Schroders: Fünf Trends, die die Märkte bewegen

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos herrschtevor allem Uneinigkeit. Dennoch lassen sich einigeTrends verorten, die zur Zeit die Märkte bestimmen. Dazu gehören vor allem Populismus, Automatisierung und das langfristige Investieren.

21.02.2017 | 15:22 Uhr

 

Uneinheitlichkeit – dieses Wort beschreibt die Stimmung beim Treffen der wichtigsten internationalen Wirtschaftsvertreter wohl am ehesten. Während sich amerikanische Teilnehmer optimistisch zeigten, äußerten sich europäische Vertreter verhalten pessimistisch – ein Spiegelbild der aktuellen Stimmung an den globalen Märkten. Vorherrschend waren Themen rund um die enormen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die durch Populismus, Globalisierung, umwälzende Technologien, Migrationskrise und Ungleichheit entstehen. Aus diesem Umfeld lassen sich fünf wesentliche Trends ableiten, die zur Zeit die Märkte bestimmen:

1. Die vierte industrielle Revolution – Automatisierung von Arbeitsplätzen

Die Bedrohung von Arbeitsplatzabbau durch Automatisierung nimmt drastisch zu. Das Beratungsunternehmen McKinsey veröffentlichte neue Studien, denen zufolge in den USA zwischen 1997 und 2007 86 Prozent der Arbeitsplatzverluste in der Produktion auf die steigende Produktivität und 14 Prozent auf den Handel zurückzuführen waren. Aber damit nicht genug – 1,1 Milliarden Arbeitskräfte und 15,8 Billionen US-Dollar an Löhnen und Gehältern sind Aktivitäten zuzuordnen, die heute aus technischer Sicht automatisierbar sind.

Blicken wir auf die Finanzwirtschaft: Hier beginnen Banker und Versicherungschefs auf das niedrige Wachstum und die niedrigen Renditen zu reagieren und entwerfen konkrete Pläne zur Effizienzsteigerung. Regulatorische Technologie oder „Regtech“ könnte im Compliance-Bereich 50.000 Jobs auslöschen. In Davos wurde unter

Führungskräften von Finanzinstituten und Vertretern verschiedener anderer Beratungsunternehmen eine informelle Befragung durchgeführt. Sie ergab, dass in den kommenden drei bis fünf Jahren 10-30 Prozent aller Aktivitäten der jeweiligen Organisationen automatisiert sein werden.

Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf Angestellte und das lebenslange Lernen sind enorm. Führende Technologieunternehmen wie Google oder Facebook zeigten sich hingegen weitaus optimistischer, vollkommen neuartige Jobs schaffen zu können.

2. Populismus

Die Auswirkungen des Populismus waren die größte Sorge in Davos. Seine Manifestationen werden in den kommenden Jahren wohl zu den wichtigsten Markttreibern zählen. Überraschend war jedoch der fehlende Konsens über die Ursachen von Populismus und Protestpolitik sowie deren Konsequenzen. Die Stagnation der Realeinkommen und die vielfältigen Herausforderungen für die wirtschaftliche und nationale Identität sind komplexe Probleme, die schwer zu lösen sind. Auffallend war, dass der chinesische Präsident Xi die Globalisierung am vehementesten verteidigte. Er argumentierte, dass sie Millionen Menschen von Armut befreit.

Was bedeutet das für Anleger? Es ist davon auszugehen, dass Investments in westlichen Ländern zunehmend eine immer größere Ähnlichkeit zu Investments in Schwellenländern entwickeln werden. Dort ist ein genaues Verständnis des betreffenden Landesrisikos und der politischen Ökonomie unabdingbar. Schwellenländer lehren uns auch, dass Populismus oft inflationär ist. Zweitens müssen wir unsere Investitionen in Zeiten erhöhter Unsicherheit tätigen. Die Gefahr von „Wie-du-mir-so-ich-dir“-Streitigkeiten beschäftigte viele Politiker und Führungskräfte. Zudem erhärtet sich der Eindruck, dass verschiedene Länder die Errichtung finanzieller Mauern durchaus fördern. Doch auch hier gibt es zwei Gesichter der Medaille: Einerseits kann eine stärkere Abschottung im Bankensystem dazu beitragen, Schocks abzufedern. Andererseits hat sie vermutlich negative Auswirkungen auf das Wachstum, sofern die einzelnen Märkte die Lücke nicht schließen können. Die Bankenkrise hat uns gelehrt, dass Europa vielfältigere Möglichkeiten zur Refinanzierung von Unternehmen und des Infrastruktursektors bitter nötig hat.

3. Politischer Wandel – Die Konsequenzen für Zentralbanken

Was bedeutet ein politischer Regimewandel für Zentralbanken und die Entwicklung von Vermögenspreisen? Während sich die meisten darüber einig waren, dass der Reflationshandel insbesondere in den USA der wichtigste Wendepunkt für Vermögenspreise sein wird – und vermutlich das Ende des 30-jährigen Bullenmarktes für Anleihen – gab es kaum Konsens darüber, wie reibungslos der Übergang verlaufen wird. Angesichts dessen, dass wir 2016 an die praktischen Grenzen der Geldpolitik gestoßen sind – man denke nur an die gefährlichen Experimente mit Negativzinsen – verwundert es kaum, dass die Anleger einen Wandel in der Steuer-, Regulierungs- und Handelspolitik herbeisehnen. Die Auswirkungen auf  Vermögenspreise, Marktliquidität, Volkswirtschaften von Schwellenländern und Kapitalflüsse in Schwellenländer zählen dabei zurzeit zu den wichtigsten Themen von Zentralbanken, Bankern und Anlegern.

