Schroders: Ausblick 2016: Konjunkturzyklus – europäische Aktien

Unserer Ansicht nach ist derzeit keine größere Wende im Konjunkturzyklus in Sicht. Doch kehrt die Inflation nach Europa zurück, könnten sich einige Marktbereiche 2016 besser als zuletzt entwickeln: nämlich solche, die derzeit nicht bei Anlegern gefragt sind.

14.01.2016 | 11:00 Uhr

Die Aussichten für europäische Aktien 2016 sind im Vergleich zu den vergangenen Jahren wesentlich differenzierter zu sehen. Das gilt umso mehr mit Blick auf mögliche Impulse der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Dominoeffekt, den diese auf Anleiherenditen und damit schlussendlich auf die Aktienkurse haben. Ungeachtet der kurzfristigen Folgen hat die quantitative Lockerung implizit das Ziel, die Inflation im System zu verankern. Diese Tatsache wirkt sich grundlegend auf den Portfolioaufbau aus.

In den vergangenen Jahren mussten wir immer entscheiden: Erholung ja oder nein? Dazu haben wir im Wesentlichen die aktuellen Aktienbewertungen dem gegenübergestellt, was wir für ein normales Maß an Profitabilität halten. Deshalb hatten wir solche Titel bevorzugt, bei denen das Risiko-Gewinn-Verhältnis im Fall einer Konjunkturerholung am besten schien. Mit diesem Ansatz sind wir relativ gut gefahren – doch er hat uns zugleich in die Substanzecke[1] des Marktes geführt.

Mit Blick auf 2016 halten wir es nun für erforderlich, den Begriff Substanz weiter gefasst zu sehen – um so Substanzfallen zu vermeiden. Und das trotz der Tatsache, dass die Gewinne der „Erholung“ nicht ansatzweise wieder historisches Niveau erreicht haben. Jedoch ändert dies nichts an unserer Kernpositionierung; eine größere Wende im Konjunkturzyklus ist unserer Meinung nach derzeit nicht in Sicht. Nach wie vor setzen wir auf ein begrenztes Engagement bei Wachstumswerten, deren Bewertungen mittlerweile an eine Blase zu grenzen scheinen – und die Gefahr wachsender Blasen steigt für uns an. Wir sind allerdings weiterhin offen eingestellt und würden auch in dieser Ecke des Marktes Chancen ergreifen, wenn uns die Bewertungen attraktiv erscheinen.

Gute Wertentwicklungen bei Substanz- und Konsumtiteln möglichWir sind überzeugt, dass die Inflation zurückkehren wird – und dies beeinflusst unsere Positionierung grundlegend: Schließlich bekennt sich auch die EZB zu diesem Ziel. Unserer Ansicht nach befinden wir uns aktuell innerhalb eines Paradigmenwechsels von „lower for longer“ hin zur Reflation. Die größten Profiteure der langen Niedrigzinspolitik waren Wachstumswerte. Sie überrundeten Substanztitel in den vergangenen ein, drei und fünf Jahren jeweils um 15%, 19 % und 31 %. Von der Reflation dürften allerdings die Substanztitel am meisten profitieren – allen voran der Finanzbereich. Dies ist eine Marktnische, in der Absolute Value unserer Ansicht nach erhalten bleibt.

Die andere wichtige Triebkraft ist für uns die wirtschaftliche Dynamik. Hier erscheinen uns die Aussichten für Europa weiterhin relativ günstig. Der Markt unterschätzt das Erholungspotenzial der europäischen Konsumenten, genauso den bestehenden Nachholbedarf. Schließlich hatte Europa vor 2015 sechs Jahre Kreditklemme hinter sich gebracht. Allerdings kann nicht einfach außen vor bleiben, dass sich die Schwäche in den USA und in China auch auf Europa ausgewirkt haben. Die aktuellen Daten lassen allerdings hoffen: So schlug der Economic Surprise Indicator in den USA in diesem Jahr erstmals wieder ins Positive um; auch die Daten in China ziehen auf breiterer Ebene wieder an. Wir bleiben vorsichtig.

Chancen bei EnergieproduzentenÖl- und Gasproduzenten sind einer der Marktbereiche, auf die wir uns konzentrieren; hier könnten sich die Mittelflüsse fundamental wandeln, ohne dass der Ölpreis steigt. Denn eins ist ganz sicher: Wie sich die Ölpreise entwickeln, lässt sich nicht vorhersagen.

Abgesehen von den Wirtschaftskrisen erlebte Öl (wie andere Rohstoffe auch) in den letzten 15 Jahren einen enormen Aufschwung und der Preis hatte sich mehr als vervierfacht. Trotzdem blieb die Cash-Generierung des Sektors flach. Wohin floss dieser ganze Wert? Er ging an die (übrigens unserer Ansicht nach immer noch unattraktiven) Ölserviceunternehmen. Denn sie bekamen durch die Engpässe in der Versorgungskette die Preismacht. Betriebs- und Kapitalausgaben pro Barrel Öl stiegen deutlich.

Was die Ölpreise anbelangt, so hat es die lange Tiefzinspolitik schon einmal gegeben: Zwischen 1987 und 1997 entwickelte sich der Ölpreis nominal gesehen relativ flach. Real gesehen ging er um 3 % jährlich zurück. In dieser Zeit stiegen die Gewinnmargen im Upstream-Geschäft (also bei Exploration und Produktion) um 6 % pro Jahr, da unter anderem die Kosten sanken. Schaut man sich die heutigen Markterwartungen an, so schlägt sich das Ausmaß einer möglichen Kostensenkung (20 %, 30 %, oder gar 50 %?) nicht ansatzweise in den aktuellen Aktienkursen nieder. Darüber hinaus wurden die Dividenden in der Zeit von 1987 bis 1997 durch den freien Cashflow mit einem Wachstumvon 9 % jährlich mehr als gedeckt. Und das, obwohl die Kapitalaufwendungen um 6 % jährlich stiegen. Kurzum: Wir haben eine Nische im Markt ermittelt, die so gar nicht dem Konsens entspricht und die in den kommenden drei Jahren ein Gewinnpotenzial von 50–100 % bietet.

[1] Substanztitel sind Aktien, die am Markt unterbewertet sind und Potenzial für eine Wertsteigerung bieten. Wachstumswerte hingegen haben aktuell und den Prognosen nach hohe Wachstumsraten.

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von James Sym, Fondsmanager europäische Aktien, und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmer ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

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