Schroders: Kraftwerkskohle am Ende?

Kraftwerkskohle gerät aus wirtschaftlichen Gründen wie auch wegen ihrer Umweltverträglichkeit immer stärker unter Druck.

15.03.2016 | 09:09 Uhr

Anleger, die in Bergbaufirmen investieren müssen sicherstellen, einen realistischen Ansatz zu verfolgen.Welche der wichtigen fossilen Brennstoffe für das Erzeugen von Energie setzt beim Verbrennen das meiste Kohlendioxid frei? Exakt, es ist Kohle. Die Umstellung von kohlebefeuerten Kraftwerken auf kohlenstoffärmere und erneuerbare Energieformen ist in den Industrieländern bereits im vollen Gange.Und so wird auch Kraftwerkskohle in den großen Schwellenländern künftig eine immer geringere Rolle spielen, um die Nachfrage nach Energie zu decken. Bestärkt durch den Erfolg der Pariser Klimakonferenz im Dezember 2015 sind wir von einer Entwicklung überzeugt: Nämlich dass diesen Ländern der Umstieg auf kohlenstoffarme Energiequellen schneller gelingen wird, als es die Märkte erwarten. Kraftwerkskohle hat bereits jetzt die Talsohle ihres Preises erreicht. Und es erscheint unwahrscheinlich, dass sich die Situation wieder erholen wird.

Die Debatte um die sogenannten gestrandeten Vermögenswerte hat viele Analysten dazu bewegt, über die „unverbrennbaren“ Kohlereserven unter Tage nachzudenken. Doch bei Unternehmen und im Bergbau hat sich bisher wenig getan. Produzenten von Kraftwerkskohle müssen jetzt aktiv werden, um ihre Portfolios umzustellen – und sie müssen überdenken, an welchen Stellen sie langfristig Kapital an Kohleprojekte binden wollen.

Große Bergbauunternehmen orientieren sich neu

Wir haben die vier führenden internationalen und diversifizierten Bergbauunternehmen unter die Lupe genommen. Dabei haben wir folgende Aspekte untersucht:

  • Den Kohleanteil in ihrem Produktangebot
  • Die Produktionskosten
  • Die Veränderungen der Kohlenachfrage in ihren jeweiligen Märkten
  • Die möglichen Anpassungen im Portfolio

In einem sehr angespannten Umfeld für Rohstoffe haben wir analysiert, welche Minen gewinnbringend arbeiten; zugleich haben wir geschätzt, wie hoch die Reservemengen in den Minen mit den höchsten Betriebskosten sind. Die vier Bergbauunternehmen sind anfangs relativ vorsichtig in die Debatte über gestrandete Vermögenswerte eingestiegen. Mittlerweile ist ihr Ansatz nuancierter und lösungsorientierter geworden. Jedes der Unternehmen hat die eine oder andere Investition in sauberere Kohle getätigt. Zusätzlich oder alternativ hat man sich mit der Frage der CO2-Abscheidung in den Emissionen beschäftigt. Insgesamt haben die meisten Unternehmen einen stillen Ausstieg aus der Kraftwerkskohle durchgeführt.

Bergbauunternehmen, die teilweise über den betrieblichen Kosten von 60 US-Dollar je Tonne arbeiten

Kohle lokal betrachtet … Saubere Produktion gewinnt

Wichtig ist es, auch die zentralen inländischen Märkte und ihre größten Akteure zu berücksichtigen. Deren Kohleproduktion ist so mit der Nachfrage, dem Angebot und der Regulierung vor Ort verbunden, dass jeder noch so kleine Faktor – z. B. die CO2-Regulierung – dauerhafte Folgen haben kann.

Indien – ein unberechenbarer Faktor

In Indien gibt es immer noch ein großes Wachstumspotenzial für Kohle. Das Land wird die Importe von Kraftwerkskohle in den kommenden zwei bis drei Jahren senken. Das kommt den inländischen Akteuren zwar zugute. Doch die verschärfte CO2-Regulierung wird letztendlich auch hier das Wachstum bremsen. Bis 2019 dürften die Kapitalausgaben für Solarenergie die Investitionen in Kohle übersteigen. Indien hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 40 Prozent seiner Stromerzeugung über erneuerbare Energien zu decken.

China – Hunger nach sauberer Kohle

Energie aus Kohle macht derzeit 66 % des Verbrauchs in China aus. Schon sehr bald wird die Nachfrage durch inländische Firmen gedeckt weden. Außerdem wird die Nachfrage sinken, da sich die Konjunktur abkühlt und der Klimawandel sich verschärft– und das gilt entsprechend auch für die Umweltschutzmaßnahmen. Inländische Unternehmen, die bereits in sauberere Kohle investieren, werden kurz- bis mittelfristig profitieren.

USA – breiter aufstellen oder exportieren

Der Rückgang des Kohlemarktes in den USA hängt wesentlich mit dem Aufstieg des billigeren Schiefergases zusammen. Doch neue Vorschriften in Bezug auf den Ausstoß von kohlebefeuerten Kraftwerken könnte der Entwicklung ein jähes Ende bescheren. Inländische Kohleunternehmen stellen ihr Produktangebot daher breiter auf oder greifen nach dem Exportmarkt. Die besser aufgestellten Unternehmen werden folgende Aspekte unter Beweis zu stellen haben:

  • Eine zukunftsorientierte und realistische Haltung gegenüber Kohle in ihren Portfolios
  • Kenntnis der lokalen und regionalen CO2-Vorschriften
  • Investitionen in sauberere Kohle
  • Strenge Energiesparmaßnahmen

Anleger sollten sich daher fragen: ist der Buchwert von Vermögenswerten auf Kohlebasis in Gefahr? Denn wegen hohen Verschuldungsquoten und rückläufigen Deckungsgraden dürften einige Unternehmen kaum in der Lage sein, weitere Abschreibungen zu überstehen. Und schlussendlich sollten Anleger zukunftsorientiert und auch langfristig denken – und die wirtschaftlichen Beweggründe für den Bergbau genau überprüfen. Das gilt gerade für zukunftsorientierte Anreize und die Positionierung über den Tag hinaus – denn schließlich ist die Lebensdauer eines Kohlekraftwerkes in aller Regel sehr viel länger als die Amtszeit eines einzelnen Geschäftsführers.
 
Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von Seema Suchak, ESG Analyst, und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

Diesen Beitrag teilen: