Schroders: Klimawandel-Umfrage: Steigende Inflation erwartet

Volkswirte von Investmentbanken schließen steigende Inflation aufgrund des Klimawandels nicht aus.

22.03.2016 | 09:24 Uhr

Wir befragten Volkswirte von Investmentbanken, wie sich aus ihrer Sicht der Klimawandel auf die Weltwirtschaft auswirkt. Die Ergebnisse stimmen mit unserer eigenen Analyse überein: Der Klimawandel stellt eine große Bedrohung dar und wird sich wahrscheinlich durch steigende Inflation bemerkbar machen. Gleichzeitig behindert kurzfristiges Denken die Bemühungen zur Eindämmung der Folgen.

Nach der Veröffentlichung unserer Studie The impact of climate change on the global economy (PDF, auf englisch) wollten wir unsere Analyse zum Klimawandel breiter aufstellen; daher interessierte uns die Meinung ausgewählter Investmentbanken (der sogenannten Sell Side). Ein entsprechend entworfener Fragebogen enthält Schlüsselfragen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltwirtschaft. Seine Auswertung legt folgende Schlüsse nahe:

Der Klimawandel stellt eine erhebliche Bedrohung für die Weltwirtschaft in diesem Jahrhundert dar.

Einen überproportional hohen Anteil der wirtschaftlichen Kosten, die durch den Klimawandel entstehen, werden wohl die Schwellenländer zu tragen haben; besonders, da sie die Herausforderungen des Klimawandels schlechter bewältigen können.

Durch den Klimawandel wird die Inflation in der Weltwirtschaft steigen. Höhere Preise für Lebensmittel und Wasser, steigende Energiekosten und umfangreichere CO2-Steuern: Dies sind nur einige Faktoren, die die Inflation voraussichtlich befeuern werden.

Was ist dagegen das größte Hindernis für politische Maßnahmen gegen Klimarisiken? Hier dürfte die Sorge im Vordergrund stehen, dass die eigene Volkswirtschaft international verglichen ins Hintertreffen geraten könnte.

Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die Beteiligungsquote bei rund 25 % lag. Zwar unterliegen einige der Befragten Beschränkungen, gleichwohl legt die Zahl nahe, dass die Gemeinschaft der Volkswirte im Investmentbanking und im Brokerage-Geschäft die Auswirkungen des Klimawandels als zentrales Thema noch nicht vollständig im Blickfeld hat. Außerdem haben selbst einige der Antwortenden den Klimawandel nicht in ihre Prognosen einbezogen. Als Grund gaben viele die Ungewissheit über die Auswirkungen und die langen Zeithorizonte an und stellten nicht etwa den Klimawandel als solchen in Frage. Trotzdem erstaunen die Ergebnisse – besonders wegen der erheblichen Kapitalmengen, die etwa in der Energie- und der Versicherungsbranche (die beide betroffen sein werden) gebunden sind; zudem darf man nicht außer Acht lassen, dass das Problembewusstsein unter Investoren wächst.

Im Folgenden stellen wir die Ergebnisse der Umfrage vor, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das weltweite Wachstum und die Inflation, die regionale Wirtschaftsentwicklung und die Sektoren der Weltwirtschaft beschäftigt. Wir untersuchen auch einige Kräfte, die der Umsetzung politischer Maßnahmen zur Eindämmung der Klimawandels entgegenstehen.

Der Klimawandel bedroht die Weltwirtschaft ganz erheblich

In der Umfrage zeigten sich die Teilnehmer besorgt über die mittel- und langfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltwirtschaft: Alle Befragten gehen davon aus, dass der Klimawandel eine große oder sehr große Gefahr für die Weltwirtschaft darstellt (Abbildung 1).


Zwar herrscht Einigkeit darüber, dass die Erderwärmung ein Risiko für die Weltwirtschaft darstellt, allerdings waren die Befragten überwiegend geteilter Meinung darüber, ab wann sich der Klimawandel negativ auf die Produktion auswirken wird. Mehrere Volkswirte glauben, dass der Klimawandel sich schon heute negativ bemerkbar macht; andere gehen hingegen von negativen Folgen zur Mitte dieses Jahrhunderts aus. Interessanterweise sind mehrere Umfrageteilnehmer der Ansicht, dass sich der Klimawandel letzten Endes positiv auf die Weltwirtschaft auswirken wird, da sich ihrer Meinung nach die Einführung neuer Technologien als langfristig förderlich für die wirtschaftliche Aktivität erweisen könnte.

Der Klimawandel wird die weltweite Wirtschaftsaktivität voraussichtlich auf vielfache Weise beeinflussen. Wir baten die Umfrageteilnehmer, die drei wichtigsten negativen Einflussfaktoren der Erderwärmung auf die weltweite Wirtschaftsleistung nach Priorität zu ordnen. Extreme Wetterbedingungen und Zerstörungen durch Überflutung werden nach Ansicht der Befragten den Kapitalstock belasten und so den größten Negativeffekt auf die Wirtschaftsleistung haben (Abbildung 2). Auch Massenmigration und die dadurch hervorgerufenen Sicherheitsbedrohungen werden sich voraussichtlich negativ auswirken, wenn sich die Erde weiter aufheizt. Ein weiterer Grund für die Beeinträchtigung der weltweiten wirtschaftlichen Aktivität infolge des Klimawandels ist ein Rückgang der Arbeitskräfte aufgrund höherer Sterblichkeitsraten. Auch eine stärker verbreitete Einpreisung negativer externer Auswirkungen und politischer Maßnahmen (wie beispielsweise eine Besteuerung von Energie) spielen eine Rolle. Zum letzten Punkt merkte einer der Befragten an: „Politische Reaktionen zur Bekämpfung des Klimawandels werden voraussichtlich kurzfristig Kosten verursachen, sich langfristig jedoch als gewinnbringend erweisen.“

Der Klimawandel wird wahrscheinlich inflationssteigernd wirken

Außerdem wollten wir wissen, ob der Klimawandel sich eher inflationär oder deflationär auf die Weltwirtschaft auswirken wird, sollten politische Maßnahmen zu seiner Eindämmung ausbleiben. 80 % der Antwortenden gehen davon aus, dass die Erderwärmung die Inflation anheizen wird. Die restlichen 20 % sind sich der Wirkung nicht sicher. Inflation (oder auch Deflation) als Folge des Klimawandels könnte sich in vielfältiger Weise auswirken. Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben wir die Volkswirte nach ihren Erwartungen für fünf mögliche Wirkungsbereiche gefragt. Die Ergebnisse sind nachfolgend dargestellt.

e Abbildung 3 zeigt, herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass Versicherungskosten die Inflation wahrscheinlich in die Höhe treiben. Zudem nimmt die Mehrheit an, dass sich infolge des Klimawandels Lebensmittel und Wasser verteuern. Ebenfalls bemerkenswert ist die Tendenz hin zu steigenden und nicht fallenden Energiepreisen. Die größte Unsicherheit herrschte über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lohnkosten. Nur 20 % erwarten hier eine Steigerung, die restlichen 80 % waren sich nicht sicher.

Schwellenländer sind am meisten vom Klimawandel bedroht

Es ist unwahrscheinlich, dass die wirtschaftlichen Folgen der Erderwärmung weltweit gleich verteilt sein werden. Ein Befragter brachte die Situation auf den Punkt: „Der Klimawandel ist schlecht für die Weltwirtschaft, aber es wird Gewinner und Verlierer geben.“ Wir wollten wissen, ob die größten Folgekosten (in % des BIP) des Klimawandels im 21. Jahrhundert eher auf Schwellenländer oder Industriestaaten zukommen werden. Die eindeutige Antwort war, dass die Schwellenländer deutlich stärker belastet sind. Eine Reihe Faktoren macht die Schwellenländer anfälliger für die Klimafolgen: Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte (Brain Drain), Unvermögen zur Bekämpfung von Krankheitsausbrüchen, begrenzte finanzielle Ressourcen zur Bewältigung der Folgekosten des Klimawandels.

Die Ergebnisse der Umfrage deuten darauf hin, dass Afrika und Asien besonders anfällig sind. Ein Volkswirt sagte dazu: „Asien erscheint besonders der Gefahr von Überflutungen durch starken Regen ausgesetzt; gleichzeitig bedroht der steigende Meeresspiegel die tiefer gelegenen Regionen.“ Ein anderer Teilnehmer verwies darauf, dass in Asien „nur begrenzte Mittel zur Verfügung“ stünden, um sich gegen den Klimawandel aufzustellen, weil „Mensch und Natur hier deutliche Belastungsmerkmale aufweisen.“

Öl- und Gastunternehmen wohl die größten Verlierer

Gemäß den Kategorien von Bloomberg für den S&P 500 wollten wir wissen, welche Sektoren der Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden. Über die Hälfte der Teilnehmer gehen davon aus, dass alle zehn Sektoren in irgendeiner Weise negativ beeinflusst würden. Hier zeigt sich die weitreichende Wirkung, die der Klimawandel voraussichtlich in Zukunft haben wird. Die Umfrageergebnisse zeigen allerdings auch, dass die Volkswirte weniger überzeugt von den Auswirkungen auf die Telekommunikations- und Technologiebranche sind. Zusätzlich fragten wir nach dem Sektor, der am stärksten betroffen sein wird. Zwar sind die Ergebnisse nicht ganz einheitlich, doch viele der Befragten nannten sowohl die Öl- und Gasbranche als auch Versorger als größte Verlierer. Ein Teilnehmer fasste zusammen, „dass emissionslastige Sektoren am stärksten betroffen sein werden.“

Sorge um internationale Wettbewerbsfähigkeit verhindert effektive politische Maßnahmen

Viele glauben, dass Regierungen nicht schnell und entschlossen genug handeln, um eine deutliche Richtungsänderung in den erwarteten Emissionskurven für die Weltwirtschaft zu erzielen. Vor diesem Hintergrund baten wir unsere Teilnehmer um eine Einordnung der drei wichtigsten Faktoren, die politische Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels behindern. Die Antworten mit der höchsten Bewertung sind in Abbildung 4 zu sehen.

Die Volkswirte weisen deutlich auf ein Dilemma mit dem Klimawandel und seiner Bekämpfung hin: Neue Vorschriften können die internationale Wettbewerbsfähigkeit einschränken – was Fortschritte in der Bekämpfung des Klimawandels zu behindern droht. Kurz- und mittelfristig besteht für Regierungen aller Länder wenig Anreiz, Gesetze zum Klimaschutz zu erlassen. Hier scheint die Gefahr zu groß, im internationalen Vergleich schlechter abzuschneiden. Dies führt uns zu der zweitgrößten Hürde für die Bekämpfung des Klimawandels. Der lange Zeithorizont, über den sich die Kosten voraussichtlich erstrecken werden, gilt als Hindernis für Fortschritte. Insgesamt motiviert das kurzfristige Denken der Regierungen und des Privatsektors kaum zum schnellen Handeln, um weiter in der Zukunft liegende Verluste zu vermeiden.

Zudem stehen auch die hohen Bandbreiteschätzungen zu den durch den Klimawandel verursachten wirtschaftlichen Schäden nach Meinung der Experten einer erfolgreichen Klimapolitik im Weg. Da die Einschätzungen so stark auseinanderliegen, zweifeln manche an der wirklichen Bedrohung des Klimawandels für die Weltwirtschaft. Dieser Trend wurde auch sichtbar, als wir gefragt haben, wie sich die Schäden für das weltweite BIP bei steigenden Temperaturen am besten beschreiben lassen. Zur Wahl standen drei unterschiedliche Schadensfunktionen, die den Rückgang des globalen BIP im Verhältnis zur Erwärmung in Grad abschätzen. Die Mehrheit der Befragten war sich nicht sicher, welche dieser Funktionen mögliche klimabedingte wirtschaftliche Schäden am treffendsten darstellt.

Die Umfrageergebnisse stimmen mit unserer Analyse überein

Insgesamt entsprechen viele Schlussfolgerungen aus der Umfrage den Ergebnissen unserer Studie „The impact of climate change on the global economy“. Die Umfrageergebnisse stützen unsere These, dass der Klimawandel eine erhebliche Bedrohung darstellt, die das Wirtschaftswachstum langfristig belasten dürfte.

Einigkeit bestand auch darin, wie der Klimawandel zu Produktionsrückgängen führen wird. In unserer vorherigen Studie wiesen wir auf die Risiken für den Kapitalstock durch Schäden infolge extremer Wetterereignisse hin. Im Schnitt hielten die Teilnehmer unserer Umfrage dieses Risiko als den möglicherweise schädlichsten Faktor für das weltweite BIP. Wir gehen außerdem von einer niedrigeren Arbeitsproduktivität durch klimabedingte Krankheiten aus. Ähnlich äußerte sich auch ein Teilnehmer, als er „einen Rückgang der Beschäftigtenzahl wegen höherer Sterblichkeit aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen“ als Grund für mögliche Rückgänge des globalen BIP anführte. Auch politische Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels werden die Produktion nach Meinung mehrerer Umfrageteilnehmer vor allem kurzfristig drosseln. Unsere eigenen Untersuchungen legen nahe, dass aggressive politische Massnahmen kurzfristige Kosten verursachen könnten. Allerdings würden diese Kosten im Vergleich zum Nichtstun verhältnismässig gering ausfallen.

Unsere vorherige Veröffentlichung wies auch darauf hin, dass sich der Klimawandel inflationssteigernd auf die Weltwirtschaft auswirken würde. Die von uns befragten Experten waren überwiegend derselben Meinung. Genau wie wir gehen die Volkswirte aufgrund der Erderwärmung von steigenden Versicherungskosten, Preisen für Lebensmittel und Wasser sowie höheren Stromrechnungen aus. Außerdem erwarten wir, dass steigende Meeresspiegel und höhere Durchschnittstemperaturen nach und nach die Fläche an bewohnbarem Land verringern und die Kosten für Land in die Höhe treiben werden. Insgesamt teilten die Befragten diese Meinung, äusserten sich aber weniger deutlich als zu den vorherigen Faktoren.

Was regionale Unterschiede betrifft, war deutlich, dass die Volkswirte die größeren ökonomischen Risiken durch den Klimawandel in Schwellenländern und nicht in Industrieländern vermuten. Wir halten diese Einschätzung aus mehreren Gründen für zutreffend. Zum einen hängen Entwicklungsländer wesentlich mehr von der Landwirtschaft ab – und diese ist bei verändertem Klima besonders anfällig. Dazu kommt der geringere finanzielle Spielraum, um sich anzupassen und auf die wirtschaftlichen Schäden durch den Klimawandel einzustellen. Auch dies macht Entwicklungsländer verwundbarer. In unserer vorherigen Analyse zum Klimawandel kamen wir zu dem Ergebnis, dass es einer gemeinsamen Vereinbarung von Regierungen und Unternehmen bedarf, um eine anhaltende deutliche Erwärmung zu verhindern. In der Realität ist das jedoch schwer umzusetzen. Die Mehrheit der Befragten nannte die Sorge vor Wettbewerbsnachteilen für die eigene Wirtschaft durch gesetzliche Vorgaben als die wichtigste Hürde für eine effektive Politik. Dieser Punkt verdeutlicht, warum ein weltweites Abkommen zum Klimawandel so schwer zu erreichen ist. Trotzdem ist das unlängst während des COP21-Treffens vereinbarte Pariser Abkommen ein Schritt in die richtige Richtung hin zu einer gemeinsamen Politik. Dem wirkt allerdings der derzeit niedrige Ölpreis entgegen. Der Kollaps des Ölpreises im letzten Jahr mindert die Anreize, in emissionsarme grüne Technologie zu investieren.

Investoren müssen Risiken durch Klimawandel in ihre Analysen einbeziehen

An dieser Stelle bedanken wir uns noch einmal bei allen Teilnehmern der Befragung. Die detaillierten Antworten vieler Befragten gaben nützliche Einblicke in ein Thema, das zum Nachdenken anregt und sicher in naher Zukunft noch stärkere Bedeutung erlangt. Wir gehen davon aus, dass die Suche nach Lösungen verstärkt werden wird, wenn die konkrete Bedrohung für die Weltwirtschaft durch den Klimawandel zunimmt.

Die Finanzindustrie hat den Klimawandel noch immer nicht vollständig als Risiko für die Wirtschaft und die Preisfindung anerkannt. Investoren werden die Risiken durch Klimawandel in ihren Anlagemodellen berücksichtigen müssen, wenn die Beweise für die Erderwärmung deutlicher und die Konsequenzen drastischer werden. Aktionäre müssen in der Bekämpfung der Erderwärmung eine Rolle übernehmen, indem sie aktiver werden. Aber genau wie Regierungen werden sie vor allem an kurzfristigen Ergebnissen gemessen: Daher müssen neue Wege gefunden werden, um den zeitlichen Horizont von Anlegern zu erweitern. Was unsere eigenen Analysen betrifft, so werden wir die Auswirkungen des Klimawandels in unseren mittelfristigen Prognosen für Volkswirtschaften und Märkte berücksichtigen.

Wir haben die Umfrage im Dezember 2015 an insgesamt 18 Investmentbanken und Broker verschickt. Über einen Zeitraum von rund zwei Wochen erhielten wir fünf Antworten, was einer Rücklaufquote von 28 % entspricht. Die Antwortquote bei den Fragen war insgesamt hoch, abgesehen von optionalen Fragen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Preise und Wegen zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Bei diesen Fragen lag die Antwortquote bei 60 %.

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen vom Economics Team und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

Diesen Beitrag teilen: