Schroders Ausblick 2016: Aktien der Region Greater China

Vor dem Hintergrund schleppenden Wirtschaftswachstums und überaus schwacher Gewinne ist die gezielte Titelauswahl für 2016 entscheidender denn je.

27.01.2016 | 13:30 Uhr

Chinas Ökonomie der zwei Geschwindigkeiten

Trotz der zuletzt schwachen Zahlen ist der Dienstleistungssektor generell in viel besserer Verfassung. Dennoch reicht das Wachstum nicht aus, um den Abschwung im verarbeitenden Gewerbe auszugleichen. Am heftigsten hat eine Antikorruptionskampagne die Verbrauchernachfrage beeinträchtigt: über den gesamten Luxussektor hinweg bis hinein in den Konsumgüterbereich. Zudem waren inländische und internationale Akteure gleichermaßen stark betroffen. Auch bei festverzinslichen Wertpapieren, die zuvor als antizyklisches Instrument wirkten, gibt es Anzeichen für eine Verlangsamung. Gründe dafür sind in einem Rückgang der Neubauprojekte und einem Mangel an steuerpolitischen Anreizen auf Kommunalebene zu suchen.

Abbildung 1: Industrieproduktion, Investitionen und Einzelhandelsumsatz in China – in Prozent gegenüber dem Vorjahr



Quelle: MSCI, IBES, Rimes, Morgan Stanley Research, Oktober 2015.

Vor allem für Anleger ist die unterschiedliche Entwicklung von Unternehmen im Privat- und im Staatsbesitz vermutlich am bedeutendsten. Erstere verzeichneten Zuwächse bei Umsatz und Gewinn – und ein gutes Beispiel sind einige der größten Akteure im Internetsektor. Bei Banken, Industrie- und Ölunternehmen sowie anderen Staatsunternehmen gingen hingegen im Zuge von Konjunkturschwäche und niedrigen Rohstoffpreisen die Gewinne zurück.
Den Unterschied zwischen Privat- und Staatsunternehmen sollte man insbesondere vor dem Hintergrund der breiteren Divergenz zwischen dem verarbeitenden Gewerbe und der Dienstleistungsbranche betrachten (d. h. zwischen dem sekundären und tertiären Sektor; vgl. Abb. 2). Während die chinesische Produktion weiter schwach bleibt, wächst der Verbraucherdienstleistungssektor weiterhin robust – und trägt damit stärker zum BIP-Wachstum bei. Insgesamt ist dies als Teil eines langfristigen Übergangs zu werten; viele halten ihn für unumgänglich, um der chinesischen Wirtschaft nachhaltiges Wachstum zu sichern.


Abbildung 2: Zusammensetzung des chinesischen BIP – Dienstleistung gegenüber industriellem Sektor



Quelle: NBS, JP Morgan, November 2015.
 

Uneinheitliche Reformergebnisse

Reformen und Restrukturierung waren für die chinesische Regierung lange ein Schlüsselinstrument: Damit sollte sich die Effizienz der Unternehmen steigern und auch die Verteilung der Ressourcen optimieren lassen. Doch bisher enttäuschten die Reformen, besonders bei den großen Unternehmen im Staatsbesitz. Im Gegensatz dazu ließen sich bei kleineren volkseigenen Betrieben durchaus Fortschritte erzielen; diese sind wesentlich flexibler, was Veränderungen und Reformen betrifft. Im neuen Jahr dürfte die Regierung ausländische Fusionen und Übernahmen weiter fördern, speziell im dringend notwendigen Technologiesektor. Doch einige dieser Geschäfte könnten möglicherweise nicht die ersehnte Gewinnverbesserung bringen. Deshalb sollte man sie genau unter Beobachtung halten.

Weitere Liberalisierung der Finanzmärkte

Den größten Fortschritt konnte man bisher bei der Liberalisierung der Finanzmärkte erkennen. Die kürzlich erfolgte Aufnahme des Renminbi in den SDR-Korb des Internationalen Währungsfonds (eine Sammlung internationaler Währungen, die als ergänzende Währungsreserven definiert werden) ist ein Meilenstein für die Internationalisierung der chinesischen Währung.
Auch dürfte die fortschreitende Liberalisierung der Aktienmärkte weitere Möglichkeiten zur Investition in das chinesische Aktienuniversum eröffnen. Hier ist der Kanal Shanghai-Hong Kong Stock Connect zu nennen; ein ähnliches System für Shenzhen soll folgen. Zudem hat vor Kurzem der Indexanbieter MSCI die baldige Aufnahme von in China ansässigen in den USA notierten ADRs in die Indizes MSCI China und MSCI Emerging Markets (Der MSCI Emerging Markets Index versucht die Entwicklung an den Aktienmärkten dieser sog. aufstrebenden Länder abzubilden) bestätigt; diese Papiere (American Despository Receipts) sind Hinterlegungsscheine für nicht frei handelbare Aktien, die sich an deren Stelle jedoch frei am US-Kapitalmarkt handeln lassen. Sie soll im Mai/Juni des nächsten Jahres abgeschlossen sein. Das dürfte sich noch stärker auf die Entwicklung des chinesischen Marktes auswirken. Diese Neuausrichtung wird auch einen besseren Eindruck von der Realität der „New Economy“ in China vermitteln: Denn Unternehmen aus den Bereichen Bildung, Internet, E-Commerce, Tourismus und Konsumgüter leisten allesamt einen größeren Beitrag zum Wachstum.

