hatte mehrere negative Entwicklungen bewusst ignoriert, und das war nur der letzte Anstoß, der fehlte, um eine Verkaufswelle in Gang zu setzen.” 

Robeco Investment Solutions, Manager eines Multi-Asset-Portfolios, entschloss sich, den Kursverfall von Ende August zum Zukauf von Aktien zu nutzen. 
„Insgesamt halten wir die Börsenkorrektur in den Industrieländern für überzogen. Und deshalb haben wir damit begonnen, die Positionen, die wir zu Beginn des Sommers zurückgefahren hatten, wieder aufzustocken”, erklärt Daalder. 

„Die Volatilität wird wahrscheinlich noch eine ganze Weile hoch bleiben, und es ist sicher nicht so, dass Aktien wieder billig geworden wären. Aufgrund der jüngsten Entwicklung ist aber das Risiko-Rendite-Verhältnis von Aktien inzwischen wieder interessant geworden. Was Anleihen betrifft, bleiben wir zwar bei unserer neutralen Haltung, verändern aber unseren Basisfall, weil wir jetzt noch mehr mit steigenden Zinsen rechnen.”

Der vollständige Ausblick im pdf-Dokument

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