Robeco: Im Auge des Sturms – Die drei Gegenwinde für Climate Investing

Die globale Erwärmung wird als eines der größten systemischen Risiken für Anleger angesehen – warum also genießt Climate Investing nicht die volle Unterstützung?

10.07.2024 | 08:30 Uhr

Es werden Billionen Euro an Anlagekapital benötigt, um die Infrastruktur für erneuerbare Energien auszubauen, die Mobilität zu verändern und ganze Branchen zu dekarbonisieren. Und da sich die Erde bereits erwärmt, wird die Umsetzung immer dringlicher.

Dennoch gibt es immer noch Gegenwind, wenn es darum geht, die notwendige einheitliche Reaktion zu erreichen, wie die vierte jährliche Global Climate Investing Survey von Robeco ergab. In der Ausgabe 2024 wurden drei Bereiche hervorgehoben, in denen die Begeisterung nachgelassen hat oder sogar rückläufig ist: die Anti-ESG-Stimmung in Nordamerika, die anhaltende Unterstützung für fossile Brennstoffe und das mangelnde Engagement für den Schutz der Biodiversität.

In Nordamerika ist die Zahl der Befragten, für die der Klimawandel ein wesentlicher oder zentraler Bestandteil ihrer Politik ist, von 61 % im Jahr 2023 auf nur noch 35 % in diesem Jahr gesunken. Dies wurde vor allem mit Gegenwind gegen Sustainable Investing im Allgemeinen begründet – in der Überzeugung, dass sie die Rendite beeinträchtigt. Dieser Gegenwind hat in den letzten zwei Jahren an Intensität zugelegt.

Im Vergleich zu 79 % der Anleger im asiatisch-pazifischen Raum und 76 % der Anleger in Europa zeigen sich hier deutliche regionale Unterschiede. Damit sank der weltweite Durchschnitt im vergangenen Jahr von 71 % auf 62 %. Dies zeigte sich auch bei den Verpflichtungen zur Klimaneutralität, wo das Interesse in Nordamerika von ohnehin schon niedrigen 19 % auf 13 % zurückging, während es in Europa unverändert bei 37 % blieb und im asiatisch-pazifischen Raum von 20 % auf 26 % stieg.

Ironischerweise hat Nordamerika stark unter den extremen Wetterereignissen gelitten, die die globale Erwärmung mit sich bringt, von tödlichen Wirbelstürmen und Überschwemmungen bis hin zu Tornados, die in Gebieten auftraten, in denen es vorher keine gab. Der Anstieg des Meeresspiegels würde tief liegende Regionen wie Florida unter Wasser setzen.

Ein polarisierter Kulturkampf

„Es ist zu einem politisierten und polarisierten Kulturkrieg zwischen den Republikanern und Demokraten in den USA geworden, der sich von den Fakten und der Realität entfernt hat“, sagt Lucian Peppelenbos, Climate and Biodiversity Strategist bei Robeco.

„Die Realität besagt, dass der Klimawandel die US-Wirtschaft seit Jahren stark beeinträchtigt, und die Kosten daher steigen. Durch Naturkatastrophen entstehen enorme Kosten, und wenn Vermögenswerte wie Häuser und Unternehmen nicht mehr versichert werden können, hat das enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft als Ganzes.“

„Aber die gute Nachricht lautet, dass sich ebenso ein Wandel vollzieht. Die USA setzen die Dekarbonisierung seit 2007 um, und der Inflation Reduction Act (IRA) war ein voller Erfolg dabei, umweltfreundliche Investitionen zu fördern. Es handelt sich, offen gesagt, um die wichtigste Klimagesetzgebung in der Geschichte der USA.“

„Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass es einen wichtigen Punkt gibt, der den Ursprung der Anti-ESG-Bewegung bildete, bevor sie politisiert wurde. Und zwar die Frage: Wenn der öffentliche Sektor keine Gesetze zur Bekämpfung des Klimawandels erlässt, wie weit kann dann der Markt gehen, um es stattdessen zu tun? Aber all diese Dinge kommen in Wellen, und so wird sich der Trend bei ESG ebenfalls wieder umkehren.“

Der Elefant namens „fossile Brennstoffe“

Der zweite Gegenwind wird oft als der „Elefant im Raum“ für Climate Investing bezeichnet – die Frage, ob Unternehmen aus dem Bereich fossiler Brennstoffe in Portfolios verbleiben sollten. Die Zahl der Anleger, die sich verpflichten, sich kurzfristig vollständig von Öl- und Gasunternehmen zu trennen, ist im vergangenen Jahr von 23 % auf 14 % gesunken. Rund 15 % gaben an, dass sie weiter investieren würden, solange sie weiterhin Renditen erzielen.

Die Frage der Rendite ist das Kernproblem, da Energieunternehmen seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 am Aktienmarkt die stärksten Beiträge leisten. Nachhaltige Assetmanager sind zwar bestrebt, Emissionen zu senken, haben aber auch die treuhänderische Pflicht, für ihre Interessenten Geld zu verdienen. Der Ausschluss von Unternehmen aus dem Bereich fossiler Brennstoffe verwenden, würde daher zu einer unterdurchschnittlichen Performance führen.

„Öl und Gas sind ein heikles Thema, aber die Gesamtenergienachfrage wächst immer noch schneller, als die erneuerbaren Energien sie decken können“, sagt Peppelenbos. „Rund zwei Drittel des erhöhten Energiebedarfs im Jahr 2023 werden durch fossile Brennstoffe gedeckt. Erneuerbare Energien wurden zwar massiv ausgebaut, ihr Anteil an der Gesamtenergienachfrage beträgt aber immer noch nur etwa 20 %.“

Einen Wendepunkt erreichen

„Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wird zurückgehen, wenn mehr Elektroautos auf den Straßen unterwegs sind, während die Kapazitäten der erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Dann werden wir einen Wendepunkt erreichen und die Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte werden versiegen.“

„Vergessen Sie nicht, dass wir uns mitten in einem gewaltigen historischen Wandel befinden, bei dem es mit Höhen und Tiefen verbunden sein wird, diesen Wendepunkt zu erreichen. Wir bewegen uns mit dieser chaotischen Phase dazwischen von fossilen Brennstoffen hin zur Klimaneutralität.“

„Und natürlich hatten erneuerbare Energien auch mit Gegenwind zu kämpfen, z. B. durch steigende Zinssätze, was für eine kapitalintensive Wachstumsbranche schwierig ist. Die Inflation bedeutet, dass die Kosten in der Lieferkette steigen, und wir brauchen auch einen massiven Ausbau der Netzkapazität. Doch in ein paar Jahren wird das Bild ganz anders aussehen.“

Biodiversität im Hintergrund

Der dritte Gegenwind ist das abnehmende Interesse am Schutz der Biodiversität, das viele als die Kehrseite der Medaille bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung betrachten, da die Natur untrennbar mit dem Klimawandel verbunden ist. Die Entwaldung verschärft die globale Erwärmung. Fast die Hälfte des globalen BIP ist in irgendeiner Weise mit der Natur verknüpft.

Die Zahl der Anleger, für die Biodiversität ein wesentlicher oder zentraler Bestandteil der Anlagepolitik ist, sank von 48 % im Jahr 2023 auf 36 %, während die Zahl der Anleger, die angaben, dass sie überhaupt keinen Bestandteil ihrer Politik darstellt, von 15 % im letzten Jahr auf 23 % stieg, wie die Climate Survey ergab.

Die Ziele von Montreal erfüllen

„Wir hatten 2022 mit der COP15 in Montreal viel Dynamik, als die Regierungen sich darauf einigten, den Verlust an Natur bis 2030 aufzuhalten und umzukehren; das war ein entscheidender Moment“, kommentiert Peppelenbos. „Aber die Regierungen haben sich nicht daran gehalten, nicht einmal in Europa, das sich um eine entsprechende Gesetzgebung bemüht hat. Die hochtrabenden Verpflichtungen von Montreal müssen in eine konkrete Gesetzgebung einfließen, damit die Natur mehr Bedeutung erhält und die Märkte die Naturrisiken ernsthafter einpreisen.“

„Wir erkennen attraktive Alpha-Chancen bei Unternehmen, die Lösungen wie die Abwasseraufbereitung anbieten, und bei umweltschädlichen Unternehmen, die einen ernsthaften Wandel vollziehen. Ressourceneffizienz, nachhaltige Beschaffung und geschlossene Kreisläufe sind sehr gut mit Rentabilität und Rendite vereinbar.“

„Um den Markt wirklich zu verändern und das erforderliche Anlagevolumen zu erzielen, sind allerdings ernsthaftere politische Maßnahmen nötig. Die jüngsten Wahlen in Europa waren günstiger als wir dachten, was die Unterstützung für die grüne Wirtschaft angeht, aber sie köchelt immer noch ein wenig auf Sparflamme.“


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