Schroders: Der aktuelle Kreditzyklus - Entwicklung und Stand

Das Schroders Multi-Asset-Team zu aktuellen Sichtweisen und Einschätzungen bezüglich Multi-Asset-Anlagen sowie zum Kreditzyklus.

03.11.2015 | 15:49 Uhr

Der aktuelle Kreditzyklus: Entwicklung und Stand

Beim Blick auf den Kreditzyklus sollte man sich an ein Zitat von Howard Marks erinnern: „Regel Nummer eins: So gut wie alles im Leben ist zyklisch. Regel Nummer zwei: Die größten Chancen haben sich immer dann ergeben, wenn andere Regel Nummer eins vergessen.“1 Die schmerzlichen Verluste in 2008 zeigen allerdings, dass zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenige Regel Nummer eins vergessen haben. Das gilt speziell mit Blick auf die Belastungen im Energiesektor infolge der Rohstoffschwäche, den Druck, unter den einige große Namen in den USA und Europa geraten sind, und das zunehmende Länderrisiko in den Schwellenländern (Russland, Brasilien, China).

Weltweit versuchen Anleger, die in Unternehmensanleihen investieren, zu ermitteln: Ist dies der Anfang vom Ende des aktuellen Zyklus oder nur eine Pause zwischendurch, die denen eine Chance bietet, die so oder so den Wert erkennen? Komplizierter wird diese Frage noch durch die Rolle der divergierenden Notenbankpolitik und eine immer stärkere Handelsliquidität, die den Vergleich mit früheren Zyklen noch sehr viel schwieriger macht. Diesmal könnte es tatsächlich anders sein.

Es gibt viele Möglichkeiten, den Kreditzyklus zu definieren. Doch für sein Ende müssen definitiv mindestens drei Faktoren gegeben sein: schlechte Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe, steigende Risikoaversion und ein Auslöser. Der Auslöser lässt sich stets nur schwer voraussagen. Und mit Sicherheit befinden wir uns in einem Stadium der erhöhten Risikoaversion, was sich in der weltweiten Zunahme der Volatilität und prozyklischen Bewertungen spiegelt. Daher haben wir bei unserer Analyse versucht, die Messgrößen unter die Lupe zu nehmen, die für uns bestimmend sind für schlechte Rahmenbedingungen.

Vorsicht ist geboten
Unsere jüngste Untersuchung hat, vielleicht nicht überraschend, ergeben, dass viele Kapitalmarktindikatoren zurzeit eher für alternative Schlussfolgerungen sprechen könnten. Daher ist ein gewisses Maß an Vorsicht angesagt, wenn man versucht zu ermitteln, welches Stadium wir im aktuellen Kreditzyklus gerade erreicht haben. Wir stellen einfach fest, dass Kreditzyklen nach wie vor gut integriert sind. Dabei führt eine allgemeine Risikoaversion in Phasen der Flucht in die Qualität generell zu einer Spreaderweiterung.

Bei Berücksichtigung dieser kurzfristigen Überlegungen wird relativ deutlich, dass sich Europa in einem früheren Stadium des Kreditzyklus befindet als die USA. Und dass dieser Prozess noch einige Zeit anhalten dürfte (wahrscheinlich als Folge der gründlicheren Bilanzbereinigung nach der Krise in der Region). Während die grenzüberschreitende Emission ein bereits gut integriertes System der Marktpreisbildung zwischen den USA und Europa noch weiter festigt, dürften europäische Emittenten, deren Verbindungen zu ausländischen Volkswirtschaften lockerer sind, einen längeren Zyklus erleben. Das könnte zur Folge haben, dass sich europäische Emittenten gegenüber einer von den USA ausgehenden Flucht in die Qualität als belastbarer erweisen.

Auswirkungen der geplant strafferen Geldpolitik

Die Preisbildung für auf Dollar lautende Anleihen der Schwellenländer ist nach wie vor eng mit der in den USA verknüpft. Bestimmender Faktor dafür ist eher die globale Risikoaversion als länderspezifische Faktoren. Mehrere Unternehmenskennzahlen wirken weiterhin solide. Das ist größtenteils der praktisch quasi-staatlichen Natur vieler Emittenten in diesen Märkten geschuldet. Natürlich bleiben einige besorgniserregende Rückflussrisiken bestehen, die durch eine weitere Straffung der weltweiten Geldpolitik ausgelöst werden könnten. An diesem Punkt räumen wir ein, dass einige Headline-Risiken in den Schwellenländern weiterhin groß genug sind, um andere Schwellenländer kontaminieren zu können.

Beispiele dafür sind der Krieg in Syrien, der Rückgang in Brasilien und die Abwertung des Renminbi. Wir sind aber nach wie vor überzeugt, dass die Übertragungsmechanismen innerhalb der Schwellenländer eher von oben nach unten als von unten nach oben wirksam sind. Das heißt, dass nach unserer Untersuchung Spillover-Effekte, die von der Verschlechterung der Unternehmensbilanzen in den Schwellenländern ausgehen, relativ unwahrscheinlich sind.

Welche Situation ergibt sich daraus?

Die grundlegenden Kennzahlen und die schwache Wirtschaftsdynamik liefern immer mehr Belege dafür, dass sich die Aufschwungphase dieses Zyklus dem Ende nähert. Nimmt man einige Energietitel aus, so scheinen sich die unternehmerischen Fundamentaldaten am Ende der Zyklusspitze zu bewegen. Das bietet die Möglichkeit für anhaltende Expansion über einen 12-Monate-Horizont hinaus.

Da die Riskoscheu zugenommen hat, scheinen Ausfälle bereits höher eingepreist zu sein, als es angesichts der von uns festgestellten Fundamentaldaten angemessen ist. Die Zentralbanken dürften sich mit ihren Maßnahmen weiterhin zurückhaltend zeigen. Daher ähnelt die aktuelle Lage eher dem Szenario von 2011 als dem von 2007, d. h. es stellt sich eher als eine globale wachstumsbezogene Risikoaversion dar und nicht wie der Anfang vom Ende des Kreditzyklus.
 
1 Quelle: Marks, H. (2011) The Most Important Thing Illuminated: Uncommon Sense for the Thoughtful Investor, New York: Columbia University Press
 
Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von der Schroders Multi-Asset Group und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

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