Robeco: Fünf wichtige Erkenntnisse über Aktien aus Schwellenländern

Die Schwellenländer gelten im Hinblick auf Aktienanlagen seit jeher als der Wilde Westen (oder Osten). In diesem Beitrag berichten zwei langjährig erfahrene Robeco-Portfoliomanager von fünf Lektionen, die sie in den letzten drei Jahrzehnten bei Anlagen in Schwellenländern gelernt haben.

17.06.2024 | 08:42 Uhr

Im Jahr 1994 legte Robeco seine Emerging Markets Equity-Strategie auf, um seine Expertise im Zeitalter der Globalisierung zu nutzen. Wir sind davon überzeugt, dass der Erfolg von einem konsistenten Investmentstil und einem stabilen Team abhängt: Portfoliomanager Wim-Hein Pals verwaltet die Strategie von Anfang an. Wim-Hein Pals wird gemeinsam mit einem weiteren Veteranen von Robeco, Multi-Asset-Portfoliomanager Arnout van Rijn, fünf Erkenntnisse aus diesen 30 turbulenten Jahren vermitteln.

Das Fremdwährungs-Exposure ist wichtig

Robeco engagierte sich in den Schwellenländern (Emerging Markets), um in schnell wachsende globale Volkswirtschaften zu investieren. Doch mussten wir schnell lernen, wie man einen passiven Ansatz durch taktisches Vorgehen und Weitsicht übertrifft. Als die Strategie 1994 aufgelegt wurde, befanden wir uns in der sogenannten „Tequila-Krise“. Damals machte Mexiko noch einen großen Teil des EM-Index aus, als der Peso abstürzte. Später in den 1990er Jahren sollte noch Schlimmeres folgen. 

Bevor man in einem Schwellenland investiert, muss man mit dem Währungsrisiko vertraut sein. Dafür war Thailand 1997 ein gutes Beispiel. Der Thailändische Baht wertete gegenüber dem US-Dollar von 25 auf 29 ab und wir beschlossen, die Absicherung zu beenden. Allerdings gab der Baht weiter nach, bis er schließlich 1998 seinen Tiefpunkt bei einem Stand von 50 erreichte. 

Bei der Positionierung ist es wichtig, sich des Risikos eines solchen Absturzes bewusst zu sein. Die Thailand-Krise hat uns gelehrt, einen häufigen Fehler bei Anlagen in Schwellenländern zu vermeiden: zu früh nach einer Krise in einen Markt neu einzusteigen oder wieder einzusteigen, um zu versuchen, noch vor einer Erholung dabei zu sein. Es ist wahrscheinlich besser, etwas zu lange zu warten und etwas von dem Aufwärtspotenzial zu verlieren, als zu früh zu sein und weitere 20 % zu verlieren. Das war definitiv eine Lektion, die wir gelernt haben. Dies prägt heute unseren Ansatz im Hinblick auf Länder wie der Türkei und Argentinien. Es ist wichtig, geduldig zu sein und eine Periode der Stabilität abzuwarten, um erst eine neutrale Position einzugehen, bevor man übergewichtet. Denn diese Krisen neigen dazu, die Preise von Assets länger zu belasten, als man denkt.

Aktives Management ist essentiell

Das konsequente Übertreffen der Benchmark war (und ist) in erster Linie eine Frage des aktiven Managements in Verbindung mit einem disziplinierten Investmentprozess. Die positive 30-jährige Erfolgsbilanz der Robeco Emerging Market Equity-Strategie gegenüber ihrer Benchmark basiert zum Großteil auf Positionen in Unternehmen, die wir während dieses Zeitraums gehalten haben. Samsung Electronics und TSMC sind zwei Unternehmen, die sich in diesem Zeitraum völlig verändert haben. Wir haben Samsung in den 1990er Jahren besucht, und damals war es ein ganz anderes Unternehmen. Aber schon damals beeindruckte es durch seine Technologiefokussierung. TSMC verfügte über eine visionäre Führung und sorgte für eine konsequente Umsetzung, die Vertrauen schafft – selbst in zyklischen Schwächeperioden oder bei verstärktem Wettbewerb.

Wir haben auch strukturelle Themen verfolgt, z.B. mittels einer Long-Position im Bereich Zyklischer Konsum in Kombination mit einer Untergewichtung des Bereichs Basiskonsum. Dies stellte eine stetige Position dar, aber die außergewöhnlichen Unternehmen stechen immer noch hervor. TSMC und Samsung stehen auch für eine wichtige Entwicklung: Als wir anfingen, gab es in den Schwellenländern praktisch noch keinen Technologiesektor. Früher dominierten die Bereiche Rohstoffe, Versorger und Banken, doch heute macht der Technologiesektor rund 25 % des MSCI EM Index aus. 

Für aktive Manager in den Schwellenländern war die globale Finanzkrise auch ein wichtiger Wendepunkt im Hinblick auf die Regionen- und Länderallokation. Dabei galt es, einen klaren Kopf zu behalten. Wie in den entwickelten Staaten kam es auch in den Schwellenländern Ende 2008 zu einem Kurseinbruch bei einigen zyklischen Unternehmen. Das Festhalten an unserem Investmentprozess und unserer Strategie war hier entscheidend. Die Trendwende kam erst im März 2009, als die Schwellenländer insgesamt eines ihrer besten Jahre überhaupt erlebten.

Die Volatilität ist (relativer) Stabilität gewichen

Die Börsen der Schwellenländer galten schon immer als volatiler als die der entwickelten Staaten – aber das hat sich in letzter Zeit geändert. Es würde uns nicht überraschen, wenn die Volatilität in den Schwellenländern längerfristig unter das Niveau in den entwickelten Volkswirtschaften sinken würde. Grund dafür sind die verbesserten wirtschaftlichen Fundamentaldaten in den Schwellenländern und die Tatsache, dass die jüngsten Finanzkrisen ihren Ursprung in den entwickelten und nicht in den aufstrebenden Ländern hatten. Die wiederholten Krisen in Lateinamerika in den 1970er und 1980er Jahren und die Krise von 1997 in Thailand und Südostasien ließen die Banken der Schwellenländer viel vorsichtiger werden. Das war für Minderheitsaktionäre nicht immer ideal, aber viele Finanzinstitute in den Schwellenländern waren dadurch besser kapitalisiert als ihre Pendants in entwickelten Staaten. Diese Vorsicht hat sich auch auf die Makropolitik ausgewirkt, sodass die aufstrebenden Volkswirtschaften über solide Fundamentaldaten und mehr politische Flexibilität verfügen.

Das lokale Anlegerinteresse hatte ebenfalls sehr großen Einfluss auf die Volatilität und die Renditen. Indien, Thailand und Taiwan sind gute Beispiele dafür, dass inländische Investoren für die Marktdynamik entscheidend sind. Der wachsende Wohlstand in den Schwellenländern in allen Einkommensklassen und die zunehmende finanzielle Inklusion verstärken diesen Effekt. Die Tatsache, dass die Schwellenländer langfristig von inländischen Anlegern und Institutionen getrieben werden, ist ein gutes Zeichen. Es zeigt nämlich, dass es einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Aktienmarktentwicklung gibt. Die Institutionalisierung der Börsen in den aufstrebenden Ländern war in den letzten Jahren ein starker Faktor in Indien. Das bedeutete einen strukturellen Wandel, bei dem eine zunehmend wohlhabende Bevölkerung Monat für Monat Mittel in den heimischen Aktienmarkt fließen lässt. In China ist jedoch das Gegenteil geschehen. Das inländische Vertrauen in Aktien hat dort im vergangenen Jahr gelitten, sodass es erst wiederhergestellt werden muss, bevor eine nachhaltige Erholung eintreten kann.

Governance-Reformen führen allmählich zu besseren Erträgen

Vor kurzem haben wir untersucht, wieso koreanische Aktien zu durchweg niedrigeren Bewertungen gehandelt werden als vergleichbare Unternehmen in ähnlichen Märkten. Nun, es liegt an der Governance und der Unternehmensstrategie, und das stellt ein langfristiges Problem dar. Um noch einmal auf Samsung zu verweisen: Anfang der 90er Jahre sahen wir den Vorteil, unsere Gewichtung darin zu erhöhen. Doch gleichzeitig wussten wir, dass das Unternehmen weder auf die Eigenkapitalrendite noch auf die Minderheitsaktionäre bedacht war. Damals ging es wirklich darum, die Nummer 1 beim Marktanteil zu werden und nicht darum, eine solide Rendite oberhalb der Kapitalkosten zu erzielen. Das wurde zu einem langfristigen Thema. Als das Unternehmen reifer wurde, begannen wir allmählich die Früchte dieses Wandels hin zu einer Konzentration auf die Eigenkapitalrendite zu genießen.

Es ist wirklich wichtig, zu verstehen, worauf das Management eines Unternehmens in den Schwellenländern fokussiert ist und wieviel Wert dort freizusetzen ist. Das kommt uns überall dort zugute, wo wir in Schwellenländern investieren. Das Research des Sustainable Investing-Teams von Robeco war in dieser Hinsicht sehr nützlich. Es hat uns geholfen, Governance-Risiken in einer früheren Phase des Investmentprozesses zu erkennen. In diesem Bereich hat Asien aufgeholt. Die Zahl der Börsengänge in Asien in den letzten zwei Jahrzehnten war phänomenal. In Lateinamerika war die Unternehmenskultur bereits grundlegend amerikanisiert und das Verhalten der Unternehmen ähnelte eher dem von US-Firmen. Möglicherweise ist das darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen bereits via ADR notiert waren.

Dem Value-Stil treu bleiben und quantitative Tools zur Renditesteigerung nutzen

Wir begannen 1994 an einem Punkt, an dem wir die traditionelle Fundamentalanalyse nach der Robeco-Methode durchführten. In den frühen 1990er Jahren haben wir viel Research zu Schlüsselfaktoren durchgeführt. Dabei haben wir herausgefunden, dass in den Schwellenländern der Value-Stil unter Renditeaspekten dem Growth-Stil weit überlegen ist. Über die gesamten drei Jahrzehnte hinweg hat uns dies definitiv geholfen, die Benchmark zu übertreffen. Es gibt auch eine verbreitete Herdenmentalität auf den Märkten. Das steht in Zusammenhang mit unseren Bemerkungen zur finanziellen Inklusion und Institutionalisierung. Auf manchen Märkten treiben Kleinanleger die Aktienkurse auf aberwitzige Niveaus, was wir als Signal verstehen, unser Engagement zu reduzieren. Zudem haben wir schon früh im Hinblick auf EM-Anlagen die quantitativen Rankings von Robeco genutzt. Diese waren ebenfalls Value-orientiert, und die entsprechende quantitative Expertise hat stets für Disziplin gesorgt.

In der Grundsatzfrage, ob man ein Growth- oder ein Value-Investor ist, stehen wir eindeutig auf der Value-Seite. Allerdings gab es diese Debatte erst ab den 2000er Jahren. Es war eher so, dass wir nicht bereit waren, zu viel zu bezahlen, und wir versuchten stets, kurzfristigen Hypes zu widerstehen und einen langfristigen Fokus zu wahren. Das Momentum spielt in unserem EM-Prozess nach wie vor eine Rolle. Wir wissen, dass sich die Bewertungen weit von den Fundamentaldaten entfernen können, und das muss berücksichtigt werden. Schon seit den Erfahrungen in Thailand in den Jahren 1997 und 1998 haben wir auch Charts verwendet, um das Momentum zu evaluieren. Wir sind der Meinung, dass die Momentum eine umso größere Rolle spielt, je mehr Retail-Anleger einen Markt prägen. Von daher sehen wir uns in der Kategorie „Value mit Momentum“. Wir sind definitiv keine Deep-Value-Manager. In Zukunft wird es mit der zunehmenden Institutionalisierung der Börsen der Schwellenländer weniger Situationen geben, bei denen Kleinanleger es übertreiben, sowohl nach oben als auch nach unten. Ob das nun eintritt oder nicht – wir blicken zuversichtlich auf die nächsten dreißig Jahre in den Emerging Markets!


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