Schroders: Live - Brexit Spezial

Experten von Schroders diskutieren vor der Kamera die Auswirkungen des Brexits.

06.07.2016 | 09:12 Uhr

Wie sich die Brexit-Entscheidung genau auswirken wird, bleibt gegenwärtig unklar. Doch für einen ersten genaueren Blick auf die Konsequenzen trafen sich Experten von Schroders, um beim Schroders Live – Brexit Spezial nicht nur die wichtigsten Themen zu besprechen; ebenfalls ging es darum, wie Anleger mit den unmittelbaren Folgen der Marktreaktionen umgehen werden.

Die Teilnehmer von Schroders:

• Peter Harrison – Chief Executive Officer

• Azad Zangana – Senior-Volkswirt und Stratege, Europa

• Marcus Brookes – Leiter Multi-Manager

• Nicholette MacDonald-Brown – Fondsmanagerin, europäische Aktien

Andrea Catherwood übernahm als vielfach ausgezeichnete Journalistin die Moderation.

Kaum Parallelen zu 2008/09

Die Runde war sich einig, dass die Ereignisse am Tag nach der Abstimmung nur sehr wenige Parallelen zur globalen Finanzkrise 2008/09 aufweisen. Vor allem unterscheidet sich die Gesundheit vieler Unternehmen, die heute viel besser aufgestellt sind.

Die „immense Überschuldung im System“ war für Peter Harrison der wesentliche Wegbereiter für die Ereignisse von 2008/09. Und er fügte hinzu: „Hier geht es darum, dass Großbritannien eine Handelsgemeinschaft verlässt. Es geht nicht um globale Verschuldung oder einen Zusammenbruch des Welthandels. Meines Erachtens unterscheiden sich die Ereignisse doch mehr als deutlich.“

Starke Unternehmensbilanzen

Bei der Diskussion möglicher politischer Reaktionen und möglicher Konsequenzen außerhalb des Finanzsektors war man sich einig: Die wichtigen Zentralbanken verfügen definitiv nicht über eine Zauberformel, um sämtliche Probleme auf einen Schlag zu lösen. Dieses Mal, so Nicholette MacDonald-Brown, spielen einzelne Unternehmen eine wichtige Rolle, um das Vertrauen zu stärken. Und sie unterstrich noch einmal, dass die Situation der Unternehmen gerade bei den Bilanzen deutlich besser ist als 2008.

„Werden einige dieser Unternehmen sich ihren Herausforderung stellen? Werden sie ihre finanziellen Möglichkeiten nutzen und Aktien zurückkaufen? Werden sie also sichtbar ihr Vertrauen in ihr eigenes Unternehmen unter Beweis zu stellen?“, stellte die Fondsmanagerin als Fragen in den Raum. Denn sie betonte auch:

Die Zentralbanken werden sich schwer tun, allein mit wohlklingenden Ankündigungen für mehr Vertrauen zu sorgen. Sind einzelne Unternehmen dazu besser in der Lage? Komplett unwahrscheinlich ist das nicht.

Furcht vor politischen Auswirkungen

In Hinblick auf die unmittelbaren wirtschaftlichen Perspektiven Großbritanniens wies Azad Zangana auf zwei direkte Probleme hin: niedrigeres Wachstum sowie höhere Inflation. Er nimmt zwar grundsätzlich an, dass die Bank of England die Zinsen senken wird, eine umgehende Reaktion hielt er allerdings für unwahrscheinlich. Seiner Meinung nach wird die Bank noch abwarten, denn für ihre Einschätzung der wirtschaftlichen Lage Großbritanniens dürften insgesamt die auf die Zukunft bezogenen Indikatoren eine Rolle spielen.

Azad warnte zudem vor den politischen Risiken des Brexit: Denn aus seiner Sicht sind genau diese politischen Risiken möglicherweise noch viel weitreichender (etwa durch die Wahlen in Frankeich und Deutschland) als direkte wirtschaftliche Schwierigkeiten. Schließlich sieht er die Gefahr für eine politische Ansteckung an den Rändern Europas „genauso gegeben wie in den Kernländern“. Als Grund führte er EU-Gegner in anderen Staaten an, die ihrerseits auf eigene Referenden drängen könnten. Solche Tendenzen sind zwar grundsätzlich ein Risiko, Azad unterstrich jedoch, dass es sich hierbei nicht um das Basisszenario mit den wahrscheinlichsten Entwicklungen handelt.

Nicht der Moment für große Panik

Auf die Frage, wie sich der Brexit langfristig auf die britischen Märkte auswirken würde, erinnerte Nicholette zunächst daran, dass im britischen Aktienindex FTSE 100 vertretene Unternehmen einen Großteil ihrer Gewinne außerhalb Großbritanniens erwirtschaften. Dass mittelständische Unternehmen mit ihrer Ausrichtung auf den britischen Markt deutlich stärker gefährdet sind, scheint hingegen bereits größtenteils eingepreist zu sein.

„Bei den derzeitigen Marktentwicklungen handelt es sich um eine Abwertung. Und die unmittelbaren Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne sind nur sehr schwer einzuschätzen“, so die Fondsmanagerin. Mit einem schwächeren britischen Pfund könnten sich neue Möglichkeiten für Fusionen und Übernahmen auftun, da Unternehmen in Großbritannien für ausländische Käufer attraktiver bewertet sind.

Weitaus eindeutiger haben hingegen langfristig orientierte Anleger auf die Entwicklung des Marktes reagiert. „Kein Grund zur Panik“, subsumierte Nicholette: „Langfristig ergeben sich in der Regel aus solchen Entwicklungen neue Chancen.“ Diesen Punkt unterstrich auch Marcus Brookes; er wies ergänzend darauf hin, dass einige Marktteilnehmer „tendenziell das Kind mit dem Bade ausschütten“ – was er an den deutlichen und für ihn unbegründeten Kursverlusten in Asien festmachte.

Langfristiger Ausblick kaum verändert

„Wir überprüfen derzeit gezielt Zahlen, Daten und Fakten. Und wir meinen, dass es langfristig Chancen durch günstige Bewertungen geben wird.“, so Marcus weiter. Genau dieses Agieren mit ruhiger Hand ist bei Schroders die Maxime des gesamten Hauses, bestätigte Peter Harrison: „Gespräche mit den Fondsmanagement-Teams zeigen, dass einige bereits vereinzelt wieder Papiere kaufen – vor allem solche, die zuvor überteuert waren. Sicherlich lassen sich momentan zahlreiche günstige Gelegenheiten wahrnehmen.“

Als Ausblick auf den weiteren Jahresverlauf behält Azad Zangana im Grundsatz seiner bisherigen Überzeugung treu:

"Die Ereignisse haben nichts an der Einschätzung erschüttert, dass Anleihen unglaublich überteuert sind und sehr wenig Wertpotenzial bieten. Hingegen werden Aktien angesichts des jüngsten Abverkaufs attraktiver."

Diesen Beitrag teilen: