Schroders: China: Vor dem Zusammenbruch oder langsamer Abschwung?

Ein Postkartengruß aus ... China. Falls sich China, wie einige Pessimisten meinen, mitten in einem Zusammenbruch befindet, kaschiert das Land dies gut.

24.11.2015 | 15:55 Uhr

Wir sind nach unserem einwöchigen Besuch in China, wenn nicht optimistisch, so doch dahingehend bestärkt, dass die Lage nicht so schlecht ist, wie die Daten vermuten lassen. Unternehmen, Analysten und Amtsträger sprachen offen über viele der Herausforderungen, vor denen das Land steht. Anhaltspunkte für eine Krise sind derzeit jedoch kaum zu finden. Trotz der aktuell offenbar stabilen Wirtschaftsaktivität sind wir angesichts einzelner Berichte allerdings weiter besorgt, was die kommenden Jahre betrifft.

Reformaussichten

Die Hoffnungen in Bezug auf Reformen, die bei der dritten Plenarsitzung des Zentralkomitees aufgekommen waren, wurden im Keim erstickt. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping zeigte gegenüber den Wünschen der Anleger lediglich frostiges Desinteresse. Die Stimmung bezüglich der Aussichten auf eine stärkere Marktorientierung des Landes hat sich eingetrübt. Es wurde zunehmend klar, dass der eigentliche Beweggrund für die Durchführung von Reformen hauptsächlich ein Versuch der weiteren Zentralisierung der Macht ist. Marktreformen werden nur toleriert, wenn sie den Zwecken des Staates und dem Ziel der Stärkung der sozialen Stabilität dienen – so die Wahrnehmung. Darüber hinaus stoßen Reformen in der oberen Führungsebene von Staatsunternehmen (SOEs) auf starken Widerstand. Hier bestehen offensichtlich persönliche Interessen, keine Fusionen mit anderen Staatsbetrieben einzugehen. Der Optimismus, dass von der fünften Plenarsitzung in dieser Hinsicht wesentliche Änderungen zu erwarten sind, ist bestenfalls gedämpft.

Abschaffung der Ein-Kind-Politik

Die von der chinesischen Regierung bislang vielleicht am stärksten in den Vordergrund gestellte politische Neuerung, ist die Abschaffung der Ein-Kind-Regelung. Dies haben wir bereits in unserem Schroders Quickview diskutiert. Löst das Ende der Ein-Kind-Politik in China einen demografischen Boom aus? Zumindest in jüngster Zukunft dürften sich die Auswirkungen jedoch in Grenzen halten. Eine höhere Geburtenziffer wäre auf jeden Fall hilfreich. Allerdings ist keinesfalls sicher, ob die Abschaffung der Ein-Kind-Politik tatsächlich wirksam sein wird. Frühere Lockerungen zeigten relative geringe Änderungen: Bei der letzten Maßnahme im Jahr 2014 qualifizierten sich elf Millionen Paare für ein zweites Kind. Doch nur eine Million machte tatsächlich von dem Anrecht Gebrauch. Es wird sehr lange dauern, bis die Auswirkungen der Ein-Kind-Politik nicht mehr spürbar sind. Außerdem stellen einzelnen Berichten zufolge für viele junge Chinesen die Kosten für ein Kind eine deutliche Hürde bei der Familienplanung dar. Speziell sind das die Kosten für Bildung, die Eltern abhalten mehrere Kinder zu bekommen.

Reform der Staatsunternehmen

Eine Reform der Staatsunternehmen, einschließlich zusätzlicher Fusionen, wäre der wichtigste Beitrag zum Abbau von Überkapazitäten, die in einigen chinesischen Branchen vorhanden sind. Weltweit ist dies insbesondere im Stahlbereich spürbar, wo China vermehrt Dumping vorgeworfen wird. Innerhalb Chinas verdeutlichen die Situation, die von großen Staatsbetrieben vorgelegten Schätzungen ihrer personellen Überkapazitäten: Einige Unternehmen beschäftigen etwa doppelt so viele Mitarbeiter wie tatsächlich benötigt werden. Das ist natürlich ein Problem für die Regierung. Denn wie sollen die überschüssigen Kapazitäten abgebaut werden, ohne dass es zu einer Massenarbeitslosigkeit kommt? Das würde die Legitimität der Partei infrage stellen und die soziale Stabilität gefährden. Die diesbezügliche Realpolitik gibt weiteren Anlass zu Pessimismus. Staatsunternehmen aus durch Überkapazitäten geprägten Branchen expandieren in die Tätigkeitsbereiche der „aufstrebenden Wirtschaftszweige“ (z.B. in den Dienstleistungssektor). Fraglich ist jedoch, wie schnell das vorhandene Personal, wenn überhaupt, umgeschult werden kann.

Auseinanderdriftende Immobiliensektoren

Auch die Überkapazität im Immobilienmarkt stellt weiterhin ein Problem dar. Die Unterschiede zwischen den chinesischen Großstädten (Tier-1-Städte) und kleineren Städten weiten sich aus. Und sogar zwischen den einzelnen Tier-1-Städten zeigen sich Divergenzen.  Immobilien im Zentrum von Shanghai sind natürlich stabiler im Wert als Immobilien in einer Kleinstadt der westlichen Provinzen. Dadurch entstehen jedoch Probleme für kleinere Immobilienfirmen, die sich auf die weniger lukrativen Regionen konzentrieren. Gleichwohl schreitet die Sektorkonsolidierung in einem Tempo voran, das als ansehnlich bezeichnet werden könnte. Weitere Ausfälle bei kleineren Marktteilnehmern sind zu erwarten.

Liberalisierung der Finanzmärkte

Ein Reformbereich,  der einigermaßen reibungslos und rasch vorangekommen ist, ist die Liberalisierung der Finanzmärkte. Die Einlagensätze sind jetzt vollständig liberalisiert und das Umschuldungsprogramm für Lokalregierungen trägt stark zur Reduzierung der Schuldentilgungskosten bei, auch wenn es die Margen der Banken drückt. Endlich finden Anleihen von Lokalregierungen auch andere Käufer als Banken, die vom Staat zur Abnahme eines Mindestvolumens verpflichtet wurden. Das hängt jedoch zu einem großen Teil mit der Blase am Anleihemarkt zusammen. Dort ist im Kreditbereich eine bemerkenswerte Spreadeinengung eingetreten. Die Anleihen der Lokalregierungen notieren nach wie vor mit sehr engen Spreads gegenüber Staatsanleihen. Was nicht zuletzt auf die Unterstützung durch die Zentralregierung zurückzuführen ist.

Währungsabwertung

Nicht alle Finanzreformen verliefen indes problemlos. Die Abwertung des Renminbi (RMB) im August kam für alle Marktteilnehmer – auch für die staatlichen Unternehmen – überraschend. Die meisten hatten sich bis dahin nur wenige Gedanken bezüglich der Währung gemacht. Im Zuge des Abwertungsschocks wollten Unternehmen in einer Panikreaktion verstärkt Währungsabsicherungsgeschäfte tätigen und begannen zudem, US-Dollar-Schulden zurückzuzahlen. Gleichzeitig waren auch wohlhabende Kunden von Vermögensverwaltungen darauf aus, sich von auf RMB lautenden Vermögenswerten zu trennen. Da die Absicherungs- und Schuldenrückzahlungsaktivität einen Höhepunkt erreicht hat und sich jetzt abschwächt, verringert sich zwar der Druck auf die Währung. Der Wunsch nach Diversifizierung bedeutet jedoch, dass eine Lockerung der Devisenkontrollen zu einer weiteren Abwertung führen dürfte.

Ist eine harte Landung zu erwarten?

Wir rechnen weiter damit, dass das chinesische Wachstum einem verhängnisvollen Kollaps entgeht und sich stattdessen langsam abschwächt. Ohne erfolgreiche Reformen steigt allerdings das Risiko einer harten Landung. Persönliche Interessen müssen infrage gestellt werden, wenn das Problem der fehlgeleiteten Ressourcen angegangen werden soll, dessen Lösung ist wiederum der Schlüssel zu einem vom Dienstleistungssektor ausgehenden Wachstum. Sollte das Land an der Vorherrschaft ineffizienter staatlicher Unternehmen festhalten, leidet die Produktivität und das Wachstum wird sich wesentlich schneller abschwächen. Entscheidend warden hierbei die nächsten fünf Jahre sein.

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von Craig Botham, Volkswirt Schwellenländer und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

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