Schlechte Nachrichten in Bewertungen bereits eingepreist

Die Bewertungen an den chinesischen Märkten, wie sie der MSCI China Index widerspiegelt, bewegen sich auf dem Niveau, das man von den Krisen der letzten Jahre wie der Weltwirtschaftskrise 2008 kennt. Dabei liegt das historische Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) – eine Kennzahl für den Vergleich zwischen dem durchschnittlichen Kurs eines Unternehmens/Marktes in den vergangenen zwölf Monaten und seinem Buchwert – nahe dem 1,1-Fachen. Unserer Ansicht nach wurde ein großer Teil der schlechten Nachrichten in den Kursen bereits eingepreist. Die Liquidität am Markt dürfte sich weiterhin positiv auswirken, da das deflationäre Umfeld etwa beim Mindestreservesatz Raum für weitere finanzpolitische Anreize bietet. Dieser bemisst, wie viel Bargeld eine Bank als Prozentsatz von Gesamteinlagen, Senkungen oder Zinssenkungen halten muss.

Abbildung 3: Bewertung MSCI China in Bezug auf das KBV


Quelle: Datastream und Citi Research, September 2015.

Mögliche Risiken für die Märkte der Region Greater China?

Zu den möglichen Risiken für China zählen politische Fehler der chinesischen Regierung, Gewinnrisiken der Unternehmen infolge schwachen Umsatzwachstums in einem deflationären Umfeld und eine weitere Zunahme an notleidenden Krediten im Bankensystem. Auch wenn die Restrukturierung die Wirtschaft kurzfristig weiter belasten wird, erwarten wir keinen systemisch bedingten Kollaps des Finanzsystems.
Ein weiteres großes Risiko für den Markt China/Hongkong ist der Terminplan der US-Notenbank für Zinserhöhungen.
In Taiwan könnte die im nächsten Jahr anstehende Präsidentschaftswahl für politische Probleme im Dialog mit dem Festland sorgen: Man rechnet allgemein mit einem Sieg der oppositionellen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), die eine weniger verbindliche Beziehung mit Peking pflegt. Aktuell hat der Markt einen relativ pragmatischen Ansatz der DPP gegenüber China wahrscheinlich bereits eingepreist.

Wo liegen die Möglichkeiten?

Vor dem Hintergrund schleppenden Wirtschaftswachstums und überaus schwachen Gewinnen ist eine fundamentale Titelauswahl nach der Analyse einzelner Unternehmen (Bottom-up-Perspektive) für 2016 entscheidender denn je. Wir konzentrieren uns weiter auf Unternehmen mit tragfähigen Geschäftsmodellen und guter Liquidität.

China – weiterhin Übergewichtung bei Konsum-/Dienstleistungstiteln

Wir halten an unserer Übergewichtung im Konsum-/Dienstleistungssektor fest, wozu Internet, Tourismus und Bildung gehören. Grund ist unsere positive langfristige Prognose für die Konsumnachfrage in China. Selektiv haben wir auch in Firmen investiert, die von den förderlichen staatlichen Maßnahmen profitieren können: darunter Titel in den Bereichen Bahnausrüstung, Umweltschutz und erneuerbare/alternative Energien. Mit Blick auf das zunehmende Qualitätsrisiko bei Anlagen und sinkenden Nettozinsmargen bleiben wir allerdings gegenüber dem Bankensektor vorsichtig. Allgemein untergewichtet sind wir gleichzeitig bei Öl- und Rohstoffaktien.

Hongkong – traditionellere Namen bevorzugt

Die Konjunkturflaute in China und anhaltend weniger Touristen vom Festland drücken in Hongkong auf die Einzelhandelsumsätze. Diese waren in den vergangenen Jahren einer der wichtigsten Treiber für das Wirtschaftswachstum in Hongkong. Trotz des verhalteneren kurzfristigen Ausblicks für die lokale Wirtschaft sehen wir längerfristig immer noch gute Chancen bei inländischen Titeln: Hierzu zählen wir Immobilieninvestoren, regionale und globale Mischkonzerne, regionale Versicherer und einzelne exportorientierte Produzenten. Die Bilanzen sind in der Regel sehr konservativ, die Franchises robust, die Dividenden unterstützend und die Managementqualität ist bei Anlegern allgemein bekannt.

Taiwan – politischer Gegenwind und Technologie-Produktzyklus

Mit dem neuen Produktzyklus des Apple iPhone 6 gab es 2014 größere Gewinnzuwächse – doch augenblicklich ist kaum ein anderer Impulsgeber in Sicht, der zu einer Neubewertung des Technologiesektors führen könnte. Insbesondere deshalb, weil Kunden beim iPhone 6S mit mäßigem Enthusiasmus zugreifen. Auch bei Titeln der traditionellen Wirtschaft wie Basismaterialien und Banken sind die Aussichten eher glanzlos. Ausgewählte Technologiefirmen und Telekommunikationsunternehmen hingegen bieten immer noch attraktive Bewertungen und belohnen Anleger mit ansehnlichen Dividenden.

A-Aktien in China – langsames Fischen am Grund

Der chinesische A-Aktienmarkt hat, wie im dritten Quartal 2015 erwartet, eine größere kurzfristige Korrektur erfahren. Der Markt dürfte sich kurzfristig seitwärts bewegen. Denn Liquidität ist immer noch in hohem Maße vorhanden und die Kreditvergabe ist auf ein vernünftigeres Maß zurückgegangen. Auch wenn der Markt durch den Überhang an Staatspapieren nach oben begrenzt ist, so sind doch einige der bonitätsstärkeren Titel nach der jüngsten Korrektur attraktiver geworden. Gleichzeitig sind die Bewertungen vieler Titel mit geringer bis mittlerer Marktkapitalisierung weiterhin überzogen. Bei unserem Fonds für Greater China haben wir im zweiten Quartal bei den meisten A-Aktien Gewinne mitgenommen und werden uns bei weiterer Schwäche selektiv in diesen Markt einkaufen. 

Diesen Beitrag teilen: