Schroders: Ist der "Vormarsch der Roboter" gut für Anleger?

Die Welt könnte dank der unglaublichen Automatisierungsfortschritte auf eine dystopische oder florierende Zukunft zusteuern. Wir blicken auf das Roboterzeitalter und darauf, was es für Anleger bedeuten könnte.

02.08.2017 | 07:52 Uhr

Die Nachrichtenagentur Reuters hat kürzlich aufgedeckt, dass nicht weniger als 400 ihrer Nachrichtenartikel jeden Tag von Robotern geschrieben werden. Und was noch viel deprimierender für Journalisten sein dürfte: Laut den Lesern sind viele der von Robotern verfassten Reuters-Texte besser zu lesen als die aus menschlicher Hand.

IBM hat inzwischen eine „Maschine“ für künstliche Intelligenz entwickelt, die die Leistung menschlicher Onkologen bei der Diagnose und Behandlung von Krebsleiden in fast einem Drittel der Fälle übertrifft.

Ist die Zukunft glänzend oder düster?
Mit Entwicklungen wie diesen lässt sich leicht ein düsteres Bild von weiteren atemberaubenden Automatisierungsfortschritten zeichnen, die eine zunehmend gespaltene Gesellschaft schaffen, in der ein so genanntes „zweites Maschinenzeitalter“ Massenentlassungen verursacht und gleichzeitig eine immer reicher werdende Roboter-besitzende Klasse hervorbringt. Blickt man auf die technologischen Veränderungen in der Geschichte zurück, kann man allerdings durchaus optimistischere Schlussfolgerungen ableiten.

In unserer jüngsten Forschungsarbeit zu diesem Thema sind wir zuversichtlich, dass der Vormarsch der Roboter langfristig weder zu Massenarbeitslosigkeit noch zu eklatanter Ungleichheit führen wird, solange wir angemessen auf die Entwicklung reagieren. Mit unvermeidbaren Übergangskosten ist jedoch zu rechnen.

Die Auswirkungen bisher
Viele würden an dieser Stelle anführen, dass die schädlichen Auswirkungen der Automatisierung in den USA bereits zu spüren sind, wo Technologie und Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten zu einer „Aushöhlung“ der Arbeitsplätze im Fertigungssektor geführt haben. Nun schreitet die Automatisierung auch in gering qualifizierten Dienstleistungstätigkeiten sowie in Bereichen rasant fort, die traditionell hoch qualifizierten Büroarbeitern vorbehalten waren (wie die Beispiele von Reuters und IBM zeigen).

Die resultierende Zunahme der Ungleichheit könnte die Verbrauchernachfrage dämpfen, Druck auf die Staatsfinanzen ausüben und sogar den Populismus in den Industrieländern weiter anfachen.


Hoffnung aus der Geschichte
Ein Blick auf die Geschichte technologischer Veränderungen macht Hoffnung. Zum einen hat Technologie im Laufe des 20. Jahrhunderts zu enormen Produktivitätssteigerungen geführt, wodurch die Lebensstandards aller gestiegen sind, und zum anderen hat sie fast sicher mehr Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet. Zudem dürfte eine Revolution in der Automatisierung die so dringend notwendige Steigerung der Produktivität herbeiführen, sodass auch das Trendwachstum zunimmt.

Ein solcher Impuls würde nicht nur das jüngst so schwache Produktivitätswachstum in vielen Ländern, sondern auch den Druck auf das Wachstum aufgrund der Alterung der Bevölkerung ausgleichen. Dies gilt vor allem für die Industrieländer, die mit höherer Wahrscheinlichkeit über die Ressourcen und das Know-how verfügen, um die Automatisierungstechnologie vorteilhaft einzusetzen.

Sollte sich dieser Ausblick bewahrheiten, so könnte dies die gängige These, dass Entwicklungsländer mit großen, jungen Bevölkerungen über einen deutlichen demografischen Vorteil gegenüber den Industrieländern verfügen, infrage stellen. 

Technologie-Dystopie versus positiver Produktivitätsschock
Wir wissen jedoch, dass dezidierte Schlussfolgerungen nur schwer zu ziehen sind. Angesichts der großen Unsicherheit ziehen wir es vor, verschiedene mögliche Auswirkungen zu betrachten, die zwischen zwei Extremszenarien liegen: einer „Technologie-Dystopie“ mit hoher Arbeitslosigkeit und zunehmender Ungleichheit auf der einen Seite. Und auf der anderen einem „positiven Produktivitätsschock“, bei dem die Automatisierung einen weit verbreiteten Produktivitätsboom auslöst.

Hierbei ist natürlich die zeitliche Abfolge von Bedeutung: Die Entwicklung könnte in Richtung Technologie-Dystopie gehen, bevor sich die Politik und die Arbeitsmärkte anpassen können.

Die Anlageperspektive
Aus Anlegerperspektive ist die Technologie-Dystopie eine Welt, in der viele der aktuellen Belastungen, denen die Weltwirtschaft ausgesetzt ist, noch zunehmen: schwache Nachfrage, verhaltene Inflation, niedriges Lohnwachstum und Ungleichheit. Bei einer anhaltend niedrigeren Inflation würden die Renditen von Staatsanleihen der Industrieländer wohl weiter fallen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Aufschläge, die Anleiheanleger üblicherweise als Ausgleich für das Inflationsrisiko fordern, in hohem Maße verringern würden.

Carry-Positionen (also das Streben nach der Rendite, die sich aus dem bloßen Halten eines Vermögenswerts ergibt), insbesondere Unternehmensanleihen, wären weiterhin nachgefragt. Risikoanlagen (also Aktien, Rohstoffe, Unternehmensanleihen, Immobilien sowie alle Vermögenswerte, die keine risikofreien Anlagen darstellen) könnten jedoch zeitweise durch das Aufflammen von Populismus und politischer Unsicherheit belastet werden.

In einem freundlicheren Zukunftsszenario, also wenn die Automatisierung dazu beiträgt, dass die Weltwirtschaft ihre gegenwärtige Malaise überwindet, dürften die Renditen von Industrieländeranleihen schließlich ihre Fünfjahresspanne nach oben durchbrechen. Die bessere Stimmung könnte sogar zu einer kräftigen, von Nachfrage getriebenen Inflation führen. In gewisser Weise würde sich der nach der Wahl von Präsident Trump aufgetretene „Reflationshandel“ verstärken.
So dürfte sich ein sehr günstiges Umfeld für Risikoanlagen aus Industrieländern ergeben, in dem sich auch Rohstoffe und inflationsgeschützte Anlagen gut entwickeln. Hier wäre eine Untergewichtung (oder Short-Position) in Industrieländeranleihen sicherlich angebracht.

Um die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen zu können, müssen die Anleger genau darauf achten, wie die Politik und die Gewinner der Automatisierung die schwierige Aufgabe angehen, die finanziellen Vorteile breiter zu verteilen. Dann müssen sie entsprechend handeln können.

 

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von Huw van Steenis, Global Head of Strategy, und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. 

 

Dieser Artikel wurde am 02.08.17 auch auf schroders.com veröffentlicht.

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