Meiner Ansicht nach sollten die Korrelationen zwischen Anlageklassen infolge der Einschränkung der quantitativen Lockerungspolitik durch die Zentralbanken dramatisch fallen. Eine größere Divergenz von Vermögenswerten, Sektoren und Wertpapier-Performance könnte sich für scharfsinnige Anleger ebenfalls als positiv erweisen.

Im nächsten Schritt sollten wir unbedingt über die Vermögenswerte nachdenken, deren Kurse von der quantitativen Lockerungspolitik nach oben gehievt wurden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zinsen mit steigender Inflation schneller steigen als angenommen. Während sich die Märkte an moderat handelnde Zentralbanken und „länger niedrigere Zinsen“ gewöhnt haben, ist der Ausstieg aus dem  außergewöhnlichen Finanzexperiment alles andere als klar. Ein Ausstieg wird voraussichtlich viel stärkere Neubewertungen und Rotationen nach sich ziehen als bisher.

Diskussionen über Staatsanleihen der europäischen Peripherie sind allgegenwärtig. Die Fiskalpolitik in der Eurozone befindet sich weitgehend im Tiefschlaf und sie reicht trotz verringerter Belastung durch die Geldpolitik nicht aus, um Strukturprobleme zu lösen. Kapitalgeber vermuten daher, dass die Europäische Zentralbank weiterhin eine moderate Politik betreiben und ihre quantitative Lockerungspolitik schrittweise zurückfahren wird.

Demzufolge könnten uns die Negativzinsen bis 2019 erhalten bleiben. Die Neubewertung zehnjähriger US-Staatsanleihen könnte ihnen aber einen Strich durch diese Rechnung machen. Positiv bleibt anzumerken, dass der jüngste Inflationsanstieg in Deutschland und das zunehmende globale Wachstum viel schneller zu einer Anpassung der europäischen Zinssätze führen könnten.

4. Langzeitinvestitionen absichern

Die Notwendigkeit, Langzeitanlagen durch den Nebel der erhöhten Unsicherheit hindurch abzusichern, ist zu einem wichtigen Thema geworden. Neuen Studien zufolge hätten Langzeitanlagen in den USA fünf Millionen Jobs und eine Billionen US-Dollar Mehrwert schaffen können. Doch die Unsicherheit bewirkt, dass  geschäftliche Entscheidungen kurzfristiger ausgerichtet werden. So schütteten S&P-500-Unternehmen in fünf der sechs letzten Quartale Dividenden aus und führten Aktienrückkäufe durch, anstatt die Investitionen signifikant zu erhöhen.

Zur Bekämpfung kurzer Anlagehorizonte können sowohl praktische als auch politische Schritte ergriffen werden. Die pessimistischeren Institutionen verspürten aufgrund erhöhter Unsicherheiten eine zugrunde liegende Nervosität bei der Frage des richtigen Risikoaufschlages für ein zehn- bis dreißigjähriges Projekt. Diese Nervosität stammt vor allem von europäischen Unternehmen. Optimistischere Anleger äußerten sich eher besorgt darüber, dass die Zinsen infolge der sich erholenden Weltwirtschaft und einer steigenden Inflation viel stärker angepasst werden könnten als erwartet. Aus diesem Grund wollten sie – in der Hoffnung auf höhere Renditen – noch abwarten. Ein durchweg positiver Ausblick hingegen kommt von Unternehmen, die sich auf längerfristige Themen – insbesondere Technologie und Gesundheit – konzentrieren und einen stärkeren Fokus auf die sozialen Auswirkungen von Investitionen legen.

5. Der richtige Einsatz von Daten

Um fehlerhafte Entscheidungen – ob aus Investitions- oder makroökonomischer Sicht – zu vermeiden, plädieren immer mehr Stimmen dazu, eine breite Palette an neuen Datenerkenntnissen heranzuziehen. Der Konsens lautet: Aus Daten gewonnene Erkenntnisse zur Lösung von Anlageproblemen zu verwenden, ist entscheidend für die Erhaltung eines Anlagevorsprungs. „Kein Mensch kann eine Maschine schlagen, aber keine Maschine kann einen Menschen mit einer Maschine schlagen. Ein Beispiel für fehlerhafte Entscheidungen aus jüngster Vergangenheit ist das Verhalten der Zentralbanken.Dass sie mehrfach falsch gehandelt haben, darüber war sich die Mehrheit der Teilnehmer in Davos einig. Einer der Fehler war, dass sie von einer reibungslosen Wirtschaft ohne nach beiden Seiten ausschlagenden Kreditexzessen ausgingen und zudem Banken und finanzielle Multiplikatoren ignorierten. Ihre Modelle waren Schönwettermodelle. Als die Krise begann, boten sie keinen nützlichen Rahmen, auf den man sich hätte stützen können, sodass auf die Finanzgeschichte zurückgegriffen werden musste. Obwohl einige Fortschritte erzielt wurden, waren einer der größten politischen Fehler des Jahres 2016 wohl die Negativzinsen – ein Signal, dass noch viel zu tun ist.

Der Autor, Huw van Steenis, ist Global Head of Strategy bei Schroders und Mitglied der Gruppe „Disruptive Innovation in Financial Services“ des Weltwirtschaftsforums. Bis vor kurzem war er Mitglied des „Agenda Council on Banking“ des Weltwirtschaftsforums.

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