Robeco: Steuern wir bei Aktien auf einen Bärenmarkt zu?

Erwartet uns ein Kurseinbruch? Diese Frage bewegt Anleger mit Blick auf die scheinbar unaufhaltsam steigenden Aktienmärkte. „Eine Korrektur ist schwieriger zu prognostizieren als viele denken“, sagt Lukas Daalder. Selbst vermeintliche Frühwarnsignale wie Bewertung und Volatilität hält Robecos Chefanlagestratege für unzuverlässig.

12.12.2017 | 13:30 Uhr

Der US-Aktienindex S&P 500 ist 2017 bisher 57 Mal auf ein neues Allzeithoch geklettert. Der Aktienindex der US-Technologiebörse NASDAQ hat dies sogar 70 Mal geschafft und damit jetzt schon seinen Rekord von 61 Allzeithochs aus dem Jahr 1999 gebrochen. Dass auf die Rally von 1999 ein Kurssturz folgte, macht laut Robecos Chefanlagestratege Lukas Daalder viele Investoren nervös. Der Versuch, einen Börsencrash vorherzusehen, ist keine exakte Wissenschaft. Ökonomen und Wissenschaftler können sich noch nicht einmal einigen, was die anhaltend sinkenden Kurse eines Bärenmarkts erklärt. Hinzu kommt laut Daalder, dass nicht alle Aktien durch die steigenden Kurse des anhaltenden Bullenmarkts teuer geworden sind. „Sorgen vor einer bevorstehenden Korrektur machen sich bei jedem neuen Allzeithoch breit. In den von den großen Banken und Institutionen herausgegebenen Ausblicken ist vorsichtiger Optimismus das zentrale Thema, wobei die Betonung klar auf ‚vorsichtig’ liegt”, sagt Daalder.

„Bärenmarkt“ – Definitionsversuche versus offene Fragen

Die Bewertungskennzahlen von US-Aktien haben Daalder zufolge luftige Höhen erreicht, während die Kreditrisikoaufschläge zurückgegangen sind – ungeachtet der Verschlechterung der Kreditqualität und der zunehmenden Gesamtverschuldung. Es überrascht den Robeco-Experten nicht, dass sich immer mehr Analysten fragen, ob, wann und wie die derzeitige Rally in den riskanten Segmenten der US- Finanzmärkte zu Ende gehen wird. Bei einer kürzlich durchgeführten Überprüfung der Finanzstabilität wies die Europäische Zentralbank (EZB) auf das hohe Bewertungsniveau des US-Aktienmarkts hin und mahnte, dass eine Korrektur an diesem Markt auch für die wesentlich günstigeren europäischen Aktienmärkte ein Risiko wäre. Doch würde eine solche Korrektur gleich einen Bärenmarkt auslösen?

„Wer versucht, Bärenmärkte vorherzusagen, muss zunächst einmal eine klare Vorstellung davon haben, wie ein solcher zu definieren ist. Eine Festlegung, nach der ein Bärenmarkt eine Korrektur um 20 Prozent gegenüber dem vorherigen Höchststand ist, klingt zwar einfach, wirft aber einige Fragen auf”, gibt  Daalder zu bedenken. „Bei strenger Auslegung bedeutet dies, dass der japanische Nikkei-Index schon seit mehr als 27 Jahren fällt. Auch wenn niemand behaupten wird, der Nikkei sei in den letzten Jahrzehnten ein solides Investment gewesen, greift diese Definition zu kurz. Sie wird den sechs Korrekturen um mehr als 20 Prozent, die dieser Index seit den 1990er Jahren erlebt hat, nicht gerecht“, erklärt Daalder.

Ein weiteres Kriterium könnte die Inflation sein. Daalder nennt als Beispiel den brasilianischen Bovespa- Index: Der war 1994 um mehr als 1.000 Prozent gestiegen, allerdings bei einer Inflationsrate von 5.000 Prozent. „Die meisten Anleger würden das als einen Bärenmarkt bezeichnen“, so Daalder. 

20-Prozent-Regel nach Robert Shiller filtert Nachzügler aus

Daalder beschäftigt sich auch mit der Definition von Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller: „Die Spitze vor einem Bärenmarkt ist nach meiner Definition das letzte Zwölfmonatshoch, und im folgenden Jahr sollte es einen Monat geben, der um 20 Prozent darunter liegt.” Demnach hat es in den USA seit 1881 13 Bärenmärkte gegeben, zuletzt während der Euro-Krise im Jahr 2011. Das ist Daalder zufolge jedoch nicht die ganze Geschichte. „Die Regel, dass innerhalb von zwölf Monaten eine Korrektur um 20 Prozent stattfinden muss, filtert Bärenmärkte heraus, die etwas länger auf sich warten lassen. Außerdem hält Shiller bei der Konstruktion seines berühmten zyklisch bereinigten Kurs-Gewinn- Verhältnisses (Cyclical Adjusted Price Earnings Ratio oder CAPE) an einem nominalen Ansatz fest.

Demzufolge gab es in den 1970er und 1980er Jahren keinen Bärenmarkt, obwohl sich in dieser Zeit ein paar schmerzhafte Korrekturen ereigneten”, erörtert Daalder.

Die 13 von Robert Shiller identifizierten Bärenmärkte. (Quelle: Shiller und Robeco.)

Volatilität als Zusatzkriterium fragwürdig

Dass ein hohes Bewertungsniveau das Risiko einer Korrektur erhöht, ist wahrscheinlich keine schockierende Behauptung. Doch eignet sich geringe Volatilität als Frühwarnsignal? Shiller scheint dies anzudeuten, wenn er darauf hinweist, dass in seiner Analyse für die USA „Aktienkursschwankungen in dem Jahr bis zu dem Monat, in dem vor den letzten 13 Bärenmärkten der Höchststand erreicht wurde, geringer waren als im Durchschnitt”.

Einige Anleger ziehen deshalb Parallelen zu der aktuell niedrigen Volatilität und sehen hier einen Gefahrenhinweis. Nach Daalders Ansicht ist das aber ebenfalls unzuverlässig. „Eine Volatilität auf Rekord-Tiefstand ist keineswegs ein zuverlässiges Frühwarnsignal für anhaltend sinkende Kurse. Ein Blick auf die zehn wichtigsten Phasen mit extrem niedriger Schwankungsintensität zeigt, dass darauf nur ein einziges Mal, nämlich 1895, ein Bärenmarkt folgte. In den anderen neun Fällen blieb der Kurssturz aus. Unter dem Strich scheint Volatilität für sich genommen kein nützliches Instrument zur Vorhersage von fallenden Kursphasen zu sein“, schlussfolgert der Anlagestratege.

Doch wie sieht es mit einer Kombination von Bewertung und Volatilität aus? Die nachfolgende Tabelle stellt die Volatilitätswerte den für die kommenden zwölf Monate prognostizierten Aktienrenditen gegenüber. Wenn die Kombination aus geringer Volatilität und hohem Bewertungsniveau in der Vergangenheit auf bevorstehende Probleme hingewiesen hätte, würde man Daalder zufolge in der durch einen roten Kreis markierten linken unteren Hälfte der Tabelle im Durchschnitt niedrigere Renditen erwarten als in der übrigen Tabelle. „Doch anscheinend gibt es in diesem Teil der Matrix keinen besonderen Tiefpunkt“, erklärt Daalder.

 

Der US-Aktienindex S&P 500 ist 2017 bisher 57 Mal auf ein neues Allzeithoch geklettert. Der Aktienindex der US-Technologiebörse NASDAQ hat dies sogar 70 Mal geschafft und damit jetzt schon seinen Rekord von 61 Allzeithochs aus dem Jahr 1999 gebrochen. Dass auf die Rally von 1999 ein Kurssturz folgte, macht laut Robecos Chefanlagestratege Lukas Daalder viele Investoren nervös. Der Versuch, einen Börsencrash vorherzusehen, ist keine exakte Wissenschaft. Ökonomen und Wissenschaftler können sich noch nicht einmal einigen, was die anhaltend sinkenden Kurse eines Bärenmarkts erklärt. Hinzu kommt laut Daalder, dass nicht alle Aktien durch die steigenden Kurse des anhaltenden Bullenmarkts teuer geworden sind. „Sorgen vor einer bevorstehenden Korrektur machen sich bei jedem neuen Allzeithoch breit. In den von den großen Banken und Institutionen herausgegebenen Ausblicken ist vorsichtiger Optimismus das zentrale Thema, wobei die Betonung klar auf ‚vorsichtig’ liegt”, sagt Daalder.

 

„Bärenmarkt“ – Definitionsversuche versus offene Fragen

 

Die Bewertungskennzahlen von US-Aktien haben Daalder zufolge luftige Höhen erreicht, während die Kreditrisikoaufschläge zurückgegangen sind – ungeachtet der Verschlechterung der Kreditqualität und der zunehmenden Gesamtverschuldung. Es überrascht den Robeco-Experten nicht, dass sich immer mehr Analysten fragen, ob, wann und wie die derzeitige Rally in den riskanten Segmenten der US- Finanzmärkte zu Ende gehen wird. Bei einer kürzlich durchgeführten Überprüfung der Finanzstabilität wies die Europäische Zentralbank (EZB) auf das hohe Bewertungsniveau des US-Aktienmarkts hin und mahnte, dass eine Korrektur an diesem Markt auch für die wesentlich günstigeren europäischen Aktienmärkte ein Risiko wäre. Doch würde eine solche Korrektur gleich einen Bärenmarkt auslösen?

 

„Wer versucht, Bärenmärkte vorherzusagen, muss zunächst einmal eine klare Vorstellung davon haben, wie ein solcher zu definieren ist. Eine Festlegung, nach der ein Bärenmarkt eine Korrektur um 20 Prozent gegenüber dem vorherigen Höchststand ist, klingt zwar einfach, wirft aber einige Fragen auf”, gibt  Daalder zu bedenken. „Bei strenger Auslegung bedeutet dies, dass der japanische Nikkei-Index schon seit mehr als 27 Jahren fällt. Auch wenn niemand behaupten wird, der Nikkei sei in den letzten Jahrzehnten ein solides Investment gewesen, greift diese Definition zu kurz. Sie wird den sechs Korrekturen um mehr als 20 Prozent, die dieser Index seit den 1990er Jahren erlebt hat, nicht gerecht“, erklärt Daalder.

Ein weiteres Kriterium könnte die Inflation sein. Daalder nennt als Beispiel den brasilianischen Bovespa- Index: Der war 1994 um mehr als 1.000 Prozent gestiegen, allerdings bei einer Inflationsrate von 5.000 Prozent. „Die meisten Anleger würden das als einen Bärenmarkt bezeichnen“, so Daalder.

20-Prozent-Regel nach Robert Shiller filtert Nachzügler aus

Daalder beschäftigt sich auch mit der Definition von Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller: „Die Spitze vor einem Bärenmarkt ist nach meiner Definition das letzte Zwölfmonatshoch, und im folgenden Jahr sollte es einen Monat geben, der um 20 Prozent darunter liegt.” Demnach hat es in den USA seit 1881 13 Bärenmärkte gegeben, zuletzt während der Euro-Krise im Jahr 2011. Das ist Daalder zufolge jedoch nicht die ganze Geschichte. „Die Regel, dass innerhalb von zwölf Monaten eine Korrektur um 20 Prozent stattfinden muss, filtert Bärenmärkte heraus, die etwas länger auf sich warten lassen. Außerdem hält Shiller bei der Konstruktion seines berühmten zyklisch bereinigten Kurs-Gewinn- Verhältnisses (Cyclical Adjusted Price Earnings Ratio oder CAPE) an einem nominalen Ansatz fest.

 

Demzufolge gab es in den 1970er und 1980er Jahren keinen Bärenmarkt, obwohl sich in dieser Zeit ein paar schmerzhafte Korrekturen ereigneten”, erörtert Daalder.

 

 

Die 13 von Robert Shiller identifizierten Bärenmärkte. (Quelle: Shiller und Robeco.)

 

Volatilität als Zusatzkriterium fragwürdig

 

Dass ein hohes Bewertungsniveau das Risiko einer Korrektur erhöht, ist wahrscheinlich keine schockierende Behauptung. Doch eignet sich geringe Volatilität als Frühwarnsignal? Shiller scheint dies anzudeuten, wenn er darauf hinweist, dass in seiner Analyse für die USA „Aktienkursschwankungen in dem Jahr bis zu dem Monat, in dem vor den letzten 13 Bärenmärkten der Höchststand erreicht wurde, geringer waren als im Durchschnitt”.

 

Einige Anleger ziehen deshalb Parallelen zu der aktuell niedrigen Volatilität und sehen hier einen Gefahrenhinweis. Nach Daalders Ansicht ist das aber ebenfalls unzuverlässig. „Eine Volatilität auf Rekord-Tiefstand ist keineswegs ein zuverlässiges Frühwarnsignal für anhaltend sinkende Kurse. Ein Blick auf die zehn wichtigsten Phasen mit extrem niedriger Schwankungsintensität zeigt, dass darauf nur ein einziges Mal, nämlich 1895, ein Bärenmarkt folgte. In den anderen neun Fällen blieb der Kurssturz aus. Unter dem Strich scheint Volatilität für sich genommen kein nützliches Instrument zur Vorhersage von fallenden Kursphasen zu sein“, schlussfolgert der Anlagestratege.

Doch wie sieht es mit einer Kombination von Bewertung und Volatilität aus? Die nachfolgende Tabelle stellt die Volatilitätswerte den für die kommenden zwölf Monate prognostizierten Aktienrenditen gegenüber. Wenn die Kombination aus geringer Volatilität und hohem Bewertungsniveau in der Vergangenheit auf bevorstehende Probleme hingewiesen hätte, würde man Daalder zufolge in der durch einen roten Kreis markierten linken unteren Hälfte der Tabelle im Durchschnitt niedrigere Renditen erwarten als in der übrigen Tabelle. „Doch anscheinend gibt es in diesem Teil der Matrix keinen besonderen Tiefpunkt“, erklärt Daalder.

 

 

 

 

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