Schroders: Banken-Sektor im Fokus

Nach einem schwierigen Start in das Jahr 2016 erscheinen viele europäische Banken jetzt außerordentlich attraktiv bewertet. Anleger sollten jedoch vorsichtig bleiben, da einige Banken immer noch erhöhte Risiken mitbringen.

01.04.2016 | 16:21 Uhr

Für Anleger in Bankaktien hat das Jahr 2016 sicherlich „interessant“ begonnen: Nach nur einem Monat im neuen Jahr ist der FTSE Pan-European Banks Index bereits um etwa 14 Prozent gefallen, während der breitere Markt um sechs Prozent tiefer notiert (Stand: 29. Januar 2016). Im Vergleich zum breiteren Aktienmarkt bewegen sich die Kurse gesamteuropäischer Banken immer noch unter den Tiefstwerten der globalen Finanzkrise von Anfang 2009; augenblicklich liegen sie sogar unter ihren Tiefstwerten während der Eurokrise Mitte 2012. Ist dies ein Grund zur Panik? Nein, aber als Anleger müssen wir weiterhin vorsichtig sein.

Der regulatorische Nebel lichtet sich

Die möglicherweise positivste Entwicklung der letzten Monate scheint die Bestätigung, dass nun endlich gut absehbar ist, wie viel Kapital europäische Banken halten müssen. Das ist wichtig, denn damit haben die Anleger eine solidere Basis: zum Analysieren der Renditen genauso wie zum Einschätzen des Potenzials für Kapitalrückholungen. In der Eurozone hat der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) beachtliche Klarheit darüber geschaffen, was die Europäische Zentralbank (EZB) als ausreichende Kapitalausstattung ansieht. Darüber hinaus veröffentlichten mehrere nationale Aufsichtsbehörden mittlerweile Richtlinien für die erforderlichen inländischen Kapitalpuffer bei systemwichtigen Institutionen. Ebenso wie die Puffer für global systemrelevante Banken (G-SIB) gelten diese Richtlinien zusätzlich zu den SREP-Anforderungen; zudem bilden sie einen wichtigen Baustein für das Management und die Erwartungen des Marktes, welche Kapitalausstattung Europas Banken erreichen müssen.

Außerhalb der Eurozone veröffentlichte die schwedische Finanzaufsicht im November zum ersten Mal die individuellen Kapitalanforderungen für die großen schwedischen Banken (sie wird dies vierteljährlich wiederholen). In Großbritannien erklärte die Bank of England, dass die britischen Banken jetzt größtenteils eine angemessene Kapitalausstattung aufweisen und weitere Änderungen der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen deshalb im Rahmen der bestehenden Puffer liegen würden. 
Tatsächlich bemühen sich die Aufsichtsbehörden derzeit nach Kräften klarzustellen, dass keine neue Regulierungswelle bevorsteht. Das Arbeitsprogramm des Basler Ausschusses für Bankenregulierung 2016 verspricht, die wichtige Arbeit an der Verbesserung der Kapitalberechnungen fortzusetzen. Der Ausschuss werde aber „den Schwerpunkt darauf legen, die allgemeinen Kapitalanforderungen nicht wesentlich zu erhöhen“. Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, erklärte unterdessen: „Obwohl die Details noch endgültig ausgearbeitet und die Komplexitäten reduziert werden müssen, steht keine neue Welle von Kapitalregulierungen bevor. Es gibt kein Basel IV.“

Wir dürfen nicht vergessen, dass vorsichtige Managementteams ihre Banken mit ausreichenden Puffern über den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen führen müssen – kein CEO möchte unerwartet gezwungen sein, Ausschüttungen an Aktionäre oder, schlimmer noch, Inhaber von Additional-Tier-1-Anleihen zu kürzen. Die meisten Banken übertreffen die bekannten Kapitalanforderungen des Endstadiums (in der Regel 2019) bereits jetzt, und viele erwirtschaften gute Erträge im Vergleich zum nominalen Fremdkapitaleinsatz und zu den risikogewichteten Aktiva (den beiden maßgeblichen Kennziffern für Kapitalberechnungen). 

Es gibt jedoch eine „schwierige Gruppe“ von Banken, die allzu hoffnungsvolle Konsenserwartungen an die Dividendenausschüttungen enttäuschen dürften – einfach weil sie über keine ausreichenden Puffer oberhalb der Mindestanforderungen verfügen. Hier ist Sorgfalt bei der Aktienauswahl dringend geboten.

Stellenweise immer noch hohe Risiken für die Aktivaqualität

In den letzten Jahren wurden die Gewinne der Banken in einigen Ländern durch hohe Kreditverluste aufgezehrt. In Irland hat sich die Situation bereits erheblich verbessert. Mittlerweile sieht es ganz so aus, als könnte die NAMA – die irische Bad Bank – früher aufgelöst werden als ursprünglich vorgesehen, da die staatlichen Eventualverbindlichkeiten voraussichtlich bis 2018 beseitigt sind; Allied Irish Banks will später in diesem Jahr an die öffentlichen Märkte zurückkehren. In Spanien kämpfen einige Banken immer noch mit den Altlasten der Immobilien-Rückstellungen, die dafür sorgen dürften, dass die Kreditverluste noch eine ganze Weile erhöht bleiben. Abgesehen von diesem Problem scheinen sich die Kreditportfolios zügig zu verbessern.

In Italien ist die Last der Problemkredite jedoch hoch und schwer zu bewältigen. Politische Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden werden sich zunehmend bewusst, dass neben anderen Faktoren vor allem das Ausmaß der notleidenden Kredite eine Konjunkturerholung verhindert. Da die ungedeckten Problemkredite bei vielen Banken die Höhe des Kernkapitals übersteigen, besteht die Herausforderung darin, diese Blockade ohne erhebliche Verluste für die Aktionäre und – in einigen Fällen möglicherweise – die Inhaber von Anleihen zu beseitigen. Bei einer Handvoll Banken wird das Geschick der Anleger zwangsläufig von politischen und aufsichtsrechtlichen Entscheidungen abhängen, die sich ihrer Kontrolle entziehen und sich schlecht vorhersehen lassen.

Im restlichen Europa liegen die Hauptrisiken hauptsächlich in Energie- und Rohstoffengagements sowie in der Anfälligkeit gegenüber Entwicklungen in Schwellenländern. Als Anleger bemühen wir uns, nicht nur die Quantität, sondern vor allem auch die Qualität der Exposures von Banken zu verstehen. Insgesamt scheint es, als seien die Risiken recht gut in den Griff zu bekommen, aber natürlich sind einige Banken stärker exponiert als andere. 

Es muss jedoch klar gesagt werden, dass wir uns nicht am Rande einer weiteren globalen Finanzkrise befinden. Im Gegensatz zu heute sah die Situation im Jahr 2008 so aus, dass ein Bankensystem, das über keine ausreichenden Kapital- und Liquiditätspolster verfügte, eine unbekannte Menge toxischer, mit AAA eingestufter Instrumente auf der Basis von US-Subprime-Hypotheken hielt. Nun aber sind die Bedingungen völlig anders. Tatsächlich arbeiten die europäischen Banken mittlerweile seit etwa acht Jahren an der Reduzierung der Risiken und sollten in dieser Hinsicht gewissermaßen einen „sicheren Hafen“ für Anleger darstellen.

Niedrigere Zinssätze üben weiter Abwärtsdruck auf die Renditen aus

Europäische Banken scheinen dem japanischen Modell der Margenkontraktion zu folgen, da der anhaltende Druck der niedrigeren Zinssätze ihre Rentabilität aufzehrt. Dieser Druck ist jedoch nicht überall gleich groß. Einige Banken hängen stärker von Nettozinserträgen ab als andere. Darüber hinaus werden die Zinsen für Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf kontinentaler Ebene mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten neu festgesetzt. Dies ist ein wichtiger Faktor. 

Zum Beispiel weisen Hypotheken in Spanien oder Italien eine fixe Zinsspanne gegenüber dem Euribor auf. Diese kann während der Laufzeit des Vertrags (in der Regel 25 Jahre) nicht geändert werden. Am anderen Ende kann der Großteil der Hypothekenzinsen in Norwegen und Schweden von den Banken im Extremfall alle zwei bis drei Monate neu festgesetzt werden. Einige Banken sind deshalb wesentlich besser in der Lage, ihre Rentabilität in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld zu behaupten. Auch hier kann die Aktienauswahl für Anleger in Banken entscheidend sein.

Bewertung – wo ist das Geld?

Bei den aktuellen Aktienkursen erscheint das Aufwärtspotenzial zu fundamental bestimmten Kurszielen bei vielen Banken außerordentlich attraktiv. Wenn es der Welt gelingt, die kombinierten Effekte der Verlangsamung in China und des Verfalls der Rohstoffpreise zu bewältigen, dürften die Aktienkurse von Banken rasant steigen. Aber selbst dann wird nicht alles reibungslos verlaufen (tatsächlich ist die erhöhte Kursvolatilität in vielen Anlageklassen eine unerwünschte Nebenwirkung der strikteren Bankenregulierung nach der Krise). In dieser Hinsicht ist es wichtig, nicht nur zu verstehen, wie viel Aufwärtspotenzial die Aktie einer Bank bieten könnte, sondern wie dieses Aufwärtspotenzial voraussichtlich realisiert wird. 

In unsicheren Zeiten sind Bardividenden besonders hoch zu schätzen. Hier lautet die gute Nachricht, dass zahlreiche Banken derzeit ziemlich sichere Dividendenrenditen von bis zu fünf bis sechs Prozent bieten, die in einigen Jahren bis auf sieben bis acht Prozent steigen könnten. Viele andere bieten erhebliches fundamentales Aufwärtspotenzial, das stärker von der Verbesserung der Eigenkapitalrenditen in zwei bis drei Jahren abhängt. Sie bieten aber kaum Barrenditen – etwas, wofür die Anleger im aktuellen Umfeld der Risikoaversion nicht gerne zahlen.

Fazit

Die Aktienkurse europäischer Banken sind auf optisch attraktive Niveaus gefallen, wobei wesentlich größere Klarheit über die Kapitalanforderungen herrscht. Es besteht zwar ein gewisses Risiko, dass die Konsenserwartungen an die Dividendenausschüttungen einiger Aktien enttäuscht werden: Viele Banken bieten sofortige sichere und attraktive Bardividendenrenditen, die ihre Aktienkurse zumindest stützen sollten. Einige Banken kämpfen immer noch mit Altlasten, die aufgearbeitet werden müssen. Zudem könnte eine erneute weltweite Verlangsamung die Aktivaqualität gefährden. 

Es reicht jedoch nicht aus, um eine erneute globale Finanzkrise auszulösen, wie dies einige Aktienkurse vorwegnehmen – und die Risiken sind nicht einheitlich. Darüber hinaus stellen anhaltend niedrige Zinsen zwar ein Risiko für die Nettozinserträge dar; dieses kann sich bei einzelnen Banken jedoch höchst unterschiedlich auswirken. Anleger müssen vorsichtig vorgehen, doch unserer Meinung nach überwiegt das Aufwärtspotenzial im Großteil des Sektors die Risiken bei Weitem.

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